Das Abtreibungsreferendum spaltet Irland
Am Freitag haben die rund 4,7 Millionen Iren über das in der Verfassung festgeschriebene Abtreibungsverbot abgestimmt. Ergebnisse werden im Laufe des heutigen Samstags erwartet. Fällt das Verbot, wie von der Fine-Gael-Regierung unter Premier Leo Varadkar befürwortet, soll die Insel im Westen Europas erstmals eine Fristenregelung erhalten. Ansonsten bleibt Irland ein Staat mit einem der strengsten Abtreibungsgesetze Europas.
Gegen eine Aufhebung haben sich stets die sozial Konservativen, angefeuert von der mächtigen katholischen und kleineren protestantischen Kirchen, ausgesprochen. Ihr Kampf gilt der Ablösung der irischen Gesellschaft von ihren theokratischen Wurzeln. In der Verfassung des Freistaates von 1937 war die klerikale Rückständigkeit festgeschrieben. Nach und nach erstritten sich Iren und vor allem Irinnen ihre Rechte: Empfängnisverhütung, Ehescheidung – stets wehrten sich Kirchen und ihre Parteigänger gegen alle Reformen. Die jetzt gültige Abtreibungsregelung wurde erst 1983 als achte Ergänzung in die Verfassung aufgenommen.
Nur bei Lebensgefahr erlaubt
Seither galt dreißig Jahre lang: Der Schwangerschaftsabbruch ist komplett verboten. Inzwischen können Irinnen eine Abtreibung in ihrer Heimat vornehmen lassen – Voraussetzung dafür ist unmittelbare Gefahr für Leib und Leben. In Südirland gilt diese Regel erst seit 2013, als das Parlament ein Gesetz „zum Lebensschutz während der Schwangerschaft“verabschiedete. Damals war das eine kleine Revolution. Zuvor hatte zwar der Europäische Gerichtshof in Straßburg auf eine Lockerung des Komplettverbots gedrängt. Grund war der Tod einer Zahnärztin in Galway. Bei der Frau diagnostizierten die Ärzte in der westirischen Stadt zwar eine Fehlgeburt. Weil das Herz des nicht lebensfähigen Kindes aber weiterschlug, wurde der Patientin im November 2012 der notwendige Schwangerschaftsabbruch verweigert. Begründung: „Dies ist ein katholisches Land.“Kurz darauf starb die Zahnärztin an Blutvergiftung.
Dabei ist Abtreibung „schon bisher eine Realität für irische Frauen“, argumentieren Premier Varadkar, ausgebildeter Allgemeinmediziner, und sein Gesundheitsminister Simon Harris. Viele betreiben Abtreibungstourismus auf eigene Kosten. Schätzungen gehen von rund 3000 bis 4000 Fällen pro Jahr aus. Hinzu kommen rund 2000 Frauen, die illegal über das Internet eine Abtreibungspille bestellen. Harris spricht von „neun irischen Frauen, die täglich nach Großbritannien reisen“. Das entspräche einer Gesamtzahl von knapp 3300. Genaue Zahlen gibt es nicht.
Viele junge Menschen und Auslands-Iren haben sich registrieren lassen, um ihre Stimmen abzugeben. In den letzten Umfragen lagen die Liberalisierer mit 58 Prozent vorne.
Der Vatikan hat sich am Freitag deutlich gegen jede Form der Gesetzgebung ausgesprochen, die Abtreibung legalisiere. Anlässlich der Weltgesundheitskonferenz der Vereinten Nationen in Genf zeigte der Vatikan sich besorgt über Pläne für eine „gefahrlose Abtreibung“. „Der Heilige Stuhl betrachtet Abtreibung nicht als Bestandteil der Fortpflanzungsmedizin“, heißt es in einem Schreiben des Ständigen Beobachters des Vatikan bei den Vereinten Nationen in Genf, Erzbischof Ivan Jurkovic.