Augsburg rüstet sich gegen Krawall
Wegen des AfD-Parteitags größter Polizeieinsatz der Stadtgeschichte
● AUGSBURG - Wo besorgte Bürger sind, ist normalerweise die AfD nicht weit weg – in Augsburg sind nun die Bürger besorgt, weil die AfD im Anmarsch ist. Am nächsten Wochenende findet in der bayerischen Großstadt der Bundesparteitag der Alternative für Deutschland statt, und Augsburg rüstet sich für den größten Polizeieinsatz seiner Geschichte.
700 AfD-Delegierte und mehr als 300 Gäste werden am Samstag und Sonntag im Messezentrum erwartet, die Polizei rechnet mit Tausenden Gegendemonstranten. Dazu befürchtet der Bayerische Verfassungsschutz die Anreise von bis zu 1000 gewaltbereiten Linksautonomen. Sie stellen das unwägbarste Risiko dar, seit Wochen läuft im Internet eine großangelegte Mobilisierung. Für die größten Magenschmerzen bei Bürgern und Behörden sorgt dabei die Veröffentlichung eines „Reiseführers für Krawalltouristen“.
Unter dem Titel „Riot maker“– zu deutsch Krawallmacher – rufen die unbekannten Verfasser darin im Netz auf 44 Seiten dazu auf, den „AfD-Parteitag und Repressionsbehörden des Staates anzugreifen“und liefern dazu etwa die Adressen von Parteizentralen, dem Sitz der Regierung von Schwaben, von Justizgebäude, Arbeitsamt und Ausländerbehörde.
Aufruf zu Gewalt
„Den Krawallreiseführer nehmen wir sehr ernst, weil hier explizit zu Gewalt aufgerufen wird“, sagt Thomas Rieger, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „In jedem Fall ermittelt aber der Staatsschutz, da der Reiseführer Anleitungen zu mehreren Straftatbeständen enthält.“Unter anderem finden sich darin Erklärungen, wie mit Steinen oder Hammern „Aktionsformen“durchgeführt werden könnten und mit welchem Grillanzünder Autos am besten in Brand geraten.
Verunsicherung herrscht nicht nur auf Seiten der Beamten, sondern auch bei Bürgern und Geschäftsleuten. Das Messegelände, in dem die Partei tagt, ist rund fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, verkehrsgünstig gelegen an der Bundesstraße, über die die meisten Teilnehmer und Demonstranten anreisen werden. Rund um die Messe erwartet die Polizei den Schwerpunkt des Einsatzes, aber auch das angrenzende Univiertel und die Innenstadt stehen unter besonderer Beobachtung.
„Wir müssen gewappnet sein und davon ausgehen, dass sich Gewalttäter auch wo anders abreagieren, wenn sie sich rund um die Messe nicht ausleben können“, so Rieger. Zahlreiche Straßensperren sind geplant, für verunsicherte Anwohner wird ein Bürgertelefon mit aktuellen Informationen geschaltet. Unterstützung erhält die Polizei Schwaben bei ihrem Großeinsatz von Beamten aus anderen bayerischen Orten und anderen Bundesländern, insgesamt werden mehr als 2000 Einsatzkräfte vor Ort sein.
Die Demonstranten aus dem bürgerlichen Lager machen ebenfalls im Netz mobil, in zahlreichen Facebookgruppen laden sie zum gemeinsamen Protest gegen die AfD ein. Vier Gegenveranstaltungen sind derzeit angemeldet, zahlreiche Vereine der Stadt, darunter der Stadtjugendring und das Referat für Gender und Gleichstellung der Universität, haben sich dafür zusammengeschlossen. Auch die evangelische und die katholische Kirche werden sich am Protest beteiligen.
OB Gribl will sprechen
Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) hat angekündigt, auf Einladung des Bündnisses für Menschenwürde auf dem Rathausplatz zu den Gegendemonstranten zu sprechen – unter „Wahrung des Neutralitätsund Sachlichkeitsgebots“. In einer Pressemitteilung heißt es dazu: „Wir als Stadt Augsburg stehen selbstverständlich für das freie Demonstrationsrecht und appellieren an alle Beteiligten, friedlich und gemeinsam für ihre Sache einzustehen – so, wie wir das in Augsburg gewohnt sind.“
Denn das Bekenntnis zum gewaltfreien Miteinander hat in der Fuggerstadt Tradition. Mit dem bundesweit einzigartigen Stadt-Feiertag „Hohes Friedensfest“erinnern die Augsburger immer im August an den in ihrer Stadt geschlossenen Religionsfrieden von 1555, der das friedliche Zusammenleben verschiedener Konfessionen ermöglichte. Zudem haben knapp 45 Prozent aller Bürger einen Migrationshintergrund – das Leben in der 280 000-Einwohner-Stadt ist gelebtes Multi-Kulti.
Dass etliche ein Problem damit haben, dass der Parteitag der AfD in Augsburg stattfindet, zeigte sich außerdem schon vor der Veranstaltung: Hotels wie das Steigenberger Drei Mohren stornierten wegen Sicherheitsbedenken die Hotelbuchungen einiger AfD-Funktionäre, und ein ehrenamtlicher Kirchenführer der Basilika St. Ulrich und Afra sorgte für Aufmerksamkeit, indem er einem AfD-Verband die angefragte Führung durch die Kirche verweigerte.