Jogi am Zug
DFB-Spitze und Nationalspieler sprechen Joachim Löw das Vertrauen aus, er selbst grübelt – Wer dem Bundestrainer beim Entscheiden hilft
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MOSKAU - Ein kollektives „Ja“– und ein singuläres „Hm. Jein, weiß nicht“. Vielleicht.
Der deutsche Fußball und die ungeklärte Bundestrainerfrage fünf Tage nach dem Schock, dem WM-Vorrunden-Aus durch das 0:2 gegen Südkorea. „Should I stay or should I go?“– sangen einst The Clash. Joachim Löws Gedanken drehen sich dieser Tage genau darum: Soll ich bleiben oder gehen?
Ist die Beziehung mit dem DFB nach 14 Jahren gescheitert? Der Verband will Löw die Treue halten, will keine Trennung. Das ließ sich Präsident Reinhard Grindel in einer ausführlichen Telefonkonferenz am Samstag von seinen Präsidiumskollegen bestätigen – ein einstimmiges Ja! Auch Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff war zugeschaltet. Nach dem Gespräch hieß es aus dem DFB: „Da gibt es keine andere Meinung – ein klarer Vertrauensbeweis.“Löws Vertrag war vor der WM demonstrativ bis 2022 verlängert worden, im neuen Kontrakt gibt es laut Informationen der „Schwäbischen Zeitung“keine Ausstiegsklausel mehr. Bislang hatte Löw nach dieser WM 2018 die Möglichkeit, aus dem Vertrag auszusteigen – unabhängig vom Abschneiden in Russland. Vizepräsident Rainer Koch betonte am Sonntag: „Wir setzen darauf, dass er erklärt, weiterzumachen.“Einen Plan B gäbe es beim DFB nicht. Präsident Grindel sagte, er traue dem Bundestrainer den erforderlichen Umbruch „nach wie vor“zu. Der erste Schritt ist getan.
Nun heißt es: Warten auf Jogi. Auf ein positives Signal des Bundestrainers, der seit dem Rückflug des DFBTrosses am Donnerstag ins Privatleben abgetaucht ist, sich in seiner Heimatstadt Freiburg mit Freunden austauscht. Die „Bild“lichtete den offensichtlich grübelnden Bundestrainer am Samstagmorgen in einem Freiburger Café mit dem passenden Namen „Auszeit“ab. Mehr als zwei Stunden habe Löw in seinem StammCafé verbracht, erst alleine, dann mit drei Freunden, redend, gestikulierend, lachend, espressoschlürfend, autogrammeschreibend. Zwischendurch zündete er sich eine Zigarette an, „American Spirit“, wie das Blatt kennend schreibt.
Jogi am Zug.
„Ich muss mich natürlich auch selber hinterfragen, warum wir das nicht geschafft haben“, hatte Löw nach dem WM-Aus gesagt, „das braucht ein bisschen Zeit, bis wir das alles irgendwie verdaut haben.“Ob die Entscheidung des Präsidiums sowie Stimmen seiner Spieler Löw nun beeinflussen? Führungsspieler Jérôme Boateng sprach sich für den Verbleib des Bundestrainers aus. „Auf jeden Fall“, so der Bayern-Profi in der „Welt am Sonntag“. Löw habe dem Team „klare Worte und Anweisungen mitgegeben, die wir nicht umgesetzt bekommen haben. Wir Spieler waren und sind in der Pflicht. Wir standen auf dem Spielfeld.“Eine Selbstanklage.
Wer aber hat wirklich Einfluss auf Löws Zukunftsplanung? Drei Personen: Löws Berater Harun Arslan, mit dem er seit 1998 zusammenarbeitet und privat befreundet ist. Seine Ehefrau Daniela, von der er getrennt lebt, die sich weiter um seine Finanzen kümmert. Und schließlich DFBChefscout Urs Siegenthaler, dem er bedingungslos vertraut.
Bis wann will – und soll - sich Löw erklären? Sehr wahrscheinlich bis zum nächsten Wochenende. „Wir haben mit ihm besprochen, dass die Entscheidung zügig fallen muss. Er sieht das genauso“, sagte DFB-Vize Koch.
Die „Bild am Sonntag“will aus dem Umfeld von Löw erfahren haben, dass er bereits „in der Wochenmitte“entscheidet. Für die kommende Woche ist ein Treffen aller Verantwortlichen geplant. Wie ist die Tendenz? Löw bleibt. Er sehe „keine
„Wir setzen darauf, dass er erklärt, weiterzumachen.“
DFB-Vizepräsident Reiner Koch
Anzeichen“, dass der Bundestrainer zurücktreten könnte, sagte Grindel. Die „SZ“dagegen zitiert einen langjährigen Vertrauten Löws, der sagt, er halte es „für wahrscheinlicher, dass Jogi aufhört, als dass er weitermacht“.
In knapp zehn Wochen muss der gestürzte Weltmeister wieder ran. Wer aber sitzt am 6. September in München gegen Frankreich auf der Bank?
Dann beginnt die neu geschaffene „Nations League“der UEFA, bald auch die reguläre EM-Qualifikation für die WM 2020, die in ganz Europa gespielt wird. Deutschland bestreitet zwei Vorrundenspiele in der Münchner Allianz Arena, dazu möglicherweise ein K.o.-Spiel – eine halbe Heim-EM also. Allein deshalb braucht es einen klaren Neubeginn – oder einen bedingungslos gestärkten Bundestrainer Löw.