Engpass bei Essen auf Rädern
Katholische Sozialstation stellt Lieferung im August vorübergehend ein.
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TUTTLINGEN - Die katholische Sozialstation in Tuttlingen hat Probleme, ihr Angebot Essen auf Rädern aufrecht zu erhalten. Im August wird kein Mittagessen geliefert, ab September nur noch werktags. „Unser Geschäftsmodell funktioniert so nicht mehr“, sagt Marianne Gajo. Wie es ab 2019 weitergehen wird, kann die Geschäftsführerin der katholischen Sozialstation derzeit nicht sagen. Kritik von außen kommt wegen der Kurzfristigkeit, mit der das Angebot ausgesetzt worden sei.
Um die 60 Abnehmer hat die katholische Sozialstation nach Worten Marianne Gajos für die Essenslieferung. Nicht nur in Tuttlingen, sondern zum Beispiel auch in Irndorf, Bärenthal, Kolbingen und Fridingen. Elf Fahrer wechseln sich auf den drei Touren täglich ab. Gajo: „Das ist aktuell nicht mehr darstellbar.“Dabei bezieht sie sich vor allem auf die Logistik, denn finanziell sei diese „zusätzliche Leistung“, die die Sozialstation anbiete, seit Jahren defizitär. Rund 20 000 Euro Minus hätten alleine im vergangenen Jahr dafür in der Bilanz gestanden. Die Sozialstation hat keine eigene Küche und kauft das Essen ein. 7,50 Euro kostet ein Menü ohne Suppe samt Lieferung – als Einkaufspreis berappe die Sozialstation 4,90 Euro.
Entschädigung ist ein Problem
Doch jetzt hat sich ein neues Problem aufgetan: die Bezahlung der ehrenamtlichen Fahrer. Bislang sind diese auf Basis des Übungsleiterfreibetrags entschädigt worden: 2400 Euro pro Fahrer und Jahr waren möglich. Dazu gebe es eine Entscheidung des Finanzministeriums, „die nicht neu ist, für uns aber schon“, wie die Geschäftsführerin der Sozialstation sagt.
Demnach darf diese Übungsleiterentschädigung nicht für die Fahrer angewandt werden, sondern nur ein sogenannter Ehrenamtsbetrag, der maximal 720 Euro jährlich beträgt. „Da wird sich niemand finden, der für dieses Geld fährt“, ist sich Gajo sicher.
Mit einem Brief habe die Sozialstation ihre Kunden deshalb darüber informiert, dass das Angebot zum 1. August für einen Monat ausgesetzt werde. „Wir haben es logistisch einfach nicht mehr geschafft, die Touren in diesem Monat mit Fahrern zu bestücken“, erklärt die Geschäftsführerin. Auch das Büro, das die Verwaltungsarbeit stemmt, sei in der Ferienzeit ausgedünnt. Ab September und bis Jahresende soll Essen auf Rädern dann weitergeführt werden, allerdings nur wochentags und damit nicht mehr sieben Tage die Woche. Marianne Gajo: „Wir schöpfen die Übungsleiter-Regelung final bis Jahresende aus.“
Kurt Moser, ein ehemaliger Tuttlinger, der heute bei Ludwigsburg lebt und nach eigenen Angaben gute Kontakte in seine Heimat hat, kritisiert das Vorgehen der katholischen Sozialstation: Die Information der betagten Kunden sei zu kurzfristig vorgenommen worden, „nur wenige Tage vorher“, wie Moser sagt. „Daher befürchte ich, dass besonders allein lebende Senioren gesundheitliche Probleme bekommen werden, weil sie damit überfordert sind.“Er wittert einen Skandal: „Ich sehe das sogar als strafrechtlich relevant an und bewerte das als Körperverletzung.“Deshalb hat er sich auch an diese Zeitung gewandt.
Marianne Gajo wehrt sich gegen „diese schlimmen Unterstellungen“. Sie weist darauf hin, dass die Sozialstation das Informationsschreiben an die Essensabnehmer vor drei Wochen verschickt habe. Daraufhin habe es etliche Nachfragen von Kunden gegeben, worauf ihnen Anbieter genannt worden seien, die die Essenslieferung im August übernehmen könnten (siehe Kasten). Am Mittwoch und Donnerstag, 1. und 2. August, werde der Einsatzleiter zudem jeden einzelnen Kunden abfahren, um zu sehen, ob er versorgt sei. „Wohl wissend, dass Menschen dabei sind, die den Brief vielleicht nicht gelesen haben, die Pflege brauchen“, sagt die Geschäftsführerin.
Kurt Moser erklärt, dass diese Reaktion der Sozialstation erst durch sein Einschalten erfolgt sei. Marianne Gajo widerspricht dem: „Das haben wir von Anfang an überlegt. Selbstverständlich ist das nicht an Herrn Mosers Reaktion gebunden gewesen.“Die Vorhaltungen treffen sie, wie sie sagt. „Es wäre ein Leichtes gewesen, zu sagen, wir ziehen uns aus dem Bereich Essen auf Rädern ganz zurück“, erklärt sie. Zumal die Kernaufgabe der Sozialstation eine andere sei. Das wolle aber niemand, eben mit Blick auf die betagten Kunden.
Für das kommende Jahr arbeiten die Verantwortlichen deshalb an einer Lösung, um weiterhin Essen auf Rädern anzubieten. Gajo: „Wir hoffen auf eine Entlastung, die die Umstellung auf eine Fünf-Tage-Lieferung mit sich bringt.“