Mit dem Zweiten isst man nicht besser
Geschmacklos, relativierend und schädlich: Seit einigen Jahren gefällt sich das Zweite Deutsche Fernsehen darin, in Pseudo-Verbrauchersendungen wie „ZDF Zeit“Äpfel mit Birnen zu vergleichen: Die Galionsfigur dieser an Gehirnwäsche grenzenden Darbietungen mit gefühlten Wahrheiten als Konzept heißt Nelson Müller. Der Sternekoch darf alle möglichen Fressalien vor laufender Kamera vergleichen: Tiefkühlkost mit Frischware, Aldi mit Lidl, Billigbrot, Wurst, Kaffee und zuletzt die Produkte der vier großen Fastfoodketten McDonalds, Burger King, Nordsee und Subway.
Stets werden in diesen nicht repräsentativen Vergleichen Noten in Kategorien wie Geschmack, Preis, Fairness, Service oder Ähnliches vergeben. Meistens begrüßt Müller dann in seinen Privaträumen ein paar seiner coolen Hipster-Freunde, damit diese zum Beispiel den Unterschied zwischen Büchseneintopf und Müllers nach Art der Oma selbst geschnibbelter Ware erraten sollen. Und wie das halt so ist mit den Menschen, erkennen viele eben den Unterschied nicht. So auch in Müllers Restaurant, wo Gäste die vom Fernsehkoch zuvor hübsch auf dem Teller angerichteten Bestseller der Fastfoodketten in den Himmel loben, während er grinsend daneben steht und sagt: „Oh, das überrascht mich jetzt.“Natürlich ist das überhaupt nicht überraschend, weil Menschen ihr Urteil erwiesenermaßen oft nicht nach sachlichen Kriterien abgeben, sondern nach der Erwartungshaltung. Und die ist als Gast beim Fernsehkoch eben, was besonders Leckeres zu bekommen.
Diese Art der Bloßstellung gutgläubiger Menschen gehört offenbar fest zum Konzept der Sendung, genauso wie die permanente Pseudo-Überraschung: das Billigste ist oft das Beste oder zumindest gar nicht so schlecht. Damit verfolgen diese Darbietungen am Ende doch nur einen Zweck: unkritische Verbraucher, die das Fundament unserer deutschen Billigesserkultur bilden, in ihrem Konsumverhalten zu bestärken.
Dabei ist es Spitzen-Sterne-OberSuper-Koch Nelson Müller offenbar egal, dass er und sein Sender damit der Selbstberuhigung jener Leute Vorschub leisten, die immer schon gesagt haben, dass das Schweinefilet für 6,99 Euro pro Kilo eh das Beste ist. Denn natürlich liefert die Lebensmittelindustrie Produkte, die den Menschen nicht unmittelbar schaden, die schmecken und bisweilen auch nicht weniger gut sind als Sachen vom Wochenmarkt. Bloß: Kein McDonalds oder BurgerKing kauft bei lokalen Landwirten oder örtlichen Züchtern und Metzgern ein. Diese Firmen bestellen in den Größenordnungen von tausend Tonnen – und das gibt es in erster Linie eben nur von agrarindustriellen Anbietern mit hochintensivierter Landwirtschaft und kolossaler Massentierhaltung.
Am peinlichsten werden diese Sendungen aber, wenn sie in puncto Fairness oder Umweltschutz Noten vergeben – und zum Beispiel das Lohnsklaventum in fernen Produktionsländern mit Punktabzug bedacht wird, was ungefähr dem entspricht, was abgezogen wird, wenn jemand das Gürkchen im Burger vergessen hat. Damit schafft der TV-Schmarrn ein „Alles-in-bester-Ordnung“-Bewusstsein, das all die Probleme, die wir aufgrund der Massenproduktion heute schon haben, in Zukunft noch verstärkt. Und bewirkt, dass wir uns gemütlich im Sofa zurücklehnen und denken: „Passt schon.“Aber das tut es nie, wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht.
Weitere „Aufgegabelt“-Folgen und Restauranttests gibt es unter www.schwäbische.de/aufgegabelt