Aussitzen hilft nicht
Bei diesen Bildern aus Chemnitz dreht es einem den Magen um: Demonstranten, die sich mit erhobenen Fäusten und gereckten Fingern der Polizei entgegenstellen, aus deren Posen eindeutig hervorgeht, dass sie in Gewalt durchaus ein Mittel der Politik sehen. Und was sagen die eigentlichen Volksvertreter dazu? Dass „der sächsische Staat handlungsfähig“sei (Sachsens Ministerpräsident Kretschmer), dass Hass „mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun“habe (Kanzlerin Angela Merkel). Was für Floskeln!
Es ist doch augenfällig, dass sich rechte Hetzer im öffentlichen Raum breitmachen, dass sie sich bestens über soziale Medien vernetzen – und die Politik tut so, als könne sie diese Auswüchse aussitzen. Dieser Vorwurf trifft insbesondere die sächsische CDU, die trotz all der rechten Umtriebe im Land so tut, als habe Sachsen kein Extremismusproblem. Dabei wird andersrum ein Schuh daraus: Sachsen, aber eben nicht nur Sachsen, ist für Menschen mit Migrationshintergrund ein gefährliches Pflaster. Das Vertrauen in den Schutz von Minderheiten in Deutschland hat bereits enormen Schaden genommen, nicht zuletzt wegen des Staatsversagens in der NSU-Mordserie. Auch die immer wieder zutage tretenden Verbindungen zwischen Behörden und rechter Szene – zuletzt beim LKA-Pegida-Mann – befeuern den Eindruck, der Staat schaue rechts nicht genau hin.
Was nun zu tun ist? Kurzfristig wäre schon etwas gewonnen, wenn sich der Staat sein Gewaltmonopol nicht länger von „besorgten“Bürgern und rechtsextremen Hooligans aus der Hand nehmen ließe. Schlimm genug, dass dies am Sonntag nach der tödlichen Messerstecherei in Chemnitz nicht geglückt ist. Dass auch am Montag zu wenige Polizisten auf der Straße waren, klingt deshalb schon fast wie ein schlechter Witz. Denn auch das ist klar: Dem Hass in den Köpfen der extremen rechten Szene, die im Fahrwasser der AfD Morgenluft wittert, ist nicht von heute auf morgen beizukommen. Aber Hetzjagden und Selbstjustiz zu verhindern, das sollte dem Rechtsstaat möglich sein.