Kein linker Dachverband
Schon in der Grundidee der Bewegung „Aufstehen“steckt ein Widerspruch. Sie möchte jenen eine Heimat bieten, die vom Parteienspektrum – auch vom linken – enttäuscht sind. Gleichzeitig soll „Aufstehen“eben jenes Spektrum einen, um linke Mehrheiten zu erreichen.
Das „Aufstehen“-Spitzenpersonal ist dafür das denkbar schlechteste. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gelingt es schon nicht, die tiefen Gräben in ihrer eigenen Partei zu schließen. Vielmehr arbeitet sie fleißig an deren Zersplitterung. Mit ihrem sehr unlinken Kurs in der Flüchtlingspolitik geht sie auf Konfrontation zu Parteichefin Katja Kipping. Dass ausgerechnet die schillernde Figur Wagenknecht SPD, Linke und Grüne an einen Tisch bringt, erscheint da höchst unwahrscheinlich.
Zudem ist Co-Gründer Oskar Lafontaine für die SPD nach wie vor Persona non grata. Die Sozialdemokraten haben dem früheren SPD-Spitzenmann nie verziehen, dass er nach seinem Austritt die Linke zur ernstzunehmenden Konkurrenz machte. Auf breiten Beistand der SPD werden Lafontaine und Wagenknecht nicht zählen können. Reaktionen aus der SPD zeigen vielmehr: Das Störsignal wurde gehört. Seit Tagen wirkt sie aufgescheucht. Das verwundert nicht. „Aufstehen“gibt sich modern. Inhaltlich besetzt die Bewegung Themen, mit denen die SPD sich schwertut, die aber ihren Markenkern ausmachen: höhere Löhne, sichere Arbeitsplätze, gute Renten. Wieder einmal bleibt zu hoffen, dass der nächste Nebenbuhler die SPD aus ihrer Lethargie reißt.
Noch mehr ist für Wagenknecht bei den Anhängern der AfD zu holen. 400 000 Linken-Wähler wanderten bei der Bundestagswahl im Osten zu den Rechtspopulisten ab. In drei neuen Bundesländern wird 2019 gewählt. Dort will Wagenknecht sie wieder einfangen mit einer Rhetorik, die als halbe Kampfansage an die Politik zu werten ist. Das Lob für „Aufstehen“von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland zeigt, dass sie den Ton trifft.
Als Verbund der Enttäuschten und vermeintlich Ungehörten wird „Aufstehen“demnach funktionieren, als Dachverband für das linke Parteienspektrum aber scheitern.