Tochter verzweifelt gesucht
„Searching“– Faszinierendes Kinoexperiment über die Untiefen der sozialen Netzwerke
Die Digitalisierung der Welt wird auch auf großer Kinoleinwand verhandelt. Seit Kurzem ist gar von einem neuen Genre die Rede, dem sogenannten „Desktop-Film“. Gemeint sind Filmwerke, deren Geschehen sich gänzlich auf Bildschirmen abspielt, ob auf der Oberfläche eines Handys oder eines Computers. Nun gelangt mit „Searching“ein Werk in die Kinos, das dem Genre zu noch größerer Aufmerksamkeit verhelfen dürfte.
Regie führt der in den USA aufgewachsene Inder Aneesh Chaganty. Der ehemalige Google-Mitarbeiter berichtet in „Searching“, seinem Kinodebüt, von einem völlig verzweifelten Vater (verkörpert von John Cho aus „Star Trek: Beyond“), der auf der Suche ist nach seiner verschwundenen Tochter. Nach dem Krebstod der Mutter hat David Kim seine Tochter alleine großgezogen. Nun ist sie 16, und auch wenn das Verhältnis der beiden vertrauensvoll anmutet, wird doch schnell klar, dass dieser Eindruck täuscht. Eines Tages nämlich ist Margot weg, wie vom Boden verschluckt, und dabei wähnte sie der ahnungslose Vater bei der Klavierstunde. Aber Margot ist nicht mehr das artige Töchterlein, längst hat sie sich im Netz eine zweite Identität aufgebaut.
Der verzweifelte David macht sich selbst auf die Suche, die ihn über Margots Laptop in die Untiefen der sozialen Netzwerke, Video-Blogs und anderer digitaler Plattformen führt. Und die den konsternierten Vater mit der Tatsache konfrontieren, dass es sich bei seiner vermeintlich so beliebten Tochter um eine Einzelgängerin handelt.
Großartig an diesem Film ist vor allem, mit welcher Leichtigkeit ein Computer-Bild das nächste jagt. Lange hat man etwa keinen so packenden Einstieg erlebt wie hier. In wenigen Minuten erzählt uns Regisseur Chaganty nur anhand von Netzbildern, Videos und anderen digitalen Formaten, welches Leben Margot bisher führte. Zugleich muten schon diese ersten Einstellungen wie eine Warnung an: Das Internet vergisst nie, überall hinterlassen wir unsere Spuren. Spuren, das zeigt dieser Film, aus denen sich problemlos ein ganzes Leben rekonstruieren lässt. Auf geradezu erschütternde Art und Weise verdeutlicht dieser Film den Stellenwert, den die sozialen Netzwerke bei vielen Jugendlichen inne haben.
Haben wir es bei „Searching“mit der Zukunft des Kinos zu tun? Das bleibt abzuwarten. Um einen hochaktuellen, im besten Sinne zeitgenössischen Film aber handelt es sich in jedem Fall. (dpa)
Searching. Regie: Aneesh Chaganty. Mit John Cho, Debra Messing, Michelle La. USA 2018. 102 Minuten. FSK ab 12.