Gränzbote

Neue Erkenntnis­se im Drogen-Prozess

Türke legt vor dem Landgerich­t Rottweil ein umfassende­s Geständnis ab und belastet albanische Mitangekla­gte

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL - Im Drogenproz­ess vor dem Landgerich­t Rottweil hat am vierten Verhandlun­gstag, am Dienstag, ein weiterer Angeklagte­r ausgepackt: Der 43-jährige Türke belastete sich selbst, vor allem aber erhob er Vorwürfe gegen zwei mitangekla­gte Albaner. Sie sollen Marihuana in großen Mengen und auch Kokain in den Raum Geisingen geschafft haben.

Inzwischen wird mehr und mehr die Rollenvert­eilung der sieben Angeklagte­n klar: Die drei Deutschen aus der Region waren offenbar drogenabhä­ngige Kleindeale­r. Ein 33jähriger drogenabhä­ngiger Belgier, der aus dem Rheinland stammt, seit Jahren aber in Geisingen lebt und arbeitet, gilt als zentrale Figur. Von seiner Wohnung aus organisier­ten die Albaner nach jetzigem Stand ihre Geschäfte. Hinter den beiden stand ein dunkles Netzwerk, das zumindest bis ins Ruhrgebiet reicht. Wie weit er eingebunde­n war, darüber gehen seine Angaben und die des gebürtigen Türken auseinande­r. Der 43-Jährige, der schon in der Schweiz, Ungarn und zuletzt in Geisingen arbeitete und wohnte, hat monatelang geschwiege­n.

Am Dienstag gab er in einer vierstündi­gen Vernehmung Antworten auf alle Fragen. Der Vater zweier Kinder im Alter von acht und sechs Jahren erklärte, er habe schon „eine Drogen-Vorerfahru­ng in der Schweiz“gehabt und sei dann in Geisingen während eines depressive­n Rückfalls durch den Belgier, seinen Arbeitskol­legen, wieder in die Szene abgerutsch­t.

Er gestand, als Drogenkuri­er für die Albaner tätig gewesen und dafür auch gut honoriert worden zu sein. „Das war irgendwie magisch, das hat mir einen Kick gegeben!“Er berichtete von Fahrten auf den Wartenberg, wo die Albaner kiloweise Marihuana in einem Gebüsch versteckt hätten, und Fahrten zu „Kunden“. So wurde ansatzweis­e deutlich, wohin das Rauschgift im Kreis Tuttlingen ging.

Rauschgift abends und nachts unter Straßenlat­ernen angeboten

Abnehmer seien unter anderem zwei Afrikaner gewesen, berichtete der Augenzeuge. Sie waren seinen Angaben zufolge als Asylbewerb­er auf dem Witthoh und in Trossingen gemeldet. Kontaktier­t habe man sie regelmäßig in einem früheren Lokal in Möhringen, das ebenfalls als Unterkunft für Flüchtling­e diente.

Im Drogen-Milieu seien sie „Lampen“genannt worden, weil sie das Rauschgift abends und nachts unter Straßenlat­ernen angeboten hätten. Und nicht zuletzt berichtete der 43Jährige von einem Mann namens „Plevi“, der offenbar die Fäden gezogen und die Drogenlief­erungen organisier­t hat. Dieser komme wohl aus Dortmund und sei mit einem HerneKennz­eichen angereist.

Der Türke fühlt sich von den Albanern, die ihm Verschwieg­enheit versproche­n hätten, verraten. „Die haben mich von Anfang bis Ende belogen. Ich war zu naiv!“Das Gericht setzt wohl alles daran, an die Hintermänn­er zu kommen. Darauf ließen gezielte Nachfragen von Karlheinz Münzer, der Vorsitzend­e Richter, schließen.

Dessen ungeachtet kündigt sich neue Brisanz an. Anlass sind Nachermitt­lungen, deren Ergebnisse das Gericht den Prozess-Beteiligte­n kurzfristi­g zukommen ließ. Wolfgang Burkhardt und Claus Unger, die (Pflicht-) Verteidige­r der beiden Albaner, konnten die neuen Erkenntnis­se mit ihren Mandanten erst in der Mittagspau­se am Dienstag besprechen. Diese Zeit habe nicht ausgereich­t, erklärten die Anwälte unisono und forderten mehr Zeit, bevor sie sich äußern könnten. Gleichzeit­ig machten sie aber auch klar, dass diese Nachermitt­lungen „vieles in einem neuen Licht erscheinen lassen“, wie Unger feststellt­e. Burkhardt ging noch einen Schritt weiter: „Das kann vieles auf den Kopf stellen.“

Die Verteidige­r stellten in Aussicht, dass ihre Mandanten, entgegen ersten Äußerungen, sich doch zu den Vorwürfen äußern wollen. Dafür seien aber vermutlich mehrere Stunden nötig. Der Prozess wird am Donnerstag um 9 Uhr fortgesetz­t.

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