„Dass nach 1945 alles weg ist, ist eine Illusion“
TUTTLINGEN Sie ist Jüdin und macht das zum Thema: Die Bloggerin Juna Grossmann (Foto: pm) liest am Dienstag, 13. November, 19 Uhr im Tuttlinger Rathaus-Foyer aus ihrem Buch „Schonzeit vorbei“. Darin schreibt sie über Antisemitismus, der ihr täglich widerfährt. Redakteurin Dorothea Hecht hat mit der Autorin gesprochen.
Frau Grossmann, Sie schreiben von Hassmails und offenen Beschimpfungen gegen Sie als Jüdin. Wie macht sich das konkret bemerkbar?
Der Klassiker, den ich immer erzähle: Ich habe im Jüdischen Museum in Berlin gearbeitet. Weil die Leute dort an der Garderobe ihre Jacken abgeben mussten, wurde uns unterstellt, das sei die Rache der Juden am Holocaust. Also dass diese Menschen ihre Jacken abgeben mussten. Und das kam nicht nur einmal, sondern des Öfteren.
Wie erklären Sie sich so etwas Absurdes? Haben wir Deutschen aus der Geschichte nichts gelernt?
Ich kann es mir auch nicht erklären. Die Illusion, dass nach 1945 alles weg, alles vorbei ist, das ist tatsächlich nur eine Illusion. Aber es ist nicht nur Hass gegen Juden. Ich könnte auch Geschichten darüber erzählen, was mir als Frau schon so passiert ist. Menschen mit dunkler Hautfarbe werden auch oft diskriminiert oder Muslima, die Kopftuch tragen. Das hat alles dieselbe Wurzel, die Angst oder Abscheu vor etwas vermeintlich anderem – auch wenn es gar nichts Böses ist.
Es wurde viel über Antisemitismus im Islam diskutiert. Auch in Tuttlingen gibt es eine große muslimische Gemeinde. Spüren Sie Hass aus dieser Richtung?
Ich mache da keinen Unterschied, aus welcher Richtung er kommt. Ich finde es gefährlicher und bedenkenswerter, wenn mir ein Dipl.-Ing. oder ein Dr. seinen Hass mitteilt als ein Geflüchteter, der sein Leben lang so indoktriniert wurde. Da hat man noch eine Chance, etwas zu ändern. Bei den grauen Herren sitzt der Hass tiefer und da frage ich mich schon, woher er kommt.
Wen wünschen Sie sich am Dienstag als Publikum?
Jeden, der interessiert ist und der reden mag. Ich lerne selbst gern Neues dazu und bin gespannt, wer sich mit mir unterhalten möchte.