„AKK“klare Favoritin
CDU-Regionalkonferenz in Lübeck – Grüne bei 23 Prozent
BERLIN/LÜBECK (dpa) - Im Rennen um die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel an der CDU-Spitze ist Generalsekretärin Annegret KrampKarrenbauer bisher die klare Favoritin an der Basis. In einer Umfrage des ARD-Deutschlandtrends unter Anhängern der CDU sprechen sich 46 Prozent für „AKK“aus, 31 Prozent der CDU-Anhänger sind für Friedrich Merz und nur zwölf Prozent für Gesundheitsminister Jens Spahn. Der offene, die Partei belebende Wettbewerb um die Nachfolge kommt der Union bisher in der Wählergunst aber nicht zugute: Im Deutschlandtrend rangiert sie weiter bei 26 Prozent, die Grünen sind mit nun 23 Prozent klar zweistärkste Kraft, gefolgt von SPD (minus 1) und AfD (minus 2) mit jeweils 14 Prozent.
Einen Eindruck von Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn hat sich die CDU-Basis am Donnerstagabend in Lübeck gemacht, wo die erste Regionalkonferenz stattfand.
LÜBECK - Nach etwa einer Stunde hat Friedrich Merz den Bierdeckel kassiert und damit einen Teil seiner eigenen Legende. Der Mann, der einst behauptete, die Steuer müsse auf so einem Pappdeckel ausgerechnet werden können, stellt nüchtern fest: „Darüber ist die Zeit hinweggegangen.“Es ist die erste Überraschung an diesem Abend in der Kulturwerft Gollan in Lübeck. Es bleibt nicht die einzige. Die CDU erlebt einen nervösen Merz, einen attackierenden Gesundheitsminister und eine coole Generalsekretärin.
An diesem Abend trifft sich die Partei zur ersten der insgesamt acht Regionalkonferenzen. Dafür, dass allenthalben über Politikverdrossenheit geklagt wird, ist das ein Riesenrummel hier. Mehr als 800 Leute sind gekommen, Junge, Alte, Frauen, Männer. Sie wollen erleben, wie die nächste Chefin oder der nächste Chef gewählt wird, und wie die drei Kandidaten darum ringen.
Gute Show
Gute Politik ist auch immer eine gute Show. Zehn Minuten darf jeder reden, danach Fragen der Mitglieder. Neben Merz treten Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn an. Eine kleine Frau zwischen zwei großen Männern. In der alten Werft flirrt die Luft.
Wer anfängt, wird ausgelost. Ein Zahnputz-Wecker kontrolliert, dass die Kandidaten nicht zu lange reden. Die Deutschlandfahne ist als transparentes Plastik-Deko-Element als Podium auf der Bühne zusammengeschraubt. Deutschland sucht den Super-Parteivorsitzenden. Wäre Dieter Bohlen aus der Kulisse getreten, es hätte niemand so richtig verblüfft. Doch eröffnet wird die Veranstaltung von Daniel Günther, dem Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins. „Moin zusammen“, ruft er in den Saal. „Es herrscht eine echte Aufbruchstimmung in der Partei“und die Zuhörer klatschen ihm begeistert zu. Nach 18 Jahren Angela Merkel herrscht offene Freude über soviel offene Aussprache.
Klare Rollenverteilung
Bereits vor dem ersten Auftritt ist die jeweilige Rollenverteilung den Kandidaten fest zugewiesen, mitunter auch frei gewählt. Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat den Part der Merkel-Erbin erhalten. Jens Spahn gibt den jungen, konservativen Wilden, der kurz vor dem Parteitag noch eine taktische Volte schlagen wird, weil er keine echte Chance auf den Vorsitz hat. Friedrich Merz hingegen tritt als wirtschaftsweiser Ritter auf die Bühne, der die CDU aus dem langen Merkel’schen Jammertal erlösen soll, in dem die Partei so lange in Richtung SPD gewandert ist. Besonderen Beifall gibt es, als er in Aussicht stellt, die CDU wieder zu Zustimmungswerten von 40 Prozent zu führen und die AfD in ihren Ergebnissen zu halbieren.
„Der politische Gegner steht immer in den anderen Parteien, nicht in der eigenen.“Als Annegret KrampKarrenbauer das sagt, ist auch ihr der Beifall sicher. Dass der Satz ein kleines Paradox darstellt, geht unter. Denn dieser Abend findet ja nur statt, weil sie, Merz und Spahn als Gegner antreten.
Und was macht „AKK“, wie sie in der Partei genannt wird? Sie greift an, bricht aus ihrer Rolle aus und hält unter lautem Beifall eine Rede, die auch Jens Spahn hätte halten können: Schlussstrich unter die Migrationsdebatte von 2015, Härte in Fragen der inneren Sicherheit, offene Diskussionskultur und kein Diskussionsverbot von oben. Soviel Absetzbewegung von der angeblichen Ziehmutter soll ihr in zehn Minuten erst mal einer nachmachen.
Auch die Herrn sind nicht zimperlich. Spahn geht Merz sogar direkt an. „Herr Merz, ich hätte mir gewünscht, sie wären damals dabei gewesen.“Was natürlich sagen soll, dass dieser nach einer Niederlage gegen Merkel den Kram hingeschmissen und die Partei alleingelassen hat, um dann in der Wirtschaft Millionär zu werden. 2015, im Jahr der Grenzöffnung, hätte er da sein sollen, so Spahn.
Und dann? Weil sich die Positionen dann doch nicht so richtig unterscheiden, und die Themen immer breiter ausfallen, spricht man sich ab: Merz antwortet zu Amerika, Kramp-Karrenbauer zu China und Spahn zu Plastikmüll. Dann geht es um die Frage, ob man denn auch Kanzler wolle. Spahn und Merz reden drum rum, AKK antwortet: Jeder der drei habe das zu überlegen. Doch: „Der Parteivorsitz steht für sich selbst. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, man nütze ihn nur, um den nächsten Schritt zu planen.“Treffer, Jungs.