Wie ein kleiner Mesut
Der Leverkusener Kai Havertz feiert ein überragendes Startelfdebüt im Nationalteam
●Bei der Nominierung von Nationaltrainer Roberto Mancini rieben sich in Italien manche FußballExperten verwundert die Augen. (Foto: dpa), geboren in Pforzheim als Sohn eines Sizilianers und einer Apulierin und Mittelfeldspieler bei der TSG Hoffenheim, steht im Aufgebot der Azzurri. „Einer der Besten Italiens zu sein, ist unglaublich. Ich habe immer davon geträumt und ihnen am Fernseher die Daumen gedrückt“, sagt der 25-jährige Mittelfeldspieler, der Roberto Baggio als Vorbild hat und von sich sagt: „Ich bin ein Zehner von Geburt an.“Das Aufgebot kommt überraschend, weil Grifo unter Clubcoach Julian Nagelsmann lange ignoriert wurde. Heute in Mailand in der Nations League gegen Portugal oder am Dienstag gegen die USA darf er auf sein Debüt hoffen. Mancini sagt: „Er kann als Flügelspieler rechts oder links spielen, und jetzt wollten wir ihn uns einfach selbst mal anschauen.“Dabei hat Grifo diese Saison nur zwei LigaPartien von Anfang an bestritten. Auch als Nagelsmann bei der TSG die Rotation ankurbelte, saß er oft auf Bank oder Tribüne. Beim 4:1 in Leverkusen glänzte „Vince“erstmals in der Startelf, schoss ein Tor und bereitete zwei vor. „Es gibt immer wieder Spätzünder“, meinte TSG-Sportchef Alexander Rosen. (dpa)
Grifo Vincenzo
Nach dem Spiel seines Lebens wurde
(Foto: AFP) von seinen Mitspielern fast erdrückt. Mit seinem Siegtor zum 3:2 (0:0) für Vizeweltmeister Kroatien in der Nachspielzeit gegen Spanien hatte der Profi von Leverkusen die Chance auf die Finalrunde in der Nations League erhalten. Durch seinen Doppelpack (69., 90.+3.) und einen Treffer des Hoffenheimers Andrej Kramaric (54.) verschafften sich die Kroaten in Zagreb nach dem 0:6-Debakel im Hinspiel zudem Genugtuung. „Wir wollten heute unbedingt gewinnen, das hat jeder gesehen. Wir haben alles gegeben, was wir haben“, sagte der überglückliche Jedvaj nach seinen ersten Länderspieltoren. (SID)
Tin Jedvaj
LEIPZIG (SID/dpa) - Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze hatte der schüchterne Kai Havertz das ungewohnte Rampenlicht gerade verlassen, da baggerte Joshua Kimmich in bester Uli-Hoeneß-Manier am Leverkusener. Der 19-Jährige sei „einer für die Bayern“, sagte der Münchner Defensivspieler: „Ich kann ihn nicht kaufen, aber er ist ein Spieler, der sehr gut zu uns passen würde.“
Würde der deutsche Rekordmeister für seinen geplanten großen Umbruch im Sommer tatsächlich Havertz verpflichten, wäre es ein teures Vergnügen. Er dürfte locker ein Drittel der 200 Millionen Euro kosten, die Bayern laut „kicker“angeblich auszugeben bereit ist. Der europaweit begehrte Offensivspieler von Bayer Leverkusen (Vertrag bis 2022) hat seinen Marktwert mit einem streckenweise herausragenden Startelf-Debüt in der Nationalmannschaft beim 3:0 (3:0)Sieg in Leipzig gegen Russland nochmal erhöht.
„Es hat riesig Spaß gemacht“, sagte der Gewinner der Fritz-Walter-Medaille in Gold für den besten deutschen U19-Spieler in diesem Jahr: „Ich glaube, auf dieser Leistung lässt sich gut aufbauen.“Das sei viel zu bescheiden, befand Kimmich: „Er war der beste Mann auf dem Platz. Er hat ein brutales Gefühl für den Raum. Ich hoffe, dass er noch sehr viele Spiele für uns machen wird.“
Ein Vorbild an Professionalität
Für die Nationalmannschaft wohlgemerkt. Neben den Bayern sollen sich auch der FC Barcelona und der FC Arsenal für Havertz interessieren. Den Hype um seine Person bekomme er zwar mit, „aber ich werde immer auf dem Boden bleiben“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Sein spielerisches Vorbild ist ausgerechnet der im Unfrieden aus dem Nationalteam geschiedene Mesut Özil: „Ich habe das Spiel von Özil immer gerne angesehen: die Übersicht, die Ruhe am Ball davon schaue ich mir viel ab.“
Sein Pass in die Tiefe vor dem dritten Tor von Serge Gnabry war in der Tat Özil-like. Havertz bewies auf seiner Lieblingsposition im offensiven Mittelfeld, warum ihn Experten als kommenden Superstar sehen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass er in den nächsten Jahren eine Schlüsselrolle spielen kann“, sagte auch Bundestrainer Joachim Löw.
Im letzten Gruppenspiel der Nations League am Montag (20.45 Uhr/ ARD) in Gelsenkirchen gegen die Niederlande dürfte Löw den Youngster jedoch durch Rückkehrer Toni Kroos und/oder Marco Reus ersetzen. Kroos steht in der Achter-Hierarchie, Reus als Zehner noch deutlich vor Havertz. „Bei Marco Reus müssen wir schauen, wie er nach seiner Fußprellung trainieren kann, und dann werden wir am Sonntag entscheiden“, sagte Löw. Die Zukunft aber gehört Havertz. Für sein Alter sei dieser „schon auffällig gut“, so Löw, „er wirkt sehr abgeklärt“.
Bloß nicht hochnäsig sein
Havertz, der als Elfjähriger aus seiner Geburtsstadt Aachen zu Bayer kam, lief bereits 65-mal in der Bundesliga auf. Er war mit 18 Jahren und 307 Tagen der jüngste Spieler mit 50 Ligaeinsätzen. Für Leverkusen gelangen ihm diese Saison bereits sechs PflichtspielTore und fünf Vorlagen. „Ich bin fasziniert von seiner Einstellung und Professionalität“, sagte Bayer-Trainer Heiko Herrlich und fügte im Scherz an: „Wir werden es nicht schaffen, seine Entwicklung aufzuhalten.“
Havertz ist im Mittelfeld variabel einsetzbar, auf der Zehn kann er seine Stärken aber am besten ausspielen. „Ich mag es, den Mitspielern Vorlagen zu geben und sie glänzen zu lassen“, sagt er. Gegen Russland klappte das perfekt. „Es macht immer viel Spaß, mit vielen jungen Spielern zu spielen. Wir können von den Älteren aber sehr viel lernen, uns viel abschauen. Man sieht, was für eine riesige Qualität in dieser Mannschaft ist. Für mich war es extrem wichtig, in so einem Spiel mal dabei zu sein“, fügte er an. Havertz hat vor, demütig zu bleiben. Seine Eltern hätten ihm vermittelt, „dass Arroganz oder Hochnäsigkeit nun wirklich nichts Erstrebenswertes“seien, hatte er im Sommer verraten.