Der Knopf im Ohr ersetzt den Skilehrer
Wintersportler lassen sich von smarter Technik leiten, die im Schuh oder in der Brille verbaut ist
Im Lift klingelt das Telefon. Der Nebensitzer spricht in seinen Handschuh, der dank Bluetooth mit dem Handy verbunden ist, das in der Hosentasche steckt. Die Hände bleiben warm, es besteht keine Gefahr, dass das Smartphone aus dem Lift purzelt. Der ein oder andere hat das vielleicht schon erlebt. Ihm sei aber gesagt: Der Smartphone-Handschuh ist Schnee von gestern. Moderne Technik und elektronische Helfer stecken heute in Brillen und Skischuhen, sie zeigen uns den Weg und erklären uns, wie wir besser carven und schwingen. Smartes Skifahren hat Fahrt aufgenommen.
Eine steile Abfahrt, zu viel Rücklage, prompt meldet sich der Ski. Er gibt Hinweise, was man besser machen könnte. Er spricht mit uns, über Kopfhörer flüstert er dem Fahrer Tipps und Tricks ins Ohr, gibt Feedback zu Fahrt und Fahrstil. Das ist kein Zukunfts-Szenario, sondern Realität. Streng genommen ist es nicht der Ski, sondern eine Einlegesohle im Schuh. Mit Hilfe von 48 Sensoren misst sie Werte für Aufkantwinkel, Balance, Druckverteilung und Rotation. Ein Sender übermittelt alles ans Smartphone, wo eine App die Daten in Ratschläge übersetzt und auch die Gesamt-Performance auswertet, den Ski-IQ. Der Fahrer kann aber auch ablesen, wie weit der Sprung im Snowpark über die Schanze oder ob die Abfahrtshocke tief genug war.
Das System nennt sich Carv, wurde von einer britischen Firma entwickelt und hat es bereits auf den Markt geschafft. Im österreichischen Schladming gab es im vergangenen Winter eine große Testphase. Sogar die Skilehrer waren überzeugt, obwohl das System eine Gefahr für ihren Job sein könnte. Sie befanden: Carv ist mehr als eine Spielerei, der Skifahrer erhält augenblicklich wertvolles Feedback. „Aber ein Anfänger kann damit nicht das Skilaufen lernen“, sagt Michael Tritscher, ehemaliges Slalom-Ass, jetzt Skilehrer. Rudi Huber, früher Alpin-Chef der Schweizer Ski-Nationalmannschaft, heute ebenfalls Skilehrer, ist skeptisch: „Carv kann maximal eine Ergänzung sein.“Bei schlechter Sicht, Schneefall, im Tiefschnee oder auf der Buckelpiste komme das System schnell an seine Grenzen.
Sprechender Ski und Snowcookie
Aber die Sohle zeigt, wohin die Fahrt auf der Piste geht. Der Hersteller Elan tüftelt tatsächlich an einem smarten Ski, der sprechen und ganz ähnlich funktionierten soll. Ein Prototyp wurde bereits vorgestellt: Sensoren messen die Druckverteilung, via Smartphone und Kopfhörer gibt es das Feedback. Die Sache könnte auch über eine Datenbrille laufen, in der die Infos eingeblendet werden. Die slowenische Firma arbeitet mit Volldampf daran, die Carver samt System auf den Markt zu bringen. In virtuellen Netzwerken ist bereits die Rede davon, dass derartige smarte Modelle bald auch Fehler des Fahrers ausgleichen können, indem sie den ausgeübten Druck optimal auf die Skier verteilen.
Auch „Snowcookie“, der aussieht wie ein kleiner Keks und an den Ski angeheftet wird, ist ein intelligenter Helfer. Er zeichnet Geschwindigkeit und die Länge von Sprüngen auf, analysiert aber auch die Carvingtechnik. Einen „Cookie“trägt der Fahrer am Oberkörper. So wird kontrolliert, ob die Körperhaltung aufrecht oder gebückt und dem jeweiligen Fahrstil und Terrain angemessen ist.
Der vermutlich erste echte smarte Ski ist ausgerechnet in der LanglaufSpur unterwegs. Der Hersteller Madshus hat seinen Modellen der eMpower-Reihe einen Chip verpasst, der mit Hilfe des Handys Geschwindigkeit, Distanz und weitere Werte liefert. So ähnlich wie man es vom Fahrradtacho kennt. Der Clou ist aber, dass im Chip wichtige Daten über den Herstellungsprozess und die Eigenschaften des Skis gespeichert sind. Jeder Ski hat nämlich seine eigene DNA. Steifheit, Spannung und Härte, aber auch tolerierte Abweichungen bei der Fertigung, können sein Laufverhalten teils drastisch beeinflussen. Selbst Modelle, die vermeintlich identisch sind, weichen unter Umständen stark voneinander ab. Beim Kauf soll dank des Chips jeder Wintersportler das für sein Gewicht, seinen Laufstil und seine Vorlieben passende Modell finden. Jedenfalls hat die Idee die Verkaufszahlen bereits ordentlich angekurbelt.
So ähnlich sollte es auch bei smarten Skibrillen laufen, deren Entwicklung aber ein wenig ins Stocken geraten ist. Die Hersteller hatten sich bessere Absatzzahlen erhofft. Immerhin gibt es Skigebiete, in denen Wintersportler die intelligenten Brillen leihen können, zum Beispiel für 19 Euro pro Tag an 25 Stationen von Ski amadé in Österreich. Der Großverbund mit 270 Liften und Seilbahnen hat die Brille mit seiner App gekoppelt, sodass der Skifahrer Infos über Wetter und Temperaturen, Pistenverhältnisse und den Status der Lifte im Sichtfeld der Brille abrufen kann. Entscheidender Vorteil dürfte aber die Navigation sein: Der Skifahrer legt seine Präferenzen fest. Wer’s einfacher mag, wird vornehmlich über blaue Pisten gelotst, die Sportlichen lenkt das System Richtung rote und schwarze Abfahrten. Gerade in großen Skigebieten oder in einer Region, in der man sich nicht auskennt, kann das sehr hilfreich sein. Zudem erhält der Fahrer Hinweise auf Hütten und Attraktionen am Pistenrand. Die Infos und Richtungspfeile werden in einem kleinen Bildschirm im linken unteren Teil der Skibrille eingeblendet, sodass das Sichtfeld weitestgehend frei bleibt.
Smarte Helfer können Skifahrern im Extremfall sogar das Leben retten. Längst ist man über die Entwicklung von Lawinen- und Notruf-Apps hinaus. Die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne hat eine Drohne entwickelt, die Vermisste aufspüren kann, die vom Schnee verschüttet wurden.