Mehr Verspätungen durch Warnstreiks
Tarifkonflikt spitzt sich zu – Für Bahnfahrer könnte es ungemütlich werden
BERLIN - Pendler und Fernreisende müssen am Wochenanfang mit Verspätungen und Zugausfällen rechnen. Grund sind die von der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) angekündigten bundesweiten Warnstreiks. Sie sollen zwar nur wenige Stunden dauern und vor allem Werkstätten und Stellwerke treffen. Doch Störungen an zentralen Stellen wirken sich in der Regel schnell auf den gesamten Zugverkehr aus. Nach Angaben der Bahn soll Nordrhein-Westfalen Schwerpunkt der Aktion sein.
Pünktlich zum Fahrplanwechsel
Einen besseren Zeitpunkt hätte sich die EVG aus ihrer Sicht für den Arbeitskampf nicht aussuchen können. Mit dem Fahrplanwechsel am Wochenende wurde das Angebot an Zugverbindungen vielerorts ausgebaut. Dieser Kraftakt wird empfindlich gestört. Kunden sind genervt, weil damit auch eine Preiserhöhung einhergeht. Im Durchschnitt kosten die Tickets knapp ein Prozent mehr. Der Flexpreis, der früher einmal Normalpreis hieß, erhöhte sich um 1,9 Prozent. Schließlich steigt der Druck auf die Arbeitgeber auch, weil der Aufsichtsrat am kommenden Mittwoch die mittelfristige Finanzplanung der Bahn beschließen will. Dafür wäre eine genaue Kenntnis der künftigen Personalkosten wichtig.
Offen ist unterdessen, ob die anstehenden Warnstreiks zu einer Beilegung des Tarifstreits führen oder den Reisenden und Pendlern in der Weihnachtszeit weitere Ausstände drohen. Denn auch die Lokführergewerkschaft GDL behält sich noch vor, ihre noch nicht erfüllten Forderungen mit Arbeitskampfmaßnahmen zu untermauern. Doch zunächst will GDLChef Claus Weselsky weiter verhandeln. Am kommenden Dienstag trifft er sich erneut mit den Arbeitgebern. Die bisherigen Fortschritte würden weitere Gespräche rechtfertigen.
Allerdings lässt der streitbare Gewerkschaftschef auch schon einen Blick in den Instrumentenkasten zu. Sollte sich die Tarifrunde 2018 „als ganz großes Kino herausstellen“, so Weselsky, werde die GDL umgehend und ungewöhnlich reagieren. „Plötzlich könnte dem gesamten Zugpersonal einfallen, dass es tarifvertraglich zu keinerlei Überstunden verpflichtet ist“, warnt er in Richtung der Arbeitgeber. Da der Bahn derzeit 5800 Leute fehlen, vor allem Lokführer, hätte dies beträchtliche Auswirkungen auf den Verkehr.
Soweit wird es nach Einschätzungen aus Verhandlungskreisen wohl nicht kommen. Auf Seiten der Bahn heißt es, in wesentlichen Punkten seien beide Seiten übereingekommen. Dabei geht es vor allem um verträgliche Pausen- und Schichtregelungen. Offen ist laut GDL aber noch ein Angebot für die Lohnsteigerung. Auch in der vierten Runde habe die Bahn kein konkretes Angebot vorgelegt. Weselsky fordert ebenso wie die EVG 7,5 Prozent mehr Lohn. Zusammengenommen vertreten die beiden Gewerkschaften 160 000 Beschäftigte der Bahn.
Ein aus Sicht der EVG ungenügendes Lohnangebot führte am Samstag nach dreitägigen Verhandlungen zum Abbruch der Gespräche durch die EVG. Nach Angaben der Beteiligten boten die Arbeitgeber eine Einmalzahlung von 500 Euro sowie 5,1 Prozent mehr Lohn in zwei Schritten bei einer Laufzeit von 29 Monaten an. Zudem ist das Unternehmen nach eigenen Angaben bereit, die betriebliche Altersvorsorge zu verbessern und den Beschäftigten erneut die Wahlmöglichkeit zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit einzuräumen.
Das reicht der größeren Bahngewerkschaft nicht. „Am Ende fehlte aus unserer Sicht ein Prozent mehr“, sagte die Verhandlungsführerin, Regina Rusch-Ziemba. „Die Streikbereitschaft ist relativ hoch“, betont EVG-Sprecher Uwe Reitz. Nach den Warnstreiks erwarte die EVG ein Signal der Arbeitgeber. Das Interesse an einem Abschluss vor Weihnachten sei nach wie vor vorhanden. Bahnvorstand Martin Seiler sprach dagegen von einer „völlig überflüssigen Eskalation“. Die Bahn habe alle Forderungen der EVG erfüllt. Das Gesamtvolumen des bisherigen Angebots der Arbeitgeber beziffert das Unternehmen auf sieben Prozent.