Briten nutzen Chance auf Einbürgerung
Seit dem Brexit-Referendum steigen die Anträge – Doppelte Staatsbürgerschaft bald fraglich
TUTTLINGEN - Internationale politische Ereignisse wirken sich direkt auf die Region Tuttlingen aus, zum Beispiel bei Anträgen auf Einbürgerungen, die im Landratsamt Tuttlingen eingehen. Neun Briten haben sich seit dem Brexit-Referendum im Juli 2016 im Landkreis einbürgern lassen – die Jahre davor war es maximal einer pro Jahr, oft auch gar keiner.
Zwei Jahre lang hat die britische Regierung mit der EU-Kommission über den Austritt verhandelt – und jetzt findet Premierministerin Theresa May für den Deal keine Mehrheit im Parlament. Je größer das Chaos in London wird, desto verlockender dürfte für viele Briten eine Einbürgerung in Deutschland sein. Aktuell liegen im Landratsamt Tuttlingen drei weitere Anträge von Briten vor.
Die Einbürgerungstests führt die Volkshochschule Tuttlingen durch. Deren Leiter Hans-Peter Jahnel hat die neun britischen Bürger registriert, die den Test abgelegt haben. Das mag nicht sehr viel erscheinen, wenn man bedenkt, dass 81 Briten im Kreis Tuttlingen leben. Aber: „Vor dem Referendum zum Brexit war das gar kein Thema“, so der VHS-Leiter. Der stolze Brite soll seine Staatsbürgerschaft aufgeben? Niemals!
Das muss er auch nicht, zumindest so lange nicht, bis Großbritannien aus der EU austritt. Der geplante Termin ist im April. So lange gilt bei Bürgern aus EU-Ländern und ebenso der Schweiz die Mehrstaatlichkeit. Das heißt: Der Pass des Heimatlandes kann neben dem deutschen geführt werden. Wie es ab April dann weitergeht, ist laut Landratsamt noch nicht geregelt, wie Sprecherin Nadja Seibert erklärt: „Derzeit ist noch nicht absehbar, was passiert und ob gegebenenfalls eine Übergangsregelung erlassen wird.“Exil-Engländer könnten bald ein Visum brauchen, um in Deutschland zu arbeiten.
Die Stadt Tuttlingen unterhält ein eigenes Ausländeramt. Laut Stadtsprecher Arno Specht leben derzeit 35 Briten – also Engländer, Walliser, Schotten oder Nord-Iren – in der Stadt und in den Ortsteilen. Von diesen haben 17 die Doppelstaatlichkeit, sagt Specht.
Verfahren dauern rund drei Monate
181 Menschen wurden im vergangenen Jahr im Landkreis Tuttlingen insgesamt eingebürgert. Im Schnitt dauern die Verfahren rund drei Monate.
Wer Deutscher werden will, muss seit mindestens acht Jahren legal in Deutschland wohnen und seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften. Ein Bekenntnis zum Grundgesetz wird verlangt. Dafür wird in Anwesenheit eines Beamten ein entsprechendes Formular unterschrieben. Vorstrafen darf der Antragssteller keine haben, und er muss nachweisen, dass er mündliche und schriftliche Kenntnisse der deutschen Sprache hat.
Von den 181 Einbürgerungen in 2018 waren der weitaus größte Teil Europäer: 113 ließen sie sich einbürgern, gefolgt von Asiaten (23), Afrikanern (6) und Amerikanern (4). Nach Einschätzung der Einbürgerungsbehörde des Landratsamts stammen die meisten Bewerber aus der Türkei (2018: 35), dem Kosovo und aus Rumänien. Auch zwei Österreicher ließen sich einbürgern – aber kein Schweizer.
Knock-out-Kriterien sind selten
Seit Anfang dieses Jahres gab es laut Seibert bereits 15 Neuanträge auf Einbürgerung. Die wenigsten davon würden abgelehnt. Teilweise scheitern die Einbürgerungen an fehlender Sicherheit des Lebensunterhalts, manchmal auch an begangenen Straftaten.