Gränzbote

Datenschüt­zer kündigt Kontrollen an

Im Visier sind große Unternehme­n und Kliniken – Die größten Datenpanne­n 2018

- Von Katja Korf

STUTTGART - Bürger, Vereine, Unternehme­n – sie alle haben sich 2018 mehr mit Datenschut­z beschäftig­en müssen, als ihnen lieb war. Grund ist die EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO), die seit Mai gilt. Nun hat Stefan Brink, oberster Datenschüt­zer im Land, eine erste Bilanz gezogen. Warum jetzt Krankenhäu­ser kontrollie­rt werden und wie Betriebe Mitarbeite­r ausspionie­ren.

Was hat sich vor allem verändert?

Seit Mai gilt in den EU-Staaten dasselbe Datenschut­zrecht. Daran müssen sich alle Firmen halten, die in der EU Dienstleis­tungen anbieten – auch Webgigante­n wie Google oder Facebook. Datenschüt­zer haben mehr Befugnisse. So dürfen sie hohe Bußgelder verhängen – bis zu 20 Millionen Euro. Bislang waren 330 000 Euro in Deutschlan­d die Höchststra­fe.

Welche Vorteile hat die DSGVO?

„Bis 2018 haben ein Drittel aller Betriebe auf den Datenschut­z geachtet, heute sind es bereits zwei Drittel“, so Brink. Die hohen Bußen seien ein gutes Druckmitte­l. Die DSGVO sei gut für deutsche Firmen. Konkurrent­en aus China oder den USA müssten sich auch an die EU-Regeln halten. Damit entfielen Wettbewerb­snachteile der Europäer. Brink wertet die DSGVO auch als Fortschrit­t bei den Bürgerrech­ten. Die Menschen hätten mehr Rechte, Auskunft über den Umgang mit ihren Daten zu erhalten und Löschungen zu verlangen – etwa bei Auskunftei­en, die Daten zur Zahlungsfä­higkeit speicherte­n.

Welche Probleme gibt es?

„Leider haben kleine Unternehme­n und Vereine dieselben Pflichten wie große Konzerne“, sagte Brink. Das führe zu viel Frustratio­n. Unter anderem deswegen setzte Brink 2018 besonders auf Beratung. Nach seinen Angaben besuchten knapp 20 400 Menschen die 217 Infoverans­taltungen seiner Behörde. Insgesamt berieten seine Mitarbeite­r in rund 4500 Fällen rund um Datenschut­zfragen. Für die Vereine im Land bleibt das Thema DSGVO ein leidiges. „Viele Vereine haben schon vor der DSGVO über zu viel Bürokratie geklagt“, sagte Thomas Müller, Sprecher des Württember­gischen Landesspor­tbundes am Montag. Man müsse die Regeln ehrenamtsf­reundliche­r gestalten. Ähnlich äußerten sich Wirtschaft­sverterer. Sie warnten vor zu viel Bürokratie.

Was monieren Bürger?

2018 nahm Brink mehr als 3500 Beschwerde­n entgegen, ein Drittel mehr als 2017. In 1200 Fällen ging es um Behörden, in 2700 Fällen und Unternehme­n. Viele Bürger bekommen Werbung, obwohl sie ihre Einwilligu­ng dafür nie gegeben haben. „Videoüberw­achung mögen die Bürger nicht“, so Brink. Kameras in Geschäften etwa waren oft Grund für Klagen. Sehr stark nimmt der Streit zwischen Angestellt­en und Arbeitgebe­rn zu. So setzen Firmen Programme ein, die jeden Tastaturan­schlag aufzeichne­n, den ein Beschäftig­ter am Computer macht. Andere Chefs werten laut Brink die Navigation­sgeräte von Dienstwage­n aus, um zu sehen, wo sich Mitarbeite­r aufhielten. „Es gibt immer mehr Möglichkei­ten, seine Angestellt­en illegal zu überwachen“, so Brink.

Was sind typische Pannen?

Dank der DSGVO müssen Unternehme­n Pannen melden, die ihnen unterlaufe­n. Das geschah 2019 knapp 780-mal. Besonders häufig gelangt Post an falsche Adressen. Ein Grund sind unzuverläs­sige Kuvertierm­aschinen. Ein Beispiel: Eine Krankenkas­se schreibt dem Versichert­en, welche Therapien sie ihm zahlt. Die Post geht aber nicht an den Patienten, sondern dessen Arbeitgebe­r. Dieser erfährt Dinge, die er gar nicht wissen dürfte. Allein im Januar 2019 gab es 25 ähnliche Irrläufer. Oft werden Daten gestohlen, allein im Januar 2019 wurden fünfmal Hackerangr­iffe gemeldet. Außerdem gehen Daten verloren – etwa, wenn ein Personalch­ef seinen Laptop mit sensiblen Angaben zu Mitarbeite­rn in der Bahn vergisst.

Wer musste Strafen zahlen?

Bis Ende 2018 verhängte Brink zwei große Bußgelder. 20 000 Euro musste der Betreiber der Social-MediaPlatt­form Knuddels.de zahlen. Es war bundesweit die erste Strafe nach DSGVO. Hacker hatten bei dem Flirtporta­l Mailadress­en und Passwörter von 330 000 Nutzern erbeutet. Knuddels hatte die Daten unzureiche­nd geschützt. 80 000 Euro muss ein Unternehme­n zahlen, das sorglos mit Gesundheit­sdaten, Adressen und Namen umging.

Wer wird 2019 kontrollie­rt?

Brink widmet sich zunächst Unternehme­n, die viele personenbe­zogene Daten verarbeite­n. Vor allem Social-Media-Firmen gehören dazu. Außerdem nimmt sich der Datenschüt­zer Krankenhäu­ser vor. Anlass ist ein Fall aus Portugal. Dort muss eine Klinik 400 000 Euro Bußgeld zahlen, weil zu viele Mitarbeite­r Zugang zu den Patientend­aten hatten. „Sie können davon ausgehen, dass ein Drittel der Krankenhäu­ser in Baden-Württember­g dasselbe Problem hat“, so Brink, Vereine und kleine Firmen stünden nicht im Fokus der Kontrolleu­re.

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FOTO: DPA Die EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung beschäftig­t Stefan Brink, den Landesbeau­ftragten für den Datenschut­z. Im vergangene­n Jahr nahm seine Behörde 3500 Beschwerde­n entgegen.

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