Vom Umweltfreund zum Staatsfeind
Deutsche Umwelthilfe feiert spektakuläre juristische Siege und erntet viel Kritik
BERLIN - Eine Begegnung mit Jürgen Resch gerät nicht gerade zur aufregenden Angelegenheit. In seinem perfekt sitzenden Anzug könnte der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auch gut den Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens abgeben. Doch sind Resch und sein Verein derzeit wohl nach der Deutschen Bahn und der Automobilindustrie die umstrittenste Erscheinung in der deutsche Politik. Mit einer Klagewelle hat Resch Fahrverbote für ältere Diesel durchgesetzt, mit gravierenden Folgen. „Der Staat kontrolliert nicht, also müssen wir es tun“, erklärt er die wohl größte Kampagne seines vergleichsweise kleine Vereins. Aber auch mit der Forderung nach einem Böllerverbot zu Silvester macht sich der streitbare Umweltaktivist Feinde.
Die DUH hat im vergangenen Jahr Klage um Klage gegen Städte gewonnen und für viele Sorgen über drohende Fahrverbote für ältere Diesel ausgelöst, vom medialen Echo ganz zu schweigen. Das hat aus dem kleinen Verein mit gerade einmal – nach eigenen Angaben 5500 Mitgliedern – zu einem Riesen gemacht. Die mächtige Autoindustrie und die ihr aufgrund ihrer Bedeutung verbundene Politik wurde von den Gerichten ein um das andere Mal vorgeführt. Bis hin zum Bundesverwaltungsgericht reichte der Siegeszug. Das hat für mächtig Ärger gesorgt.
Die Umwelthilfe wurde 1975 gegründet. Ziel des Vereins ist der Einsatz für saubere Luft und klares Wasser, ein intaktes Klima und weniger Chemie in der Landwirtschaft. Immer wieder hat der Verein dabei spektakuläre Erfolge verzeichnet, vor allem mit Aktionen rund um das Automobil. Mit rund 100 Beschäftigten organisiert der Verein unter anderem Umweltprojekte, die von der öffentlichen Hand oder der EU gefördert oder finanziert werden. Der Jahresbericht 2017 weist einen Etat von 8,3 Millionen Euro für die Arbeit der DUH mit ihren rund 100 Beschäftigten aus.
Flächendeckendes Abmahnwesen
Die Herkunft der Mittel hat der Umwelthilfe viel Kritik eingetragen. So finanzierte der japanische Autokonzern Toyota, der keine Dieselmodelle herstellt, den Verein lange mit. Inzwischen hat sich das Unternehmen jedoch zurückgezogen. Im Streit um die Einführung des Dosenpfands arbeitete der Verein wieder mit einem Hersteller für die Rückgabeautomaten zusammen, die heute in den meisten Supermärkten stehen. Das trug der Umwelthilfe den Vorwurf ein, sich vor den Karren wirtschaftlicher Interessen spannen zu lassen.
Auch das wichtigste Finanzierungsinstrument der DUH ist umstritten. „Ökologische Marktüberwachung“heißt der über zwei Millionen Euro schwere Bilanzposten. Dahinter verbirgt sich ein flächendeckendes Abmahnwesen. Autohändler, die Fehler bei der Produktbeschreibung machen, haben massenhaft Abmahnungen erhalten. Da die Umwelthilfe ein klagebefugter Verbraucherverband ist, darf sie dies tun. „Wir haben viele Jahre erlebt, in denen die DUH mit rasenmäherähnlicher Wirkung die Republik nach Fehlern in der Preisauszeichnung durchkämmt hat“, sagt Ansgar Klein, Chef des Bundesverbands der Freien Autohändler. Für eine Abmahnung habe schon eine zu kleine Schrift auf den Schildern führen können. „Was sie machen, ist nicht illegal“, räumt er aber ein. Nur diene die Umwelthilfe nicht dem Allgemeinwohl, wie sie vorgebe.
Der Streit um Abgase ist die eine Seite, die Folgen eine zweite Seite. Die Kompromisslosigkeit der DUH fordert Politiker heraus. Die Union will dem Verein die Gemeinnützigkeit entziehen, ihn von öffentlicher Förderung ausschließen und die Klagebefugnis entziehen. Die beiden ersten Forderungen hat die CDU auf ihrem Parteitag im Dezember beschlossen. Die Gemeinnützigkeit des Anliegens zweifelt auch Verkehrsminister Andreas Scheuer an. Nur hat die Politik darauf keinen Einfluss, denn diese Entscheidung ist Sache des Finanzamts. Und das hat der Umwelthilfe erst im vergangenen August die Gemeinnützigkeit bestätigt. „Da hat sich die CDU verrannt“, sagt der Bundesgeschäftsführer der DUH, Sascha Müller-Kraenner.
Der Versuch, der Umwelthilfe über diese Umwege die Arbeit zu erschweren, stößt auch auf Kritik. „Der Umweltverband soll mundtot gemacht werden, weil er auf die Einhaltung von Recht und Gesetz dringt“, fürchtet der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Oliver Krischer. Wäre die CDU mit einem Teil dieses Eifers gegen die Trickser und Betrüger in der Autoindustrie vorgegangen, hätten sich die Klagen der DUH längst erledigt.
Müller-Kraenner, der die DUH mit Resch zusammen leitet, überraschen die Angriffe gegen den Verein nicht. „Ich weiß ja, mit wem wir uns anlegen“, sagt er mit Blick auf die Autoindustrie. Doch die Ton der Drohungen, die per Telefon oder Mail bei der DUH eingehen, sorgt ihn. Noch sei nichts passiert, aber die Verrohung der Sprache womöglich nur die Vorstufe zu Gewalttätigkeiten.
Immerhin deutet der DUH-Chef ein moderates Vorgehen im Kampf gegen die Luftverschmutzung. Auch in diesem Jahr würden zwar Verfahren gegen weitere Städte laufen. Doch hält Müller-Kraenner außergerichtliche Einigungen für einen gangbaren Weg. „Ich kann mir vorstellen, dass es eine Schlichtung wie in Darmstadt auch in anderen Städten geben kann“, sagt er. Dort hat sich die DUH mit der hessischen Landesregierung auf einen Kompromiss bei Fahrverboten geeinigt.