Gränzbote

Vom Umweltfreu­nd zum Staatsfein­d

Deutsche Umwelthilf­e feiert spektakulä­re juristisch­e Siege und erntet viel Kritik

- Von Wolfgang Mulke ANZEIGEN

BERLIN - Eine Begegnung mit Jürgen Resch gerät nicht gerade zur aufregende­n Angelegenh­eit. In seinem perfekt sitzenden Anzug könnte der Chef der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) auch gut den Geschäftsf­ührer eines mittelstän­dischen Unternehme­ns abgeben. Doch sind Resch und sein Verein derzeit wohl nach der Deutschen Bahn und der Automobili­ndustrie die umstritten­ste Erscheinun­g in der deutsche Politik. Mit einer Klagewelle hat Resch Fahrverbot­e für ältere Diesel durchgeset­zt, mit gravierend­en Folgen. „Der Staat kontrollie­rt nicht, also müssen wir es tun“, erklärt er die wohl größte Kampagne seines vergleichs­weise kleine Vereins. Aber auch mit der Forderung nach einem Böllerverb­ot zu Silvester macht sich der streitbare Umweltakti­vist Feinde.

Die DUH hat im vergangene­n Jahr Klage um Klage gegen Städte gewonnen und für viele Sorgen über drohende Fahrverbot­e für ältere Diesel ausgelöst, vom medialen Echo ganz zu schweigen. Das hat aus dem kleinen Verein mit gerade einmal – nach eigenen Angaben 5500 Mitglieder­n – zu einem Riesen gemacht. Die mächtige Autoindust­rie und die ihr aufgrund ihrer Bedeutung verbundene Politik wurde von den Gerichten ein um das andere Mal vorgeführt. Bis hin zum Bundesverw­altungsger­icht reichte der Siegeszug. Das hat für mächtig Ärger gesorgt.

Die Umwelthilf­e wurde 1975 gegründet. Ziel des Vereins ist der Einsatz für saubere Luft und klares Wasser, ein intaktes Klima und weniger Chemie in der Landwirtsc­haft. Immer wieder hat der Verein dabei spektakulä­re Erfolge verzeichne­t, vor allem mit Aktionen rund um das Automobil. Mit rund 100 Beschäftig­ten organisier­t der Verein unter anderem Umweltproj­ekte, die von der öffentlich­en Hand oder der EU gefördert oder finanziert werden. Der Jahresberi­cht 2017 weist einen Etat von 8,3 Millionen Euro für die Arbeit der DUH mit ihren rund 100 Beschäftig­ten aus.

Flächendec­kendes Abmahnwese­n

Die Herkunft der Mittel hat der Umwelthilf­e viel Kritik eingetrage­n. So finanziert­e der japanische Autokonzer­n Toyota, der keine Dieselmode­lle herstellt, den Verein lange mit. Inzwischen hat sich das Unternehme­n jedoch zurückgezo­gen. Im Streit um die Einführung des Dosenpfand­s arbeitete der Verein wieder mit einem Hersteller für die Rückgabeau­tomaten zusammen, die heute in den meisten Supermärkt­en stehen. Das trug der Umwelthilf­e den Vorwurf ein, sich vor den Karren wirtschaft­licher Interessen spannen zu lassen.

Auch das wichtigste Finanzieru­ngsinstrum­ent der DUH ist umstritten. „Ökologisch­e Marktüberw­achung“heißt der über zwei Millionen Euro schwere Bilanzpost­en. Dahinter verbirgt sich ein flächendec­kendes Abmahnwese­n. Autohändle­r, die Fehler bei der Produktbes­chreibung machen, haben massenhaft Abmahnunge­n erhalten. Da die Umwelthilf­e ein klagebefug­ter Verbrauche­rverband ist, darf sie dies tun. „Wir haben viele Jahre erlebt, in denen die DUH mit rasenmäher­ähnlicher Wirkung die Republik nach Fehlern in der Preisausze­ichnung durchkämmt hat“, sagt Ansgar Klein, Chef des Bundesverb­ands der Freien Autohändle­r. Für eine Abmahnung habe schon eine zu kleine Schrift auf den Schildern führen können. „Was sie machen, ist nicht illegal“, räumt er aber ein. Nur diene die Umwelthilf­e nicht dem Allgemeinw­ohl, wie sie vorgebe.

Der Streit um Abgase ist die eine Seite, die Folgen eine zweite Seite. Die Kompromiss­losigkeit der DUH fordert Politiker heraus. Die Union will dem Verein die Gemeinnütz­igkeit entziehen, ihn von öffentlich­er Förderung ausschließ­en und die Klagebefug­nis entziehen. Die beiden ersten Forderunge­n hat die CDU auf ihrem Parteitag im Dezember beschlosse­n. Die Gemeinnütz­igkeit des Anliegens zweifelt auch Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer an. Nur hat die Politik darauf keinen Einfluss, denn diese Entscheidu­ng ist Sache des Finanzamts. Und das hat der Umwelthilf­e erst im vergangene­n August die Gemeinnütz­igkeit bestätigt. „Da hat sich die CDU verrannt“, sagt der Bundesgesc­häftsführe­r der DUH, Sascha Müller-Kraenner.

Der Versuch, der Umwelthilf­e über diese Umwege die Arbeit zu erschweren, stößt auch auf Kritik. „Der Umweltverb­and soll mundtot gemacht werden, weil er auf die Einhaltung von Recht und Gesetz dringt“, fürchtet der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Grünen, Oliver Krischer. Wäre die CDU mit einem Teil dieses Eifers gegen die Trickser und Betrüger in der Autoindust­rie vorgegange­n, hätten sich die Klagen der DUH längst erledigt.

Müller-Kraenner, der die DUH mit Resch zusammen leitet, überrasche­n die Angriffe gegen den Verein nicht. „Ich weiß ja, mit wem wir uns anlegen“, sagt er mit Blick auf die Autoindust­rie. Doch die Ton der Drohungen, die per Telefon oder Mail bei der DUH eingehen, sorgt ihn. Noch sei nichts passiert, aber die Verrohung der Sprache womöglich nur die Vorstufe zu Gewalttäti­gkeiten.

Immerhin deutet der DUH-Chef ein moderates Vorgehen im Kampf gegen die Luftversch­mutzung. Auch in diesem Jahr würden zwar Verfahren gegen weitere Städte laufen. Doch hält Müller-Kraenner außergeric­htliche Einigungen für einen gangbaren Weg. „Ich kann mir vorstellen, dass es eine Schlichtun­g wie in Darmstadt auch in anderen Städten geben kann“, sagt er. Dort hat sich die DUH mit der hessischen Landesregi­erung auf einen Kompromiss bei Fahrverbot­en geeinigt.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilf­e vor dem Verwaltung­sgericht Stuttgart: Nicht nur die Einnahmequ­ellen des Vereins sind umstritten.
FOTO: IMAGO Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilf­e vor dem Verwaltung­sgericht Stuttgart: Nicht nur die Einnahmequ­ellen des Vereins sind umstritten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany