Direkter Angriff auf CDU-Chef Strobl
Die Luft wird besser, Fahrverbote unwahrscheinlicher – Was das für Dieselfahrer heißt
STUTTGART (kab) - Landesparteichef Thomas Strobl gerät angesichts des historisch schlechten Umfragewerts seiner Südwest-CDU unter Druck. Ein Parteifunktionär aus dem Zollernalbkreis forderte nun Strobls Rückzug von der Spitze. Es brauche eine inhaltliche und personelle Erneuerung, um die CDU im Land wieder an die Spitze zu führen, erklärte der Meßstettener Bürgermeister Frank Schoft. Andere halten Personaldebatten für Gift. Laut einer Forsa-Umfrage liegt die CDU im Land nur noch bei 23 Prozent.
STUTTGART - Die Luft im Land wird sauberer, doch noch drohen in Stuttgart ab 2019 weitere Fahrverbote. Bei einem Krisentreffen haben sich Grüne und CDU am Dienstag erneut mit dem Thema befasst. Was vereinbart wurde – und was Stuttgart-Besucher beachten müssen:
Wie haben sich die Schadstoffwerte entwickelt?
Feinstaub ist kein Problem mehr, anders als noch vor ein paar Jahren. Schwierigkeiten bereitet nach wie vor das Stickstoffdioxid. In 13 Städten liegen die Messergebnisse über den von der EU festgelegten Grenzwerten, keine von ihnen liegt in der Region. Vor einem Jahr waren es noch 18 Orte. Größtes Problem bleibt Stuttgart, hier werden die Grenzwerte an sieben Messstationen zum Teil deutlich überschritten. Die deutschlandweit bekannte Messstelle am Stuttgarter Neckartor ist Spitzenreiter. Dort liegen die StickstoffdioxidWerte bei 71 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und damit 31 Gramm über dem Grenzwert. Aber auch hier vermeldet das Landesamt für Umwelt Besserung. Seit Jahren misst das Verkehrsministerium dort an weiteren Punkten im Abstand von je zehn Metern. Bislang fielen die Ergebnisse aller Messpunkte nahezu identisch aus. 2018 aber ist das anders: An einigen Punkten betrugen die Werte zwischen 51 und 62 Mikrogramm. „Sollte das so bleiben, fällt das eine hohe Ergebnis aus der Wertung“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Dienstag. Damit wäre auch dort die Einhaltung der Grenzwerte zumindest in Sicht.
Was bedeutet das jetzt? Wird es weitere Fahrverbote geben?
Die Frage lautet: Wie entwickeln sich die Messergebnisse bis Sommer 2019? Grüne und CDU haben verabredet, dann zu entschieden, ob die bisher ergriffenen Maßnahmen wirken. Wenn nicht, sehen sie sich vom Bundesverwaltungsgericht zu Fahrverboten für Euro-5-Diesel gezwungen. Beide Parteien wollen diese aber unbedingt vermeiden. Und die Zeichen stehen nicht schlecht. Erstens sinken die Werte bereits, zweitens werden sich Mitte 2019 wohl auch die Auswirkungen der Fahrverbote für Euro-4-Diesel zeigen. Drittens wollen Grüne und CDU weitere Messstellen aufstellen. Die Idee: Wie in München sollen diese zeigen, dass die Luft nur an Hotspots sehr schlecht ist, an anderen Stellen der Stadt aber bereits innerhalb der Grenzwerte liegt. Davon erhofft man sich Zeit, um die Richter milde zu stimmen – bis auch an den übrigen Messstationen die Luft besser wird. Ob dieses Vorgehen im Zweifel vor Gericht sticht, ist aber offen.
Warum war ein Krisentreffen zwischen Grünen und CDU nötig?
Der Druck auf die Regierungspartner wächst. Zum einen demonstrieren jeden Samstag zwischen 500 und 1200 Menschen gegen Fahrverbote. Intern fürchtet man, dass sich diese Proteste massiv ausweiten – und ein Sammelbecken für Unzufriedene werden, wenn weitere Verbote kommen. Die Debatte über die Verlässlichkeit der EU-Grenzwerte kommt hinzu. Die CDU hatte zuletzt bei ihrer Klausur im Kloster Schöntal gefordert, die Grenzwerte neu festzusetzen und bis dahin die Fahrverbote auszusetzen. Das wiederum wollten die Grünen nicht mittragen und verweisen auf geltende Gerichtsurteile.
Was unternimmt das Land?
Die Landesregierung hat bisher Fahrverbote für Euro-4-Diesel verhängt, die Tickets für Bus und Bahn zum Teil deutlich verbilligt. Sie versucht außerdem mit Plakaten und Kampagnen, Menschen zum freiwilligen Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zu bewegen. Sie testet technische Verfahren wie Mooswände, intensive Straßenreinigung und neue Straßenbeläge, die Stickoxide mithilfe von Sonnenlicht in ungefährliche Stoffe umwandeln. Sie versucht, den verkehr so zu lenken, dass möglichst wenig Stop-and-Go-Verkehr entsteht – dieser verursacht besonders viele Abgase. Autofahrer bekommen angezeigt, bei welchem Tempo sie eine grüne Welle haben. Außerdem will die Landesregierung eine Busspur am Neckartor entlang einrichten und hat bereits neue Expressbus-Linien gestartet. Insgesamt wollen Grüne und CDU 450 Millionen Euro für solche Maßnahmen ausgeben.
Werden bestehende Messstellen und die EU-Grenzwerte überprüft?
Im Auftrag des Bundes und der EU geschieht dies gerade. Welche Konsequenzen die Ergebnisse fürs Land haben, muss sich zeigen.
Was müssen Stuttgart-Besucher beachten?
Wer einen Euro-5- oder Euro-6Diesel fährt, kann wie gewohnt in die Stadt. Bei Kontrollen reicht es, den Fahrzeugschein vorzuzeigen. Dort steht, in welche Schadstoffklasse ein Auto fällt. Plaketten, um „sauberere“Diesel zu kennzeichnen, gibt es bekanntlich nicht. Eine solche blaue Plakette lehnt die CDU im Bund ab. Begründung: Die Städte sollten zunächst nach anderen Lösungen als Verboten suchen. Aufpassen müssen Besitzer von Euro-4-Dieseln. Sie dürfen zur Messe und zum Flughafen, aber nicht in die Stadt. Künftig soll es möglich sein, in Park&RideParkhäuser etwa in Degerloch zu gelangen – wenn man einen Fahrschein für den Nahverkehr Stuttgart gelöst hat. Wer ihn vorzeigen kann, kommt ohne die 80 Euro Bußgeld davon.