Zoff um Abiaufgaben auf USB-Sticks
Gymnasien testen neues Verfahren mit USB-Sticks – Lehrerverband übt scharfe Kritik
STUTTGART (kab) - Die Pläne des Kultusministeriums, die Abituraufgaben auf USB-Sticks an die Schulen zu verteilen und so besser vor Diebstahl zu schützen, stoßen auf Kritik der Lehrerverbände. Sie befürchten Komplikationen, da die Schulleiter die Aufgaben erst am Morgen vor der Prüfung selbst ausdrucken sollen. Bislang haben die Gymnasien im Südwesten die Abiturblätter bis zu zwei Wochen vor der Prüfung bekommen. Ein erster Testlauf soll die Debatte nun beruhigen.
STUTTGART - Viel Wirbel um kleine Datenträger: Um die Abituraufgaben in diesem Jahr besser vor Diebstahl zu schützen, setzt das Kultusministerium erstmals auf USB-Sticks. Lehrerverbände laufen seit Wochen Sturm dagegen – sie befürchten Komplikationen. Die Schulleiter sollen nämlich die Aufgaben am Morgen der Prüfung selbst ausdrucken. Ein erster Testlauf diese Woche könnte die Debatte beruhigen.
Bislang haben die Gymnasien im Land die Abiturblätter bis zu zwei Wochen vor dem Prüfungstag bekommen. Die Schulen mussten diese sicher lagern – laut Bestimmung in Tresoren oder einbruchsicheren Schränken. Falls doch eingebrochen wurde, war bis vor zwei Jahren lediglich das Zentralabitur des Landes betroffen. Inzwischen bedient sich aber Baden-Württemberg, wie die anderen Bundesländer auch, aus einem gemeinsamen Aufgabenpool in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch und Mathe. So hat es die Kultusministerkonferenz beschlossen, um die Abi-Ergebnisse deutschlandweit vergleichbarer zu machen.
Nach einem Einbruch im Solitude-Gymnasium in Stuttgart vor zwei Jahren mussten deshalb bundesweit Aufgaben ausgetauscht werden. Ein Jahr später sorgte ein Vorfall im niedersächsischen Goslar für ähnliche Aufregung an den Gymnasien in Deutschland. Zur Vorbeugung hat Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) beschlossen, die Blätter nicht mehr auszuliefern. Die Daten sind stattdessen auf einem USB-Stick gespeichert, der am Tag der Prüfung von den Schulleitern entschlüsselt werden soll. Die Blätter sollen vor Ort ausgedruckt werden. Die Schulleiter haben dafür ab 6 Uhr drei Stunden Zeit, Prüfungsbeginn ist auf 9 Uhr verschoben worden.
Kopierer als Achillesferse
„Das ist einfach verrückt“, sagt Ralf Scholl, der als Vorsitzender des Philologenverbands für die Gymnasien im Land spricht. Die Zeitspanne sei viel zu kurz. „Damit liegt die Fehlertoleranz bei fast Null. Die Achillesferse sind die Kopierer“, sagt er. Wenn nur ein Prozent der Kopierer ausfielen, stünden vier bis fünf von den 450 Gymnasien im Land am Prüfungsmorgen vor einem ernsten Problem. Scholl fordert daher, das Verfahren mit den USB-Sticks um ein Jahr zu verschieben. „Jede Schule braucht mindestens zwei Kopierer, die mindestens 30 Seiten pro Minute ausdrucken und heften können.“
Für die Ausstattung sind die Kommunen als Schulträger verantwortlich. „Das Thema ist sehr kurzfristig hochgekommen“, erklärt Norbert Brugger, Bildungsdezernent beim Städtetag. Er spricht von einer „Verkomplizierung“des Prozesses, zumal Bayern und Sachsen weiterhin ausgedruckte Prüfungen an ihre Gymnasien lieferten. Brugger erfragt derzeit nämlich bei den anderen Bundesländern, wie diese mit den Abi-Prüfungen umgehen. Einige andere Bundesländer verteilen die Prüfungen seit Jahren per Internet oder im Intranet der Verwaltung – unter anderem Rheinland-Pfalz und Hessen. Darin sieht Brugger auch für Baden-Württemberg die Zukunft – sofern das Land eine Bildungsplattform bekommt, nachdem ein erster Anlauf gescheitert ist. USB-Sticks sieht er skeptisch, zumal einige Kommunen aus Sicherheitsgründen die Anschlüsse deaktiviert hätten. Auch er spricht sich dafür aus, die Änderungen auf nächstes Jahr zu verschieben. Alternativ fordert er, NordrheinWestfalen nachzuahmen. Dort können die Schulleiter entscheiden, ob sie die Aufgaben am Vortag oder am Prüfungsmorgen ausdrucken. „Das ab dem Vortag zu ermöglichen entspannt die Situation nachdrücklich und könnte daher auch für BadenWürttemberg eine Lösung sein.“
Test läuft ohne Probleme
Dem erteilt eine Sprecherin des Kultusministeriums eine Absage. „Wir behalten das im Blick“, verspricht sie. Zunächst werte man aber die Erfahrungen eines Tests aus, an dem diese Woche 40 Gymnasien teilnehmen. Eins davon ist das Edith-SteinGymnasium in Bretten bei Karlsruhe. „Es ist problemlos gelaufen“, sagt Schulleiterin Annelie Richter der „Schwäbischen Zeitung“. Vom Entpacken der Dateien bis zum Druck habe es fünf Minuten gedauert. „Ich bin jetzt sehr beruhigt“, sagt Richter. Zu klären gebe es Organisatorisches: Da die Prüfungen später anfingen, gehen sie über die Mittagspause – und da muss Ruhe herrschen.
Vor der Fasnet werden alle 450 Gymnasien im Land das Verfahren testen. Dann wird auch das Kopernikus-Gymnasium in Wasseralfingen bei Aalen den Ernstfall proben. Schulleiter Michael Weiler äußert sich aber bereits jetzt entspannt. „Ich kann den Versuch, das jetzt so zu machen, gut nachvollziehen“, sagt er. „Das erhöht die Sicherheit.“Natürlich könne trotzdem etwas an einer Schule schiefgehen. Dann seien aber nicht bundesweit alle Gymnasien betroffen. Und für seine Schule sagt er: 1000 Kopien an einem Morgen anzufertigen seien normale Stückzahlen. „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum das nicht klappen sollte.“