Der Schnee der Algarve
Der wilde, weiße Westen Portugals ist jetzt bedeckt mit Mandelblüten
Endlich in die Wärme! Gilda freute sich, dem eisigen Norden zu entkommen und zog an die Algarve, zum damals hier herrschenden maurischen Emir Ibn Almundim, der um ihre Hand angehalten hatte. Doch schon bald nach der Hochzeit wurde die junge Schwedin schwermütig, ihr Mann und Verehrer ratlos. Was fehlte seiner Frau nur? „Der Schnee aus ihrer Heimat“, raunte schließlich eine ihrer Kammerzofen. Im darauffolgenden Winter führte der Emir seine mehr und mehr betrübte Gilda auf den höchsten Turm seiner Burg, ließ sie übers Land schauen. Es war weiß bis zum Horizont. „Das ist der Schnee der Algarve“, sprach der Emir zu seiner völlig überraschten Gattin und lüftete das Geheimnis: Er hatte, so die Legende, Tausende Mandelbäume pflanzen lassen. Ihre Blüten bedecken – dank einer leicht deprimierten Schwedin – bis heute jedes Jahr von Januar bis März den ganzen Südwestzipfel des heutigen Portugals und bieten Algarve-Besuchern bereits einen Hauch von wohlig-warmem Frühling, während man in Deutschland noch bibbert.
Zwei Gesichter
Eine Schiffsrundfahrt wird auch im Februar zum Sonnentörn. Joao manövriert seine vier Gäste in einer Nussschale von Motorboot durch wogende Wellen in immer neue, immer engere Felsgrotten. Die bis zu 20 Meter hohen Kalksteinwände sind mal beige, mal rostbraun, überall löchrig und schroff modelliert von Atlantikwind und Salzwasser. „Ponte da Piedade“heißt dieses Labyrinth an der Südspitze der Stadt Lagos. Ein portugiesisches Naturwunder, vor allem aber Demarkationslinie zwischen verbauter und verschonter Algarve: Östlich der Ponte sind viele Küstenhänge überwuchert mit Apartment- und Hotelblöcken, ExFischerhäfen sehen hier aus wie Open Air-Messen für Luxusyachten. Westlich der Ponte hingegen dösen Dörfer vor sich hin wie eh und je.
Burgau etwa: Keine Zeile im Reiseführer, darum auch keine Touristenkarawanen in den winkeligen Gassen mit blau-weißen Häusern. Bunte, leicht verwitterte Fischerboote sind hier keine Postkartenmotive, sondern immer noch Dienstfahrzeuge. Vormittags kommen die Männer darin heim, nicht selten begrüßt von vier Generationen: Oma, Eltern, Ehefrau und Kinder. All das lässt sich wie in einer Theaterloge prima beobachten auf der Veranda der Strandbar „Brizze“– mit einem Galao in der Hand, dem portugiesischen Milchkaffee.
Abseits der Algarve-Autobahn geht’s über kurvige Dorfstraßen hinein in den Nationalpark Costa Vicentina. Er umfasst über hundert Kilometer portugiesische Westküste und ist quasi ihre Lebensversicherung: Wilder Dünenbewuchs mit Wacholderbüschen und Mastixsträuchern bleibt erhalten, schmale Wege führen zu den Stränden.
Die Westalgarve zieht die Menschen in ihren Bann, sodass sie schnell wiederkommen und gleich dableiben. Und sei es auf der tennisplatzroten Erde einer kahlen Wiese an der Nationalstraße 125. Ein klappriges Wohnmobil, ein Container und zwei Bierzeltbänke – so sieht Julia Beckenbauers Firmengründung aus. Beckenbauer? Sie ist die Nichte von Kaiser Franz. Statt ihr Forstwirtschaftstudium zum Beruf zu machen, findet sie es deutlich spannender, Menschen das Landsegeln beizubringen. Ein überdimensionales Dreirad mit Surfsegel in der Mitte, einen Blaumann gegen den Staub, Helm und fünf Minuten Fahrstunde – mehr braucht man tatsächlich nicht, um angetrieben von mäßiger Brise über den Rundparcours zu sausen. „Genau diesen schnellen Erfolg meiner Gäste mag ich an diesem Job“, sagt Julia.
An den Stränden der Westalgarve kann man leider nicht mit den Landseglern fahren, zu eng sind die Buchten. Dafür aber so traumhaft schön und ideal zum Surfen, dass ganze Kolonien von Wellenreitern hier als sandpanierte Neopren-Nomaden leben. Sven Engelmann war einer von ihnen, tauschte seine Krankenpfleger-Sicherheit in Landshut gegen das VW-Bus-Abenteuer mit Matratze, Hund und Zweiplatten-Herd. Eng, aber doch voller Weite. Denn jeden Morgen beim Aufwachen wird die Windschutzscheibe zur Kinoleinwand für einen atemberaubenden Naturfilm: Wellenbrecher, die auf den Strand schlagen, über den Klippen kreisende Störche, der azurblaue Himmel und das türkisfarbene Wasser. Carrapateira, Amado oder Beliche – wer diese Strände ansteuert, der spürt, irgendwo hier könnte ein Magnetfeld sein, das einen nicht mehr loslässt. Sven Engelmann ist ihm erst nach rund anderthalb Jahren entkommen, aber nur einige Kilometer weit bis nach Sagres, wo er dann die Surfer-Bar Warung eröffnet hat.
Vielleicht zieht die Pioniergeschichte dieser Kleinstadt so viele Abenteurer an. Von Sagres aus brachen portugiesische Seefahrer im 15. Jahrhundert auf, um bis hinter die kanarischen Inseln vorzustoßen und schließlich Brasilien zu erobern. Ausgangspunkt vieler dieser Expeditionen: das Cabo de Sao Vicente, der südwestlichste Punkt des europäischen Festlands – schon aus diesem Grunde heute ein Pilgerort für Westalgarve-Besucher.
Weitere Informationen beim portugiesischen Fremdenverkehrsamt in Berlin, Tel.: 030/2541060, Internet: www.visitportugal.com und http://www.visitalgarve.pt