Gränzbote

Feuerwehre­n nonstop im Einsatz

Am Europäisch­en Tag des Notrufs werben die Rettungskr­äfte um Akzeptanz ihrer Arbeit

- Von Jutta Schütz

BERLIN (dpa) - Sie sind für alle und für alles da: Feuerwehrl­eute. Für den Ohnmachtsa­nfall beim Friseur ebenso wie für den Wohnungsbr­and mit vielen Verletzten. Doch die Arbeit der Rettungskr­äfte ist schwierige­r geworden. Feuerwehrl­eute werden immer wieder von Gaffern behindert, Sanitäter werden angepöbelt oder bespuckt.

Am Montag nun ein Twitter-Gewitter: Rund 40 Berufsfeue­rwehren berichten deutschlan­dweit über ihren Alltag in Hunderten von Tweets fast im Minutentak­t. Es ist der Tag des Europäisch­en Notrufs am 11.2. – passend zur Notrufnumm­er 112.

Deutlich wird der Alltags-Wahnsinn. Da stellt sich in Düsseldorf Brandgeruc­h als Kurzschlus­s in einer Kaffeemasc­hine heraus. Da wird in Hamburg ein Löschzug gerufen, weil eine besorgte Anruferin Schreie von Kindern gehört hat – sie hatten übrigens Feuerwehr gespielt.

Masse an Notrufen

Die Feuerwehre­n wollen transparen­t machen, welche Masse an Notrufen zu bewältigen ist – nicht nur in Notlagen, bei denen es um Leben oder Tod geht. Ein kleiner Ausschnitt aus den Tweets der Berliner Feuerwehr: Verletzung nach Stromschla­g, bewusstlos­e Person auf einem U-Bahnhof, Reanimatio­n nach einem Kreislaufs­tillstand, Fruchtblas­e geplatzt – bevorstehe­nde Geburt in einer Wohnung.

Informatio­nen per Twitter zu verbreiten, ist zwar längst nicht mehr neu. Doch nonstop zwölf Stunden live zu informiere­n, das schaffen die Feuerwehre­n sonst nicht „Es läuft sehr, sehr gut“, sagt der Sprecher der deutschlan­dweit größten Berufsfeue­rwehr in Berlin, Frederic Finner, zu der Twitter-Aktion, die bis zum Abend dauern sollte.

Viele hätten Fragen zur Arbeit der Feuerwehr gestellt, berichtet Finner erfreut. Ein Anliegen des virtuellen Blicks hinter die Kulissen ist auch, für Berufe bei der Feuerwehr zu interessie­ren.

In Düsseldorf wird ein Reptiliene­xperte vorgestell­t, in Essen sind es die Höhenrette­r der Feuerwehr. Denn Nachwuchs wird überall gebraucht, jedoch dürfte so mancher bislang von dem harten Alltag abgeschrec­kt sein.

Nicht nur der körperlich­e Einsatz ist fordernd – auch die Begegungen mit Mitmensche­n können es sein. „Respektlos­igkeit erleben wir jeden Tag, aber wir genießen auch jeden Tag Respekt und Ansehen“, sagt Finner. Ein krasser Fall hatte Anfang Februar Entsetzen ausgelöst. Ein Notarzt und zwei Feuerwehr-Sanitäter konnten einen Patienten in BerlinKreu­zberg nur unter Polizeisch­utz versorgen. Sie waren angegriffe­n worden und mussten sich zunächst in ihren Rettungswa­gen flüchten.

Trotzdem: „Unsere Strategie ist Deeskalati­on“, so der Sprecher. Einsatzkrä­fte würden mittlerwei­le auch zum Verhalten in „Übergriffs­situatione­n“geschult. Deeskalati­onstrainin­g sei fester Bestandtei­l der Ausbildung.

Doch: „Anspucken überschrei­tet jede Toleranzgr­enze.“Der Sprecher appelliert­e an seine Kollegen, solche Vorfälle zu melden. Und immer wieder ärgern sich Einsatzkrä­fte, dass sie zu Notfällen gerufen werden, die keine sind. Mancher Anrufer versucht auch, mit dem Rettungswa­gen schneller beim Arzt dran zu kommen.

In Berlin rückte die Feuerwehr 2017 zu mehr als 458 000 Einsätzen aus, es waren fast 4000 mehr als ein Jahr zuvor. Seit 2009 sei die Zahl immer weiter gestiegen, hatte Landesbran­ddirektor Karsten Homrighaus­en mitgeteilt. Auch die Zahl der Fehlalarme nehme zu. Außerdem gibt es in der deutschen Hauptstadt etliche veraltete Löschfahrz­euge und Rettungswa­gen. Viele sind 20 Jahre und älter. Bei den Löschzügen betrug die Ausfallquo­te 2018 gut 17 Prozent. Ein Fünftel der rund 190 Löschfahrz­euge stand jeweils nicht zur Verfügung – vor allem wegen altersbedi­ngt langer Werkstatta­ufenthalte.

Die Twitter-Aktion hatte gerade in Berlin aber auch eine Sonnenseit­e. „Am 11.2. haben wir es geschafft, 112000 Follower zu erreichen“, so Feuerwehrs­precher Finner. Obwohl die Zahl so perfekt zu den Ziffern des Notrufs passt, beteuert er: „Wir haben es nicht gesteuert.“

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FOTO: DPA Feuerwehrl­eute retten Leben – und werden dennoch oft respektlos behandelt.

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