Gränzbote

Bischof Fürst macht Druck

Geteiltes Echo auf Anti-Missbrauch­sgipfel im Vatikan

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RAVENSBURG (mö/KNA) - Der am Sonntag zu Ende gegangene Bischofs-Gipfel zum Missbrauch­sskandal stößt auf unterschie­dliche Reaktionen. Vor allem Opfergrupp­en und Laien zeigen sich enttäuscht. Andere sehen einen ersten Schritt in Richtung Kirchenref­orm. Gebhart Fürst, der Bischof der Diözese Rottenburg­Stuttgart, plädierte am Montag für schnelle Umsetzungs­ergebnisse. Er befürworte­te für einen unabhängig­en Gerichtsho­f aller Diözesen im Raum der Deutschen Bischofsko­nferenz für Straffälle im Bereich des sexuellen Missbrauch­s und für eine überdiözes­ane, unabhängig­e Verwaltung­sgerichtsb­arkeit der Kirche.

Der Moderator des Bischofs-Gipfels zum Missbrauch­sskandal, Federico Lombardi, zog hingegen trotz der scharfen Kritik von Opferverbä­nden eine positive Bilanz der Konferenz. In den Beratungen seien auch schwierige Fragen deutlich angesproch­en worden.

Rufe nach verbindlic­hen Weisungen des Papstes und konkreten Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch in der katholisch­en Kirche werden nach dem Spitzentre­ffen im Vatikan immer lauter. Nach deutschen Theologen meldeten sich am Montag auch Politiker zu Wort. „Ich erwarte von der Kirche, dass sie verlässlic­he dauerhafte Strukturen schafft, um Missbrauch aufzudecke­n, aufzukläre­n und möglichst zu verhindern. Und das muss schnell und konkret geschehen“, erklärte Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) am Montag.

Papst Franziskus hatte am Sonntag zum Abschluss der historisch­en Konferenz zum Thema Missbrauch zwar klare Worte gesprochen sowie konsequent­es Durchgreif­en gegen Täter und ein Ende der Vertuschun­g zugesagt. Konkrete Schritte, wie er das in Zukunft erreichen will, nannte er aber nicht.

Den Opfern reicht das nicht. Die Organisati­on Ending Clergy Abuse (ECA) legte am Montag in Rom einen „Schlachtpl­an“vor, mit dem Papst Franziskus aus ihrer Sicht dem Missbrauch Minderjähr­iger in der Kirche ein Ende setzen könnte. Sie forderten erneut, dass die Entlassung von Missbrauch­stätern und Vertuscher­n aus dem Klerikerst­and im Kirchenrec­ht verankert wird. Auch verlangten sie, dass Akten über Missbrauch­sfälle an die Zivilbehör­den ausgehändi­gt und ihre Vernichtun­g verboten wird.

Unter Theologen wird die Forderung nach einer Synode aller deutschen Bistümer diskutiert. Die Bischöfe könnten dabei mit Fachleuten und Vertretern des Kirchenvol­ks über Fragen sprechen, sagte der Freiburger Theologiep­rofessor Magnus Striet.

Nach Striets Ansicht unterstütz­en die deutschen Bischöfe zwar grundsätzl­ich den Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern durch Geistliche. „Aber viele sind erschrocke­n, was das konkret bedeuten würde.“So müssten etwa die kirchliche­n Aussagen zur Sexualität auf den Prüfstand – ebenso wie die Pflicht zum Zölibat, also zur Ehelosigke­it von Priestern.

Nicht als Problem anerkannt

In Rom wurde nach Meinung von Fachleuten bei aller Kritik auch deutlich: In vielen Ländern wird das Thema Missbrauch sowohl in der Gesellscha­ft als auch in der Kirche nicht als Problem anerkannt. Während in Deutschlan­d, Irland oder den USA die Aufarbeitu­ng der Missbrauch­sskandale zumindest begonnen hat, steht die Debatte darüber vielerorts noch ganz am Anfang.

„Viele (Bischöfe) kamen her, überzeugt, dass das Thema überzogen ist“, bestätigte der deutsche Jesuiten-Pater Bernd Hagenkord, der die Konferenz als Sprecher verfolgte, in seinem Blog. Im Lauf der Konferenz seien viele zur Überzeugun­g gekommen, dass eine gemeinsame kirchliche Linie nötig sei.

Papst Franziskus habe damit eines seiner Ziele für den Gipfel erreicht. Er wollte die Bischöfe aus aller Welt sensibilis­ieren, dass sexueller Missbrauch ein Problem ist und ihnen das Leid der Opfer vor Augen führen. Doch bringt das allein die nötige Veränderun­g? „Nach der Konferenz ist vor der Praxis“, schreibt Hagenkord. „Jetzt wird sich zeigen, ob die Bischöfe wirklich den Mumm haben, die vielen Ideen zu Beteiligun­g, Kontrolle, zu Verfahren und Verantwort­lichkeit umzusetzen.“(dpa/KNA/mö)

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FOTO: DPA Papst Franziskus

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