„Kopftreffer sind schöne Wachmacher“
Handball-Nationaltorhüter Silvio Heinevetter über seine Sportart und den Unterschied zum Fußball
BERLIN - Ist vom Handball-WMBoom etwas geblieben? Durchaus, findet Silvio Heinevetter (34), Torhüter der Füchse Berlin. Der 190-malige Nationalspieler spricht im Interview mit Florian Kinast über die Parallelen und Unterschiede zum Fußball – und die Gefahren seines Jobs.
Herr Heinevetter, brummt der Schädel noch? Geht es um das Spiel gegen Gummersbach vor acht Tagen? Ja. Bei einem Siebenmeter bekamen Sie den Ball direkt gegen den Kopf.
Halb so wild. So ein Ball auf die Stirn ist nicht dramatisch. Mehr geschmerzt hat die Aktion, als ich gegen den Hinterpfosten gerannt bin, das gab eine schöne Beule. Ansonsten sind Kopftreffer ein schöner Wachmacher. Das macht munter, das macht aggressiv. Und auch wenn’s der Gegner ja nicht mit Absicht macht: Als Torwart musst du immer damit rechnen, dass du einen auf die Mütze kriegst.
Beim Test vor der WM gegen Argentinien brachen Ihnen bei einem Gesichtstreffer vier Zähne ab. Wären Sie manchmal nicht lieber Feldspieler geworden?
Gar nicht. Im Feld hast du ganz andere Probleme. Wenn ich mir anschaue, was die Kreisläufer so alles abkriegen, Ellbogen, Würgegriffe und was sonst noch, das ist fast noch schlimmer. Da bin ich lieber im Tor.
Vor einem Monat spielten Sie noch gegen Frankreich und Kroatien, jetzt geht es wieder gegen Lemgo und Hannover-Burgdorf. Wie hart war nach der WM-Euphorie die Landung im Bundesliga-Alltag?
Ich kenne das nicht anders, weil es nach jedem großen Turnier so ist. Da musst du dich im Kopf drauf einstellen, dann ist das gar kein Problem. Ich sehe aber auch, dass die WM schon etwas bewirkt hat, gerade in der öffentlichen Wahrnehmung. Vor zwei Wochen war ich auf der Berlinale, da haben ganz viele Leute richtig euphorisch über Handball gesprochen, Schauspieler, Künstler, eben auch Menschen, die nicht von vornherein im Sport drin sind.
Das war aber ganz kurz nach der WM, könnte sich in einigen Wochen auch wieder ändern. Über Fußball wird andauernd geredet. Werden Sie da nicht manchmal neidisch?
Neidisch ist ein böses Wort. Neidisch bin ich nur darauf, dass Fußballprofis in der Bundesliga viel länger Urlaub haben als wir. Wir spielen eigentlich komplett durch und haben nach der Saison noch Nationalmannschaft, da bleiben gefühlt zweieinhalb Wochen Urlaub. Und die Fußballer haben auch Winterpause, wo wir durchspielen.
Wären Sie Fußballtorwart geworden, hätten Sie auch über Weihnachten frei. Was denken Sie, welche Figur würden Sie eigentlich im Fußballtor abgeben?
Ich hab das mal ausprobiert. Bei einem Benefizspiel mit der Sporthilfe gegen Dortmund im Signal-Iduna-Park. Tolles Erlebnis. Ich glaube, ich hab mich ganz wacker geschlagen, gerade in Eins-zu-Eins-Situationen. Es gibt Gemeinsamkeiten, was Torhüter im Handball und im Fußball brauchen.
Zum Beispiel?
Reaktionsschnelligkeit in der Nahdistanz etwa. Ansonsten will ich nicht behaupten, dass ich ohne Training gut aussehen würde. Auch was die Laufwege und die Schrittübersetzung angeht, ist das ganz anders. Und das Tor ist ja auch ein bisschen größer. Sind schon große Unterschiede. Im Handballtor bist du unentwegt gefordert, das geht ja dauernd hin und her. Im Fußball hingegen musst du dich gerade bei einer Spitzenmannschaft immer mit dir selbst beschäftigen, weil du nix zu tun hast. Manchmal stehst du 85 Minuten herum, und dann musst du bei dem einen Gegenangriff da sein.
Und wenn der dann reingeht, schaust du blöd aus. So ist es. Wie würde sich Manuel Neuer im Handballtor machen?
Sehr gut, glaube ich. Manuel ist einer von den Torhütern, die viel handballerische Elemente in ein Spiel bringen. Vergrößerung der Körperfläche, unkonventionelle Aktionen, schwer auszurechnen, reaktionsstark.
Sie gelten wie viele andere Handballer auch als ein sehr mündiger Sportler, der seine Meinung klar vertritt und damit auch mal aneckt. Fußballer hingegen wirken in ihren einstudierten Plattitüden dagegen oft viel zu glatt. Gibt es im Handball noch mehr kantige Typen?
Fußball ist ein Millionengeschäft, und da ist es eben nicht mehr so populär, wenn man aneckt. Lieber mit weichgespülten Antworten mit dem Strom schwimmen, dafür werden sie geschult, das sieht der Verein auch gerne. Ein bisschen mehr Pfeffer würde schon gut tun und auch den Zuschauern mehr Spaß machen. Es gibt aber durchaus noch gute authentische Jungs, die sich nicht verbiegen lassen. Max Kruse etwa, natürlich Christian Streich, aber auch den Sandro Wagner habe ich immer gern gehört. Auch wenn der sich ja leider aus München verabschiedet hat.
Verabschiedet hat sich aus München auch der Handball.
Wissen Sie was, ich hab Uli Hoeneß mal sogar darauf angesprochen, ob er nicht mal Lust auf Handball hätte. Er hat aber nur geschmunzelt. Natürlich wäre der FC Bayern das Naheliegendste, die Strahlkraft der Bayern ist unendlich. Und wenn ich den FC Barcelona sehe, da funktioniert das ja auch, Top-Teams aus einem einzigen Verein, die harmonisch nebeneinander funktionieren. Fußball, Handball, Basketball, selbst Rollhockey.
In Berlin gibt es im Handball die Füchse, im Fußball die Hertha. Beide Clubs stehen ganz solide da in der Liga. Wer von beiden qualifiziert sich zuerst für die jeweilige Champions League?
Schwierig. Vor alledem steigt erst einmal Union in die Bundesliga auf.