Der gespiegelte Patient
Gegner des VfB Stuttgart zeigt ähnliche Symptome im Abstiegskampf – Doll auf Kuschelkurs
STUTTGART (SID/falx) - Wenn es nach dem VfB Stuttgart und seinem Trainer Markus Weinzierl ginge, dürfte die Serie sicherlich gerne Bestand haben. Vier Mal lief Hannover 96 unter Neu-Trainer Thomas Doll bisher auf – drei dieser Spiel verloren die Niedersachsen mit 0:3. „Das habe ich in meiner Karriere noch nicht erlebt“, gibt selbst Doll zu. Lediglich gegen den Tabellenletzten aus Nürnberg gelang vor über zwei Wochen ein 2:0-Heimsieg. Dennoch setzt der Coach vor dem Abstiegs-Kracher beim Tabellennachbarn VfB Stuttgart (So., 15.30Uhr/Sky) auf das Wohlfühlprogramm: schlendert lächelnd über den Trainingsplatz, pickt sich immer mal wieder einen seiner stark verunsicherten Spieler heraus, legte ihm den Arm über die Schulter und führte Einzelgespräche.
„Was die Jungs jetzt brauchen ist, dass wir das Positive aus ihnen rausholen“, sagte Doll: „Shit happens, da müssen wir durch.“Doll beherrscht wie auch sein Stuttgarter Pendant die Klaviatur der Trainersprache. Keine Frage. Und nachdem eine Wutrede zuletzt nicht zündete, entschied er sich nach der Heimpleite gegen Eintracht Frankfurt für die versöhnlichen Töne. Doch die Mannschaft wirkt schwer angeschlagen, von einem Doll-Effekt – nochmal die Ergebnisse: 0:3, 2:0, 0:3, 0:3 – ist an der Leine nichts zu spüren.
Und während sportlich kaum etwas geht, scheint auch der Kredit bei den Fans vollends verspielt. Schon lange vor dem Schlusspfiff flüchteten viele Zuschauer gegen die SGE aus der Arena, andere verhöhnten ihr Team mit Pfiffen und Sprechchören. In der Schlussphase zudem ein Banner gegen Dauer-Kritik-Präsident Martin Kind, seinen Vize Uwe Krause und Aufsichtsratschef Gerhard Schröder enthüllt – es klang wie eine Drohung: „Packt eure Koffer, sonst tun wir es für euch.“
Und so gleicht Hannover im Frühjahr 2019 einem Pulverfass. „Wir müssen weiter zusammenstehen und dürfen nicht auseinanderbrechen“, beschwört Doll. Das Gute an der Situation sei, „dass die anderen da unten auch verlieren, sonst wären die wahrscheinlich schon neun oder zehn Punkte weg“.
Und die, die auch nicht gewinnen, sind eben auch die Stuttgarter. Doch waren die Schwaben nach ihrem überraschenden Punktgewinn in Bremen noch die Gewinner unter den Abstiegskandidaten – machten immerhin einen Punkt gut. Dabei plagten den VfB und seinen kommenden Gegner identische Probleme. Ein Gegentor reichte meist und das Team erholte sich davon nicht. Selbst nach einer vernünftigen Hälfte brach durch ein Ereignis alles zusammen. „Das ist normal. Die Psyche ist angeknackst, das ist deutlich zu sehen“, beschreibt 96-Angreifer Hendrik Weydandt die Gemütslage.
Doch hoffen sie genau das am Wasen seit Bremen überwunden zu haben. „Die Mannschaft hat verstanden, wie sie jetzt agieren muss“, sagt Trainer Weinzierl. Die neue, defensiv ausgerichtete, Grundordnung stand sicher. Abläufe und Automatismen waren – wie bereits bei der Heimpleite gegen Leipzig – erkennbar. Es scheint so, als habe Weinzierl gerade noch rechtzeitig das passende Spielsystem gefunden.
Hinzu kommt, dass inzwischen auch der Letzte den Ernst der Lage begriffen zu haben scheint. Weltmeister Benjamin Pavard behielt in Bremen den Überblick, Winter-Neuzugang Ozan Kabak findet sich von Spiel zu Spiel besser zurecht und Torhüter Ron-Robert Zieler zeigte einmal wieder, was er kann.
Ob es wirklich eine Trendwende ist – für welchen Patienten auch immer – wird der Sonntag zeigen.