Gränzbote

Keine Mutter zur Stelle

Hinterher soll alles ein Missverstä­ndnis gewesen sein – Autorität von Trainer nach Auswechslu­ngs-Eklat dahin

-

LONDON (SID/falx) - Nach 120 Minuten schweißtre­ibender Schwerstar­beit gegen Weltklasse­stürmer dachte der Ex-Stuttgarte­r Antonio Rüdiger nicht im Traum daran, dass sein härtester Zweikampf erst noch kommen würde. Zwischen Verlängeru­ng und Elfmetersc­hießen im Endspiel des englischen Ligapokals, vor 81 775 Zuschauern im Londoner Wembleysta­dion, musste der deutsche Nationalsp­ieler vom FC Chelsea alles aufbieten: Mit Mühe hielt er seinen stinkwüten­den Trainer davon ab, auf seinen Torhüter loszugehen.

Es war ein Eklat, wie ihn der Profifußba­ll selten sieht. „Wechseldeb­akel“nannten es die Zeitungen: einem absurden Krach, in dem Teammanage­r Maurizio Sarri fassungslo­s sah, wie der teuerste Torhüter der Welt sich weigerte, ausgewechs­elt zu werden – und dann im Elfmetersc­hießen verlor. Den Titel gewann Manchester City mit Leroy Sane und Ilkay Gündogan (0:0, 4:3 i.E.).

In der 117. Minute hatte Torhüter Kepa Arrizabala­ga entsetzt festgestel­lt, dass er ausgewechs­elt werden sollte. Er gestikulie­rte wie wild, fluchte, bewegte den Zeigefinge­r: „No, no, nooo, NOOO!“Sarri war bloßgestel­lt, er riss sich brüllend seine Jacke auf, er feuerte Gegenständ­e umher und stürmte in Richtung Kabine. Dann drehte er doch wieder um. Es blieb dabei: Kepa verließ den Platz nicht. Hätte sich diese Szene in der F-Jugend zugetragen, vom Spielfeldr­and wäre sicherlich die Mutter zu ihrem bockigen Sohnemann gelaufen und hätte den Knirps am Ohr vom Rasen geführt. Doch Kepas Mutter war verhindert und Sarri wurde von Rüdiger aufgehalte­n.

Und als ManCity seinen ersten Titel der Saison feierte, sollte alles nur ein „großes Missverstä­ndnis“gewesen sein. So versuchten es Sarri, dessen Stuhl ohnehin auf angesägten Beinen steht, und Kepa, der für 80 Millionen Euro von Athletic Bilbao gekommen war, zu erklären.

Der Torhüter war kurz zuvor offensicht­lich wegen eines Krampfes behandelt worden. „Der Coach dachte wohl, ich sei so schwer angeschlag­en, dass ich nicht weiterspie­len könne. Aber mir ging es gut, und ich wollte unbedingt der Mannschaft helfen.“Das ging schief. Und so wird die Lage des Trainers immer komplizier­ter. „Kepa hatte recht, aber er hat sich falsch verhalten“, sagte der Sarri, dessen Autorität, sollte sie noch vorhanden gewesein sein, spätestens jetzt dahin sein dürfte.

Hätte er vielleicht doch besser den Ohr-Dreher ausgepackt.

 ?? FOTO: AFP ?? Standfest – Kepa ist nur schwer aus dem Kasten zu bekommen.
FOTO: AFP Standfest – Kepa ist nur schwer aus dem Kasten zu bekommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany