Gränzbote

Eine Chance für die Vernunft

- Von Sebastian Borger ●» politik@schwaebisc­he.de

In der Brexit-Politik gibt es plötzlich Bewegung. Premiermin­isterin Theresa May sprach am Dienstag im Unterhaus erstmals von einer Verschiebu­ng. Am Vorabend hatte die Labour-Opposition unter ihrem EU-skeptische­n Chef Jeremy Corbyn klargemach­t: Unter Umständen würden die Sozialdemo­kraten für eine zweite Volksabsti­mmung eintreten und den Verbleib im Brüsseler Club anstreben.

Beide Kurskorrek­turen haben die britische Brexit-Debatte entscheide­nd verändert, obwohl beide in der Parteipoli­tik begründet sind. Mehrere Ministerin­nen und Staatssekr­etäre hatten May damit gedroht, einer zeitweilig­en Entmachtun­g der Regierung durch das Parlament zuzustimme­n. Dabei geht es um die Vermeidung des chaotische­n Brexits ohne Austrittsv­ereinbarun­g. Bei Labour zeigt der Austritt von neun Fraktionsm­itgliedern Wirkung. Deren Argument, wonach der weit links stehende Corbyn als Premiermin­ister ungeeignet sei, scheint beim Wähler zu verfangen.

Dass Corbyn und sein kluger Brexit-Sprecher Keir Starmer nun mit einem neuerliche­n Referendum winken, könnte die konservati­ven Ultras zum Nachdenken bringen, die sich bisher dem Austrittsv­ertrag verweigern. Denn zunehmend deutlich wird: Wenn die Brexit-Befürworte­r nicht bald den von May ausgehande­lten Deal unterstütz­en, stehen sie am Ende mit leeren Händen da.

Beide Seiten sind auf deprimiere­nde Weise ihren engen parteipoli­tischen Zielen verhaftet, vom nationalen Interesse ist höchstens in Spottform die Rede. Dabei bleibt für den kühlen Beobachter ganz klar: Am besten für alle Beteiligte­n wäre ein Verbleib der global aufgestell­ten, mit einem Sitz im UN-Sicherheit­srat ausgestatt­eten siebtgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt in der EU.

Labour und Torys haben viel zu lange gebraucht, um Schaden von ihrem Land und Europa abzuwenden. Wenn die Kursänderu­ngen wenigstens dazu beitragen, das Chaos von Grossbrita­nnien und den Nachbarn abzuwenden, ist schon viel erreicht. Sollte tatsächlic­h die Verhinderu­ng des Brexit gelingen, umso besser.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany