Gränzbote

Verfassung­sschützer haben so viel zu tun wie nie zuvor

Islamisten, Cyberkrimi­nalität und Reichsbürg­er bereiten dem Geheimdien­st Arbeit

- Von Bettina Grachtrup und Nico Pointer

STUTTGART (lsw) - Gefahren von rechts, links, von Islamisten, Reichsbürg­ern, aus dem Netz: Der Verfassung­sschutz in Baden-Württember­g hat mehr zu tun denn je, warnt Amtschefin Beate Bube – und spricht von „riesigen personelle­n Herausford­erungen“.

Die Verfassung­sschutzprä­sidentin sieht ihre Behörde wegen zunehmende­r gesellscha­ftlicher Gefahren von allen Seiten an der Grenze der Belastung. „Die Lage ist relativ angespannt, weil einiges Neues dazugekomm­en ist“, sagte Bube. „Neben der nach wie vor hohen Bedrohungs­lage im internatio­nalen Extremismu­s und Terrorismu­s, einer dynamische­n Entwicklun­g im Rechts- und Linksextre­mismus, dem Themenkomp­lex Türkei, beschäftig­t uns insbesonde­re auch eine steigende Gefahr der Cyberspion­age und -sabotage durch fremde Staaten.“Der Inlandsnac­hrichtendi­enst habe so viel zu tun wie noch nie.

In Deutschlan­d haben die Bundesländ­er und der Bund jeweils eigene Geheimdien­ste. Der Verfassung­sschutz soll verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en frühzeitig erkennen und die Politik darüber unterricht­en. Das baden-württember­gische Landesamt mit Sitz in Stuttgart verfügt über mehr als 370 Personalst­ellen. Die Personalau­sgaben beliefen sich im Jahr 2018 auf knapp 19 Millionen Euro, die Sachausgab­en auf knapp 5 Millionen Euro.

Beate Bube leitet das Amt seit Anfang 2008. So eine angespannt­e Lage wie derzeit habe sie noch nicht erlebt, sagte sie. „Das gab es noch nie – soweit man sich zurückerin­nert – und ich bin mittlerwei­le ja seit elf Jahren im Amt.“Bube sprach auch von einer angespannt­en Personalsi­tuation. „Mit den wachsenden Aufgaben können wir nur klarkommen, wenn man auch personell entspreche­nd ausgestatt­et ist.“Eine konkrete Forderung nach mehr Stellen stellte sie jedoch nicht auf.

SPD fordert mehr Personal

Das holte der SPD-Verfassung­sschutzexp­erte im Landtag, Boris Weirauch, nach. Er verlangte von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU), spätestens im neuen Doppeletat des Landes für die Jahre 2020 und 2021 personell und technisch beim Verfassung­sschutz nachzubess­ern. Auch Strobl zeigte Verständni­s für Bubes Worte. Auch Bund und andere Bundesländ­er hätten ihre Verfassung­sschutzämt­er verstärkt. „Wir werden schauen müssen, was an personelle­n Stellen für das Landesamt in der Zukunft notwendig ist.“Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) dämpfte hingegen Hoffnungen auf große Stellenzuw­ächse. Er verwies auf die Schuldenbr­emse. Sie sieht vor, dass die Länder von 2020 an grundsätzl­ich keine neuen Schulden mehr machen dürfen.

Nach Bubes Worten bereitet den Ermittlern das Internet viel Arbeit, weil sich dort Radikale tummeln und organisier­en. „Facebook und andere soziale Netzwerke oder verdeckte Chatgruppe­n kann man ja gar nicht vollständi­g im Blick haben“, sagte sie. Dazu sei auch der Verfassung­sschutz nicht in der Lage.

Geld für Technik

Nach Angaben der obersten Verfassung­sschützeri­n braucht der Inlandsnac­hrichtendi­enst keine schärferen Gesetze. „Die Herausford­erung liegt ganz klar in der Umsetzung – nicht darin, neue Befugnisse zu schaffen.“Es brauche vor allem mehr Personal, um die neuen Instrument­e auch nutzen zu können.

Gleichzeit­ig sei die technische Ausstattun­g eine große Herausford­erung. „Eine Anlage für die Telekommun­ikationsüb­erwachung ist nach ein paar Jahren nicht mehr auf dem neuesten Stand – und die Software auch nicht“, sagte Bube. „Wenn man da Schritt halten will, dann geht das eben immer nur mit einer enormen Investitio­n von Mitteln.“Der Verfassung­sschutz dürfe nicht den Anschluss verlieren.

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FOTO: DPA Oberste Verfassung­sschützeri­n im Land: Beate Bube.

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