Verfassungsschützer haben so viel zu tun wie nie zuvor
Islamisten, Cyberkriminalität und Reichsbürger bereiten dem Geheimdienst Arbeit
STUTTGART (lsw) - Gefahren von rechts, links, von Islamisten, Reichsbürgern, aus dem Netz: Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hat mehr zu tun denn je, warnt Amtschefin Beate Bube – und spricht von „riesigen personellen Herausforderungen“.
Die Verfassungsschutzpräsidentin sieht ihre Behörde wegen zunehmender gesellschaftlicher Gefahren von allen Seiten an der Grenze der Belastung. „Die Lage ist relativ angespannt, weil einiges Neues dazugekommen ist“, sagte Bube. „Neben der nach wie vor hohen Bedrohungslage im internationalen Extremismus und Terrorismus, einer dynamischen Entwicklung im Rechts- und Linksextremismus, dem Themenkomplex Türkei, beschäftigt uns insbesondere auch eine steigende Gefahr der Cyberspionage und -sabotage durch fremde Staaten.“Der Inlandsnachrichtendienst habe so viel zu tun wie noch nie.
In Deutschland haben die Bundesländer und der Bund jeweils eigene Geheimdienste. Der Verfassungsschutz soll verfassungsfeindliche Bestrebungen frühzeitig erkennen und die Politik darüber unterrichten. Das baden-württembergische Landesamt mit Sitz in Stuttgart verfügt über mehr als 370 Personalstellen. Die Personalausgaben beliefen sich im Jahr 2018 auf knapp 19 Millionen Euro, die Sachausgaben auf knapp 5 Millionen Euro.
Beate Bube leitet das Amt seit Anfang 2008. So eine angespannte Lage wie derzeit habe sie noch nicht erlebt, sagte sie. „Das gab es noch nie – soweit man sich zurückerinnert – und ich bin mittlerweile ja seit elf Jahren im Amt.“Bube sprach auch von einer angespannten Personalsituation. „Mit den wachsenden Aufgaben können wir nur klarkommen, wenn man auch personell entsprechend ausgestattet ist.“Eine konkrete Forderung nach mehr Stellen stellte sie jedoch nicht auf.
SPD fordert mehr Personal
Das holte der SPD-Verfassungsschutzexperte im Landtag, Boris Weirauch, nach. Er verlangte von Innenminister Thomas Strobl (CDU), spätestens im neuen Doppeletat des Landes für die Jahre 2020 und 2021 personell und technisch beim Verfassungsschutz nachzubessern. Auch Strobl zeigte Verständnis für Bubes Worte. Auch Bund und andere Bundesländer hätten ihre Verfassungsschutzämter verstärkt. „Wir werden schauen müssen, was an personellen Stellen für das Landesamt in der Zukunft notwendig ist.“Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dämpfte hingegen Hoffnungen auf große Stellenzuwächse. Er verwies auf die Schuldenbremse. Sie sieht vor, dass die Länder von 2020 an grundsätzlich keine neuen Schulden mehr machen dürfen.
Nach Bubes Worten bereitet den Ermittlern das Internet viel Arbeit, weil sich dort Radikale tummeln und organisieren. „Facebook und andere soziale Netzwerke oder verdeckte Chatgruppen kann man ja gar nicht vollständig im Blick haben“, sagte sie. Dazu sei auch der Verfassungsschutz nicht in der Lage.
Geld für Technik
Nach Angaben der obersten Verfassungsschützerin braucht der Inlandsnachrichtendienst keine schärferen Gesetze. „Die Herausforderung liegt ganz klar in der Umsetzung – nicht darin, neue Befugnisse zu schaffen.“Es brauche vor allem mehr Personal, um die neuen Instrumente auch nutzen zu können.
Gleichzeitig sei die technische Ausstattung eine große Herausforderung. „Eine Anlage für die Telekommunikationsüberwachung ist nach ein paar Jahren nicht mehr auf dem neuesten Stand – und die Software auch nicht“, sagte Bube. „Wenn man da Schritt halten will, dann geht das eben immer nur mit einer enormen Investition von Mitteln.“Der Verfassungsschutz dürfe nicht den Anschluss verlieren.