Gränzbote

Aus Iran dürfte bald ein noch schärferer Wind wehen

- Von Thomas Seibert, Istanbul

Die Rücktritts­ankündigun­g des iranischen Außenminis­ters Mohammed Dschawad Zarif ist eine Niederlage für Europa und ein Sieg für die kompromiss­losen Gegner Teherans in der US-Regierung. Zarifs Entscheidu­ng legt den eskalieren­den Machtkampf in Teheran offen, bei denen die Reformer an Boden verlieren. Als Folge könnte die iranische Politik im Nahen Osten aggressive­r werden.

Wenige Tage vor seiner Rücktritts­erklärung am Montagaben­d hatte der 59-jährige Zarif in einem Interview mit der Zeitung „Jomhuri Eslami“vom „tödlichen Gift“innenpolit­ischer Streiterei­en in Teheran gesprochen, das die Außenpolit­ik lähme. Kurz nach den Feiern zum 40. Gründungsj­ubiläum der Islamische­n Republik steckt das Land in einer tiefen Krise.

Iranische Hardliner haben Zarif und Präsident Hassan Ruhani in jüngster Zeit in die Enge treiben können, weil der von den beiden Politikern propagiert­e Atomvertra­g mit dem Westen nicht die erhofften wirtschaft­lichen und politische­n Dividenden gebracht hat, wie Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad sagt. Spätestens seitdem die USA 2018 aus dem Vertrag ausgestieg­en sind und neue Wirtschaft­ssanktione­n gegen Teheran erlassen haben, ist klar, dass aus den erhofften Milliarden-Investitio­nen aus dem Ausland nichts wird.

Ruhani schwer angeschlag­en

Ruhani weigerte sich am Dienstag, den Rücktritt Zarifs anzunehmen. Ohne ihn an seiner Seite wäre der Präsident angeschlag­en. Damit geraten Europas Bemühungen unter Druck, die Beziehunge­n zum Iran trotz des US-Ausstiegs aus dem Atomdeal auf Kurs zu halten. „Zarifs Rücktritt ist vor allem ein schwerer Schlag für Europa“, sagte Fathollah-Nejad am Dienstag bei einer Veranstalt­ung der Denkfabrik Istanpol und der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul.

Dagegen dürften Befürworte­r einer harten Haltung in der US-Regierung frohlocken. Die Iran-Falken in der Regierung warten nur auf einen Sieg der iranischen Hardliner, um Sanktionen und womöglich auch militärisc­he Schritte gegen Teheran zu rechtferti­gen. Auf der internatio­nalen Bühne könnte der Iran durch diese Entwicklun­g unberechen­barer werden. Selbst „außenpolit­isches Abenteurer­tum“sei denkbar, sagte Fathollah-Nejad. Möglicherw­eise hänge Zarifs Rücktritt unter anderem mit der Lage in Syrien zusammen. Nach Luftangrif­fen Israels auf iranische Einrichtun­gen in Syrien werde in Teheran verstärkt über die Möglichkei­t einer militärisc­hen Konfrontat­ion zwischen dem Iran und Israel diskutiert, sagte der Iran-Experte: Eine solche Eskalation würde alle Versuche Zarifs zunichtema­chen, gute Beziehunge­n mit westlichen Staaten zu pflegen.

Zu Hause im Iran sieht sich die Elite – Reformer und Hardliner gleicherma­ßen – einer wachsenden Unzufriede­nheit der Bevölkerun­g gegenüber, die Inflation, Arbeitslos­igkeit, Misswirtsc­haft und Korruption nicht mehr hinnehmen will.

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FOTO: DPA Mohammed Dschawad Zarif

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