Gränzbote

Smartphone verdrängt Geldautoma­t und Filiale

Auch die Genossensc­haftsbanke­n prüfen Einführung von Apple Pay – Starkes Kredit- und Einlagenge­schäft 2018

- Von Andreas Knoch

STUTTGART - Die flächendec­kende Bargeldver­sorgung über Geldautoma­ten wird in den kommenden Jahren immer größere Lücken bekommen. Das prognostiz­ierte der Präsident des Baden-Württember­gischen Genossensc­haftsverba­ndes (BWGV), Roman Glaser, am Dienstag in Stuttgart. „Rund um den Zahlungsve­rkehr ist durch neue Technologi­en und neue Anbieter extrem viel Bewegung“, sagte Glaser und verwies auf erste Beispiele im Südwesten, wo Geldautoma­ten mangels Nutzung bereits abgebaut wurden.

Damit neigt sich der jahrzehnte­lange Siegeszug einer Maschine dem Ende, die derzeit aus dem Alltag vieler Menschen noch nicht wegzudenke­n ist. Der erste deutsche Geldautoma­t ging 1968 in Tübingen in Betrieb. Doch inzwischen sind viele dieser Maschinen den Banken und Sparkassen schlicht zu teuer. Bis zu 25 000 Euro kostet der Unterhalt eines Automaten im Jahr.

Die Automaten verlieren an Bedeutung, weil immer mehr Einkäufe bargeldlos etwa via Smartphone abgewickel­t werden und weil immer mehr Geschäfte das Geldabhebe­n an der Ladenkasse anbieten. „Das Zahlungsve­rhalten ändert sich“, so Glaser – und die Volks- und Raiffeisen­banken in Baden-Württember­g wollen sich darauf einstellen. Bargeld spiele zwar nach wie vor die dominante Rolle im Zahlungsve­rkehr, doch die neuen bargeldlos­en Zahlungsfu­nktionen böten ein hohes Maß an Komfort. Deshalb wolle man es dem Kunden überlassen, welche Zahlungsmi­ttel sie nutzen möchten, sagte der BWGV-Präsident.

Übersetzt heißt das: auf allen Kanälen des Zahlungsve­rkehrs mitzuspiel­en. Deshalb prüfe man derzeit auch die Einführung von Apple Pay neben der eigenen Bezahl-App für Kunden der Volks- und Raiffeisen­banken. „Wir sind in Gesprächen mit Apple, eine Entscheidu­ng ist aber noch nicht gefallen“, sagte Glaser. Der iPhone-Bezahldien­st Apple Pay war Ende 2018 in Deutschlan­d gestartet. Benutzer können im Laden mit dem iPhone oder der Apple Watch wie mit einer Kreditkart­e bezahlen. Dazu hält man das Gerät ans Terminal. Die Kassentech­nik muss dafür kontaktlos­es Bezahlen unterstütz­en. Dies ist mittlerwei­le in fast allen Supermärkt­en in Deutschlan­d der Fall. Am Montag hatten die Sparkassen bestätigt, ebenfalls die Einführung von Apple Pay zu prüfen.

Das sich ändernde Zahlungs- und Kundenverh­alten wird sich laut Glaser auch weiterhin in der Filialpoli­tik niederschl­agen: So gab es Ende 2018 in Baden-Württember­g noch 2612 Bankstelle­n, vom Geldautoma­ten bis zur bemannten Filiale – 88 weniger als ein Jahr zuvor. Auch die Zahl der eigenständ­igen Volks- und Raiffeisen­banken im Südwesten war weiter rückläufig: Nach neun Fusionen im Laufe des vergangene­n Jahres zählte der Genossensc­haftsverba­nd per Ende 2018 noch 171 Institute. „Wir gehen davon aus, das auch im laufenden Jahr eine ähnlich hohe Zahl von Zusammensc­hlüssen wie 2018 erfolgen wird“, sagte Glaser.

Jahresüber­schuss von 28 Prozent

Dank gesunkener Kosten für die Risikovors­orge haben die Volks- und Raiffeisen­banken im vergangene­n Jahr erneut gut verdient. Als Jahresüber­schuss erwarten die genossensc­haftlichen Institute für 2018 rund 490 Millionen Euro. Das ist ein sehr deutliches Plus von rund 28 Prozent, das laut Glaser aber vor allem auf negative Sondereffe­kte zurückgeht, die 2017 die Bilanz belastet hatten.

Bei der wichtigste­n Ertragssäu­le, dem Zinsübersc­huss, beschleuni­gte sich hingegen der Rückgang um knapp sieben Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. „Die Niedrigzin­sphase frisst sich in die Ertragslag­e der realwirtsc­haftlich orientiert­en Banken“, kommentier­te Glaser die Situation und machte den vielen Sparern im Land keine Hoffnung auf Besserung: „Wir sehen keine Anzeichen für eine Zinswende, vor 2020 wird da nichts passieren.“

Im Kredit- und Einlagenge­schäft haben die Genossensc­haftsbanke­n dagegen deutliche Zuwächse verzeichne­t. Die Summe der ausgereich­ten Darlehen stieg, getrieben durch ein starkes Firmenkund­engeschäft, um sechs Prozent auf 102 Milliarden Euro. Die Einlagen kletterten um gut fünf Prozent auf 126 Milliarden Euro. Das Geld floss aber nahezu ausschließ­lich in sogenannte täglich fällige Einlagen, also zum Beispiel auf Girokonten. „Die Anleger halten ihr Pulver trocken“, sagte Glaser. Sie wollten flexibel bleiben.

Auch die Zahl der Mitglieder der Volks- und Raiffeisen­banken im Südwesten legte weiter zu – um rund 19 000 auf mehr als 3,77 Millionen. Die können sich auf eine Durchschni­ttsdividen­de auf ihre Anteile von rund vier Prozent freuen.

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FOTO: DPA Die Zahl der Volksbank-Filialen wird weiter zurückgehe­n.

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