Smartphone verdrängt Geldautomat und Filiale
Auch die Genossenschaftsbanken prüfen Einführung von Apple Pay – Starkes Kredit- und Einlagengeschäft 2018
STUTTGART - Die flächendeckende Bargeldversorgung über Geldautomaten wird in den kommenden Jahren immer größere Lücken bekommen. Das prognostizierte der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes (BWGV), Roman Glaser, am Dienstag in Stuttgart. „Rund um den Zahlungsverkehr ist durch neue Technologien und neue Anbieter extrem viel Bewegung“, sagte Glaser und verwies auf erste Beispiele im Südwesten, wo Geldautomaten mangels Nutzung bereits abgebaut wurden.
Damit neigt sich der jahrzehntelange Siegeszug einer Maschine dem Ende, die derzeit aus dem Alltag vieler Menschen noch nicht wegzudenken ist. Der erste deutsche Geldautomat ging 1968 in Tübingen in Betrieb. Doch inzwischen sind viele dieser Maschinen den Banken und Sparkassen schlicht zu teuer. Bis zu 25 000 Euro kostet der Unterhalt eines Automaten im Jahr.
Die Automaten verlieren an Bedeutung, weil immer mehr Einkäufe bargeldlos etwa via Smartphone abgewickelt werden und weil immer mehr Geschäfte das Geldabheben an der Ladenkasse anbieten. „Das Zahlungsverhalten ändert sich“, so Glaser – und die Volks- und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg wollen sich darauf einstellen. Bargeld spiele zwar nach wie vor die dominante Rolle im Zahlungsverkehr, doch die neuen bargeldlosen Zahlungsfunktionen böten ein hohes Maß an Komfort. Deshalb wolle man es dem Kunden überlassen, welche Zahlungsmittel sie nutzen möchten, sagte der BWGV-Präsident.
Übersetzt heißt das: auf allen Kanälen des Zahlungsverkehrs mitzuspielen. Deshalb prüfe man derzeit auch die Einführung von Apple Pay neben der eigenen Bezahl-App für Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken. „Wir sind in Gesprächen mit Apple, eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen“, sagte Glaser. Der iPhone-Bezahldienst Apple Pay war Ende 2018 in Deutschland gestartet. Benutzer können im Laden mit dem iPhone oder der Apple Watch wie mit einer Kreditkarte bezahlen. Dazu hält man das Gerät ans Terminal. Die Kassentechnik muss dafür kontaktloses Bezahlen unterstützen. Dies ist mittlerweile in fast allen Supermärkten in Deutschland der Fall. Am Montag hatten die Sparkassen bestätigt, ebenfalls die Einführung von Apple Pay zu prüfen.
Das sich ändernde Zahlungs- und Kundenverhalten wird sich laut Glaser auch weiterhin in der Filialpolitik niederschlagen: So gab es Ende 2018 in Baden-Württemberg noch 2612 Bankstellen, vom Geldautomaten bis zur bemannten Filiale – 88 weniger als ein Jahr zuvor. Auch die Zahl der eigenständigen Volks- und Raiffeisenbanken im Südwesten war weiter rückläufig: Nach neun Fusionen im Laufe des vergangenen Jahres zählte der Genossenschaftsverband per Ende 2018 noch 171 Institute. „Wir gehen davon aus, das auch im laufenden Jahr eine ähnlich hohe Zahl von Zusammenschlüssen wie 2018 erfolgen wird“, sagte Glaser.
Jahresüberschuss von 28 Prozent
Dank gesunkener Kosten für die Risikovorsorge haben die Volks- und Raiffeisenbanken im vergangenen Jahr erneut gut verdient. Als Jahresüberschuss erwarten die genossenschaftlichen Institute für 2018 rund 490 Millionen Euro. Das ist ein sehr deutliches Plus von rund 28 Prozent, das laut Glaser aber vor allem auf negative Sondereffekte zurückgeht, die 2017 die Bilanz belastet hatten.
Bei der wichtigsten Ertragssäule, dem Zinsüberschuss, beschleunigte sich hingegen der Rückgang um knapp sieben Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. „Die Niedrigzinsphase frisst sich in die Ertragslage der realwirtschaftlich orientierten Banken“, kommentierte Glaser die Situation und machte den vielen Sparern im Land keine Hoffnung auf Besserung: „Wir sehen keine Anzeichen für eine Zinswende, vor 2020 wird da nichts passieren.“
Im Kredit- und Einlagengeschäft haben die Genossenschaftsbanken dagegen deutliche Zuwächse verzeichnet. Die Summe der ausgereichten Darlehen stieg, getrieben durch ein starkes Firmenkundengeschäft, um sechs Prozent auf 102 Milliarden Euro. Die Einlagen kletterten um gut fünf Prozent auf 126 Milliarden Euro. Das Geld floss aber nahezu ausschließlich in sogenannte täglich fällige Einlagen, also zum Beispiel auf Girokonten. „Die Anleger halten ihr Pulver trocken“, sagte Glaser. Sie wollten flexibel bleiben.
Auch die Zahl der Mitglieder der Volks- und Raiffeisenbanken im Südwesten legte weiter zu – um rund 19 000 auf mehr als 3,77 Millionen. Die können sich auf eine Durchschnittsdividende auf ihre Anteile von rund vier Prozent freuen.