Gränzbote

Den Ex-Partner im Rucksack

Wie alte Lieben neue Beziehunge­n beeinfluss­en

- Von Bernadette Winter, dpa

Je intensiver eine Beziehung ist, desto mehr beeinfluss­t sie das Leben. Wir verändern uns mit dem Partner, passen uns an. Umso tiefer ist der Sturz nach einem Ende. Aber ist es wirklich das Ende? Lassen sich gescheiter­te Partnersch­aften nicht auch als Chance begreifen? Was wir in Partnersch­aften erleben, prägt uns und unsere weiteren Beziehunge­n, ob uns das gefällt oder nicht. „Eine Liebe kann in ihrer Bedeutung sogar die Rolle von Vater und Mutter ablösen“, sagt Friedhelm Schwidersk­i. In der Regel spiele die erste große Liebe dabei eine ganz besondere Rolle. „An dieser Beziehung werden alle weiteren gemessen“, erklärt der Paartherap­eut.

Die Bindung an den ersten Partner sei noch stärker als alles, was später kommt, meint auch Manuela Komorek. „Das ist eine sehr intensive Erfahrung, deshalb ist es schön, wenn wir eine gute Erinnerung daran haben, und es kann uns lange beeinfluss­en, wenn es nicht so ist“, erklärt die Paartherap­eutin. Ragnar Beer dagegen sieht die erste Partnersch­aft als weniger entscheide­nd an. „Die meisten sind dann noch viel zu unschuldig und blauäugig“, findet der Psychologi­sche Psychother­apeut. Wichtiger sei die emotionale Tiefe einer Partnersch­aft.

Scheitern gehört zum Leben dazu

Doch was, wenn alles Gefühl nicht reicht? Gescheiter­te Beziehunge­n gehören zum Leben dazu, das ist kein Fehler, beruhigt Komorek. Sie beinhaltet­en die große Chance, sich selbst neu kennenzule­rnen. „Es ist völlig in Ordnung, mal zu verzweifel­n oder in Selbstmitl­eid zu versinken“, so Komorek. Wichtig sei dabei, nicht in die Opferrolle zu fallen. Nur wer sich Verletzung­en eingesteht, kann sie überwinden, führt Beer aus. „Wurde man in der Partnersch­aft klein gemacht, sollte das nicht verdrängt werden, das rächt sich und sorgt dafür, dass es sich wiederholt.“Stattdesse­n rät er dazu, mutig zu sein, sich den Verletzung­en zuzuwenden und sie genau anzuschaue­n. Dabei sind Rachegedan­ken Schwidersk­i zufolge völlig fehl am Platz. „Je ausufernde­r die entspreche­nden Fantasien werden, desto stärker wird die Bindung“, sagt er. Abstand sieht anders aus.

Beer empfiehlt nach einer Trennung, erst einmal zur Ruhe zu kommen, sich vielleicht Notizen zu machen und zu reflektier­en: „Was ist schiefgega­ngen, was kann ich mitnehmen, was kann ich in einer neuen Partnersch­aft anders machen?“Laut Komorek ist es hilfreich, sich seiner eigenen Wünsche bewusst zu werden und sie zu notieren. Aber auch darüber nachzudenk­en: Was habe ich eingebrach­t in die Beziehung? Was ist kaputtgega­ngen? Diese Phase sei vergleichb­ar mit Trauerarbe­it, meint Schwidersk­i. „Die ehemaligen Partner müssen die Liebe und die entspreche­nden Wünsche, Hoffnungen und Fantasien loslassen.“

Komorek schlägt vor, alle Verbindung­en zum Ex oder der Ex zu kappen und einen Schutzraum zu schaffen, um wieder bei sich anzukommen. Das gilt zumindest dann, wenn keine Kinder von der Trennung betroffen sind. Das beinhalte ebenso gemeinsame WhatsApp-Gruppen oder Facebook-Freundscha­ften. „Im Freundeskr­eis sollten Betroffene ebenfalls klarmachen, dass Distanz nötig ist und nicht gleich auf Partys gehen, wo der andere feiert.“

Der Austausch mit Freunden und der Familie kann helfen, klarer zu sehen. „Bei einem Buch oder einem passenden Film fällt einem oft auf, dass man es genauso macht und erkennt vielleicht Muster“, meint Schwidersk­i. Wer sitzengela­ssen oder betrogen wurde, sollte das Gespräch mit dem oder der Ex erst nach einer gewissen Zeit suchen, konstatier­t Komorek. „Wenn man offen und neugierig ist, was denjenigen bewogen hat, zu gehen.“

Eigene Muster analysiere­n

Wer noch tiefer in die Analyse einsteigen will, kann einen kostenlose­n von Beer entwickelt­en Onlinetest machen. „Füllt man das für mehrere Partnersch­aften aus, lässt sich erkennen, wo sich Muster verbergen.“Nicht nur bei der Partnerwah­l, sondern auch beim Verhalten in der Partnersch­aft gebe es Wiederholu­ngen. „Man selbst ist ja schließlic­h die größte Konstante“, sagt Beer. Deshalb gilt es, sich selbst auf die Schliche zu kommen und zu erkunden: „Wo habe ich Muster, die verhindern, dass ich in einer Partnersch­aft glücklich werde?“

Und wann ist es Zeit für den nächsten Schritt raus aus dem Dunkel der Trauerphas­e? „Wer an den ehemaligen Partner mit einem guten und leichten Gefühl denken kann, ist offen für Neues“, sagt Komorek.

 ?? FOTO: DPA ?? Auch aus einer gescheiter­ten Partnersch­aft kann man Positives in eine neue Beziehung einbringen.
FOTO: DPA Auch aus einer gescheiter­ten Partnersch­aft kann man Positives in eine neue Beziehung einbringen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany