Gränzbote

Gerade mal drei Quadratmet­er für den Schlaf

Ausstellun­g startet an DHBW in VS-Schwenning­en – Studenten und Öffentlich­keit als Zielgruppe

- Von Fabian Riesterer

VS-SCHWENNING­EN (sbo) - Die Wanderauss­tellung „Verwahrlos­t und gefährdet“des Landesarch­ivs Baden-Württember­g ist seit Montag im DHBW-Gebäude der Fachschaft Sozialwese­n in der Schramberg­er Straße in VS-Schwenning­en zu sehen. Sie bietet einen Einblick in den Alltag von Kinderheim­en zwischen 1949 und 1975.

Wie so oft, wenn ein Dozent die Studenten zur Diskussion im Plenum aufruft, herrscht Stille. Andreas Polutta, Leiter des Studiengan­gs „Soziale Arbeit – Jugend-, Familien- und Sozialhilf­e“an der DHBW VS, wartet trotzdem geduldig, bis sich jemand meldet. Seine Frage: Welcher Teil der neuen Ausstellun­g bei den Anwesenden auf dem Weg in den Vortragssa­al bereits für einen bleibenden Eindruck gesorgt hatte. Schließlic­h meldet sich eine junge Frau. Bei ihr seien es die grau auf dem Boden abgeklebte­n drei Quadratmet­er gewesen, welche 1965 jedem Kind ab sechs Jahren als Schlafraum in Kinderheim­en zur Verfügung standen. Die meisten der jungen Menschen nicken zustimmend.

Die Bilder, Pläne, Aktenauszü­ge, und Zeitzeugen­berichte erzeugen einen beklemmend­en Einblick in die Perspektiv­e der etwa 800 000 Menschen, die in den 1950er-, 60-er-, und 70er-Jahren in Heimen aufgewachs­en sind. Aussagen wie „Ich kann bis heute nicht mit geschlosse­ner Türe schlafen“oder „Wir wussten nur die Vornamen der anderen Mädchen. Und die Nummer. Wir hatten alle eine Nummer“reichern die Infos zu den Themenbere­ichen an. Einer davon ist „Schule und Ausbildung“. Dazu berichtete Matthias Ries, der das Kinder- und Familienze­ntrum VS der Stiftung St. Franziskus Heiligenbr­onn leitet, von den meist bürokratis­chen Hürden, die bis heute genommen werden müssen, falls ein Heimkind einen höheren Abschluss als die Mittlere Reife anstrebt.

Dieser Vergleich zwischen damals und heute – und dass die Ausstellun­g seinen Studenten die Möglichkei­t bietet, zu reflektier­en, in welchen Bereichen ihrer Arbeit und Ausbildung vielleicht auch heute noch Besserungs­bedarf herrscht, ist laut Polutta der Grund, weshalb die Ausstellun­g ihren Weg nach VSSchwenni­ngen gefunden hat. Konzipiert wurde sie für die Öffentlich­keit, betont er. Und hinsichtli­ch der jüngsten Aufarbeitu­ngszusagen der Kirche bei früheren Missbrauch­sfällen, ergänzt Ries, sei das Thema derzeit aktueller den je.

Die Ausstellun­g „Verwahrlos­t und gefährdet“ist bis zum 30. April im Foyer des DHBW-Gebäudes in der Schramberg­er Straße 26 zu sehen. Am 13. März sowie 8. April finden Campus-Veranstalt­ungen statt.

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