Bequem mit Schattenseiten
Heizen mit Fernwärme kommt zwar ohne Kessel und Technikraum aus – Aber nicht immer ist es effizient und umweltfreundlich
FRANKFURT/BERLIN (dpa) - Fernwärme ist eine Möglichkeit, vor allem Mehrfamilienhäuser und einzelne Wohngebiete mit Energie zu versorgen. Die Technologie ist nicht neu. Schon vor über 100 Jahren bekamen Hamburg und Dresden die ersten Netze. Heute ist die Heizart in jeder größeren Stadt im Angebot. Sie gilt eigentlich als effiziente Energieversorgung und Technologie für die Zukunft, aber sie hat auch Kritiker. Ein Überblick:
Was ist Fernwärme?
„Fernwärme entsteht zu rund 85 Prozent in hochmodernen Kraftwerken gewissermaßen als Zusatzprodukt bei der Stromerzeugung in Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung“, erklärt Werner Lutsch, Geschäftsführer des Energieeffizienzverbandes für Wärme, Kälte und KWK (AGFW) in Frankfurt. Das ist zum Beispiel bei der Verbrennung von konventionellen Brennstoffen wie Kohle, Gas, Öl oder Biomasse der Fall. Aber auch aus Solarthermie oder Geothermie entsteht Wärme, die in ein Fernwärmesystem eingespeist und dann an Industrie, Gewerbe und eben auch private Haushalte weitergeleitet wird. Der Vorteil für private Hausbesitzer: Sie bekommen ihre Wärme aus einem Anschluss, brauchen keinen Technikraum mit Heizkessel und sonstigem technischen Equipment.
Wie umweltfreundlich ist Fernwärme?
Fernwärme wird nicht immer in effektiven KWK-Anlagen erzeugt. Wenn sie etwa aus einfachen Heizwerken stammt, ist sie weniger effizient und umweltfreundlich. „Wie sauber und effektiv Fernwärme am Ende ist, hängt auch immer stark vom Brennstoff ab“, sagt Stefan Materne vom Team Energieberatung beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Und: Eine höhere Effizienz bei der Wärmeerzeugung kann durch erhöhte Verteilungsverluste wieder zunichtegemacht werden.
Kann jeder Fernwärme bekommen?
Dafür muss ein Leitungsnetz vorhanden sein. Je mehr Wohneinheiten in einem Gebiet angeschlossen sind, umso wirtschaftlicher lässt sich das Netz betreiben. „In manchen Gemeinden gibt es sogar einen Anschlussund Benutzungszwang von Fernwärme“, sagt Materne. „Damit ist der Kunde dauerhaft an den örtlichen Fernwärmeversorger gebunden und kann nicht zu einer anderen Heiztechnik wechseln. Das sollten Hauskäufer beachten und sich über die Fernwärmepreise vorab erkundi- gen“, erklärt er. „Fernwärmeversorgungsgebiete werden in der Regel unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten festgelegt“, erklärt Lutsch. In Deutschland wird sie vor allem in größeren und mittleren Städten angeboten, auf dem Land weniger.
Wo liegen Nachteile für den Verbraucher?
Beim Anschluss- und Benutzungszwang von Fernwärme können dem Verbraucher erstmal hohe Kosten für die Infrastruktur entstehen, und er darf kein anderes Heizsystem einbauen. Außerdem: „Er ist selbst bei anfangs günstigen Vertragskonditionen möglichen Preiserhöhungen wahllos ausgeliefert, auch innerhalb der vereinbarten Vertragslaufzeit“, sagt Verbraucherschützer Materne.
Wie teuer ist die Fernwärme?
„Aus Vollkostensicht ist Fernwärme das günstigste und sauberste Heizsystem, das aktuell auf dem Markt ist“, sagt Branchensprecher Lutsch. Der AGFW legt die Vollkosten der verschiedenen Brennstoffheizungen zugrunde. Hier liege die Fernwärme auf dem Niveau der Pellet- und Gasheizung und hinter der ölbasierten Heizung, die zudem hohen Preisschwankungen ausgesetzt ist. „Das Preissystem aus Grund- und Arbeitsleistung sorgt dafür, dass die Preisentwicklung bei der Fernwärme wesentlich gedämpfter ausfällt, als es bei den reinen Brennstoffpreisen zu beobachten ist.“
Verbraucherschützer Materne sagt hingegen: „Nach dem Heizspiegel 2018 ist Fernwärme im bundesweiten Durchschnitt teurer als Gas oder Öl.“Aber er schränkt ein, dass das ein Durchschnittswert sei. „Sie kann auch günstiger oder viel teurer sein.“Die Preisgestaltung für Verbraucher sei wenig transparent. Zwar kalkuliere der Großteil der Entsorger fair. „Es gibt aber Ausreißer nach oben, dann wird die Wärmeversorgung für den Kunden sehr teuer“, erklärt er.
„Die Kriterien für die Veränderung der Preise unterliegen engen gesetzlichen Regelungen und sind in der Allgemeinen Versorgungsordnung (AVBFernwärmeV) abgebildet“, erklärt Lutsch. „Sie sind in der Regel mit dem Kunden als Preisanpassungsklauseln vertraglich vereinbart. Über deren rechtmäßige Gestaltung wacht die Rechtsprechung mit strengem Blick.“
Hat Fernwärme Zukunft?
„Es ist ein relativ starres System, das flexibilisiert werden muss, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden“, meint Anne Köhler vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft in Berlin. Die Energiewende, bei der die Stromerzeugung zunehmend durch volatile Wind- und Sonnenenergie erfolgt, benötigt flexible KWK-Anlagen, die sich nach der Stromerzeugung richten.
Noch ist der Anteil an erneuerbaren Energien bei der Fernwärme gering. „Es gibt schon Ansätze, durch die Einbindung von nachwachsenden Brennstoffen beziehungsweise Biomasse und Solarthermie in der Fernwärmeerzeugung den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu senken“, erklärt Köhler. „Jedoch wird dies absehbar nicht ausreichen, die Fernwärme auf eine erneuerbare Basis zu stellen.“
Problematisch sei auch die Tatsache, dass das Fernwärmesystem nur dann effizient arbeitet, wenn es auf eine bestimmte zu erzeugende Wärmemenge ausgerichtet ist. Ändern sich relevante Faktoren in diesem System, etwa wenn viele Gebäude energetisch saniert werden und danach weniger Energie verbrauchen, entsteht ein Überschuss. „Welche Zukunft die Fernwärme hat, wird davon abhängen, ob sie CO2-frei erzeugt werden kann und in einem effizienten Gesamtsystem funktioniert“, lautet Köhlers Fazit.