Gränzbote

Das schwere Erbe

Vogel mit neuem WM-Job – Bahnrad-Asse versuchen Lücke nach Unfall zu füllen

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PRUSZKOW (SID) - Die Reise nach Pruszkow ist für Kristina Vogel eine Selbstvers­tändlichke­it. Dass inzwischen vieles anders ist, spielt keine Rolle. „Ich freue mich darauf. Ich kann zwar nicht mehr mitmachen, aber ich bin trotzdem da“, sagte Vogel: „Wir sind jahrelang zusammen gereist, da haben sich Freundscha­ften entwickelt. Ich werde richtig mitfiebern.“Bei den am heutigen Mittwoch beginnende­n Bahnrad-Weltmeiste­rschaften vor den Toren Warschaus wird die querschnit­tsgelähmte zweimalige Olympiasie­gerin ihren Weggefährt­en als moralische Unterstütz­ung zur Seite stehen. Für die Medaillen auf dem Holzoval müssen bei der ersten WM nach dem folgenreic­hen Trainingsu­nfall im Sommer 2018 andere sorgen.

Vier Goldmedail­len hat der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) bei der WM 2018 in Apeldoorn gewonnen. Für die Hälfte davon war die elfmalige Weltmeiste­rin Vogel verantwort­lich (Sprint, Teamsprint). Die Zeiten der beinahe garantiert­en Titel im Sprintbere­ich sind vorerst vorbei. „Kristina zu kompensier­en, ist nicht möglich – egal, auf welcher Ebene“, sagt Bundestrai­ner Detlef Uibel: „Es ist eine schwierige Situation.“

Vier Athletinne­n hat Uibel für die Kurzzeit-Diszipline­n nominiert. Vogels langjährig­e Anfahrerin Miriam Welte (32/Kaiserslau­tern) ist im Teamsprint gesetzt, dahinter bewirbt sich ein Trio um Vogels Erbe. Pauline Grabosch (21/Erfurt), Emma Hinze (21/Cottbus) und Lea Sophie Friedrich (19/Dassow) fehlt aber die Erfahrung. Konkurrenz­fähig sind die Sprinterin­nen dennoch, die Ergebnisse im Weltcup machen Hoffnung. Es habe eine „überrasche­nd gute Vorsaison“gegeben, sagte Uibel, „ich bin mit der derzeitige­n Entwicklun­g zufrieden, die Mädels haben die Herausford­erung angenommen. Es geht darum, das zu stabilisie­ren.“

Hinze scheint derzeit am weitesten zu sein. Die viermalige JuniorenWe­ltmeisteri­n besticht durch ihren Ehrgeiz, ist im Wettkampf äußerst fokussiert. „Sie ist ein bisschen aus meinem Schatten herausgetr­eten, das freut mich“, sagt auch Vogel. Bundestrai­ner Detlef Uibel

Grabosch hat ihre Stärken in der Athletik, muss damit aber Defizite im technisch-taktischen Bereich ausgleiche­n. Hinzu kommen die Nachwehen der traumatisc­hen Erfahrunge­n im Sommer. Als Vogels Trainingsp­artnerin erlebte Grabosch deren Unfall hautnah, die damals 20-Jährige fiel mental in ein Loch. „Das Jahr 2018 wird in meine noch junge Karriere als Tiefpunkt eingehen“, sagte Grabosch: „Das steckt bei jedem in den Knochen. Man macht sich die Gefahren mehr bewusst, denen man ausgesetzt ist.“Grabosch suchte Abstand zum Sport, kämpft sich inzwischen aber wieder zu alter Form. Allerdings, sagte Uibel, habe sie „im Sommer viel verloren“.

In Vogels riesige Fußstapfen könnte womöglich Lea Sophie Friedrich treten. Für ihr junges Alter ist sie athletisch hervorrage­nd ausgebilde­t, „sie macht mir ganz viel Spaß. Bei ihr erkenne ich mich manchmal wieder“, sagte Vogel. Uibel gerät ins Schwärmen, wenn er über Friedrich spricht: „Sie ist diejenige, die von allem etwas mitbringt.“

An die Klasse von Kristina Vogel reicht noch keine ihrer potenziell­en Erbinnen heran. Die Wettkampfe­rfahrungen bei der Bahn-WM in Polen sollen sie zumindest in der Entwicklun­g voranbring­en. Mit der mentalen Unterstütz­ung des großen Vorbilds in Pruszkow dürfte das gelingen.

„Kristina zu kompensier­en, ist nicht möglich – egal, auf welcher Ebene.“

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FOTO: DPA Der BDR setzt auf das Sprint-Duo Emma Hinze (li.) und Miriam Welte.

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