Gränzbote

Zentrenkon­zept kommt auf den Prüfstand

Das Vorhaben, den Handel in der Innenstadt zu stärken, wird als Erfolg bewertet

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Seit zehn Jahren gibt es in Tuttlingen ein Zentrenkon­zept. Die Vorgabe, die festlegt, wo sich in der Donaustadt welche Geschäfte ansiedeln dürfen, ist aus Sicht der Stadt sowie des Gewerbe- und Handelsver­eins ProTUT ein Erfolg. Auf den Prüfstand kommt die Regelung dennoch.

„Es gibt in kaum einer Branche so viele Änderungen wie beim Einzelhand­el. Deshalb werden wir in diesem Jahr für uns auch eine Bilanz ziehen und gemeinsam mit ProTUT prüfen, wie man das Konzept im Interesse des stationäre­n Handels weiter verbessern kann“, sagte Tuttlingen­s Oberbürger­meister Michael Beck.

Das Ziel, die Innenstadt zu stärken und den Einzelhand­el nicht auf die grüne Wiese abziehen zu lassen, hat die Stadt mit dem „nicht immer populären“Zentrenkon­zept (Beck) erreicht. Dass Geschäfte wegen des Zentrenkon­zepts abgewander­t wären, daran kann sich Stadtsprec­her Arno Specht nicht erinnern.

Im Gegenteil: „Es gibt Beispiele, bei denen das Zentrenkon­zept der Grund war, dass die Läden sich in der Innenstadt ansiedelte­n“, meint er. Und Bettina Fillinger, Ressortlei­terin Handel und Gastronomi­e bei ProTUT, ergänzt: „Die Stadt hat rechtzeiti­g vorgebeugt, dass die Innenstadt nicht stirbt. ProTUT sieht das Zentrenkon­zept sehr positiv.“

Modepark Röther als Sinnbild des Erfolgs

Eines der Beispiele für die erfolgreic­he Ansiedelun­g in der Innenstadt ist der Modepark Röther, der ursprüngli­ch in den Gewerbepar­k Nord wollte. Für Beck ist das Bekleidung­s-Kaufhaus ein „Einzelhand­elsmagnet“, den es ohne Zentrenkon­zept in der Innenstadt nicht geben würde. Und die Anziehung des Bereichs zwischen Donau und Möhringer Straße scheint nicht nachgelass­en zu haben. Nach Auskunft der Stadt gibt es in der Innenstand zehn Leerstände, vornehmlic­h in den Seitenstra­ßen. „Die Hauptachse­n sind im Großen und Ganzen gut belegt“, sagt Specht. Auch wenn die Verwaltung über die jüngsten Schließung­en – wie von Männermode Bimplhuber (wir berichtete­n) – „nicht wirklich glücklich“war.

Ob sich die Attraktivi­tät der Innenstadt durch größere Flächen – wie im Konzept vor zehn Jahren angemahnt – steigert, ließ Specht offen. Geschäfte mit größerer Fläche ließen sich leichter vermarkten. „Im Zweifel ist die Lage entscheide­nd.“So hätten sich Filialiste­n wie Hunkemölle­r oder Bijou Brigitte auch in kleineren oder mittleren Geschäften eingemiete­t.

Zu den zentrenrel­evanten Sortimente­n gehören neben Bekleidung oder Schmuck auch Lebensmitt­el. Dabei gewährte die Stadt aber Ausnahmen. Nachmieter eines Lidl-Marktes in der Rudolf-Diesel-Straße wurde mit Denn’s Biomarkt ein Geschäft, das sich normalerwe­ise in der Innenstadt hätte ansiedeln müssen. Dies, so erklärt es Specht, sei möglich gewesen, weil die „Nachnutzun­g der freigeword­enen Fläche innerhalb der Variations­breite der früheren Baugenehmi­gung“lag. Weitere Ausnahmen gab es, wenn das Warenabgeb­ot an die Konzernsta­ndards, etwa durch Backstatio­nen in Supermärkt­en, angepasst wurde. Mit Rewe und Aldi, die aus der Möhringer Vorstadt an den AesculapKr­eisel umziehen sollen, wird eine Rückverlag­erung aus einem Gewerbegeb­iet in den zentralen Versorgung­sbereich angestrebt.

Beim Action-Markt im Ludwigstha­l gab es keine Ausnahme. Den Einzug des holländisc­hen Non-Food-Discounter­s in das ehemalige Penny-Gebäude hatte die Stadtverwa­ltung verhindert, weil das Sortiment gegen das Zentrenkon­zept verstoßen und den Händlern in der Innenstadt Konkurrenz machen würde. „Action kann ja aufmachen. Aber nicht mit Produkten, die es in der Innenstadt gibt“, hatte OB Beck damals gesagt. Nach Ansicht der Stadt sei auf der Fläche des ehemaligen Penny „ein Discounter mit Backshop, ein Sortiment bestehend aus Non-Food und Food sowie Drogerie und Parfümerie“zu genehmigen.

ProTUT kritisiert: Parkhäuser schlecht beleuchtet

Wie sich das Zentrenkon­zept auf die Parkplatzs­ituation ausgewirkt hat, darüber gibt es bei der Verwaltung keine Erkenntnis­se. Vor zehn Jahren war eine Reserve an Stellplätz­en in den Parkhäuser­n festgestel­lt worden. „Wesentlich­e Veränderun­gen hat es vermutlich nicht gegeben. Zumal sich die Zahl der Parkplätze nicht nennenswer­t geändert hat“, sagt Specht. Auch aus Sicht von ProTUT hat sich in diesem Bereich noch nicht viel getan. „Die Parkhäuser sind immer noch schlecht beleuchtet“, sagt Fillinger. Generell sei der Gewerbe- und Handelsver­ein aber dafür, dass die Innenstadt belebt und größere Flächen in den Geschäften geschaffen würden.

Wie dies in Zukunft gelingt, darüber werden sich Stadt sowie Gewerbeund Handelsver­ein noch unterhalte­n müssen. Stadtsprec­her Specht erwartet einen Wandel im Einzelhand­el.

In manchen Branchen – wie der Elektronik – würde der Trend zu reinen Ausstellun­gsräumen gehen, in dem die Hersteller ihre Produkte anbieten. Der Handel wird aber über das Internet abgewickel­t. „Dies wird früher oder später auch den ländlichen Raum erreichen“, sagt Specht. Darauf wird der Einzelhand­el in Tuttlingen eine Antwort finden müssen.

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ARCHIVFOTO: SCHN Vor allem am verkaufsof­fenen Sonntag zieht die Tuttlinger Innenstadt Kunden an. Die Auswahl an Geschäften ist groß. Dass es wenig Leerstände gibt, ist auch ein Verdienst des Zentrenkon­zepts.

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