Die Wirtshaus-Fasnet entdeckt die Straße
Weil weniger Gaststätten öffnen, behelfen sich die Narren mit Buden und Pavillons
MÜHLHEIM - In der Not frisst der Teufel Fliegen. Doch bevor der Mühlheimer Narr sich derlei einverleibt, hilft er sich in der Not selbst. Weil es immer weniger Wirtshäuser im Städtle gibt, die zur Fasnet das närrische Treiben aufnehmen und die Narren versorgen, organisieren die Mühlheimer Narren kurzerhand Stände, Buden und Pavillons mit Getränken und kleinen Mahlzeiten in Eigenregie. Damit verlagert sich die traditionelle Wirtshaus-Fasnet auf die Straße.
Vor zwei Jahren war die Nachricht, dass der „Sternen“am FasnetMontag nicht mehr zum „Sagt-er“öffnet, für die Mühlheimer Narren eine Hiobsbotschaft. Aber auch eine, die sie jahrelang verdrängt hatten. Denn das Traditions-Wirtshaus hatte zu diesem Zeitpunkt schon seit einem halben Jahrhundert den Betrieb eingestellt und lediglich am Fasnet-Montag für die Narren geöffnet. Als im vergangenen Jahr die Türen des zweiten Traditionshauses – dem „Rössle“– zur Fasnet geschlossen blieben, dürfte es auch dem letzten Hästräger gedämmert haben, dass sich die traditionelle Mühlheimer Wirtshaus-Fasnet im Wandel befindet.
Das „Rössle“ist mittlerweile umgebaut – Wohnungen sind nun dort anstelle der Wirtsstube. Der „Hirschen“hat derweil Betriebsferien, aber „da war in den letzten 20 Jahren zur Fasnet auch nie geöffnet“, sagt Uwe Heßlinger, Zunftmeister der Mühlheimer Narren. Übrig bleiben die Wirtshäuser „Krone“und „Linde“– der Fels in der Brandung für die Mühlheimer Narren, wo es noch ein Bier und etwas zu Beißen gibt.
Spontane und provisorische Lösungen sorgen für Ersatz
„Es geht ein Stück Tradition verloren, da die Mühlheimer Fasnet traditionell eine Wirtshaus-Fasnet ist“, konstatiert Heßlinger. Und fast drohte heuer der nächste Schock, denn das „Stadttor“bleibt nach einem Pächterwechsel und Umbaumaßnahmen zur Fasnet auch zu. Allerdings zeigte sich der neue Pächter höchst interessiert an der „Millemer Fasnet“und unterstützt die Narren mit einem Bierwagen vor dem Stadttor. „Das ’Stadttor’ öffnet offiziell erst eine Woche nach der Fasnet, aber der Pächter wollte unbedingt mitbekommen, was bei uns an der Fasnet abgeht“, ist der Zunftmeister erleichtert über die provisorische Lösung. Mit dem „Stadttor“ist zur Fasnet 2020 dann wieder zu rechnen.
Trotzdem nehmen die Narren ihr Schicksal zur Versorgung der närrischen Schar selbst in die Hand. Unterstützung finden sie dabei bei den Vereinen, die in die Bresche springen. Bereits vor einem Jahr hatte die Narrenzunft reagiert und einen Notfallplan aufgestellt. Statt zu jammern, öffnete sie das Irion-Haus der Zunft nicht nur am Schmotzigen, sondern darüber hinaus auch an den anderen Haupttagen der Fasnet und bewirteten die Narren: von Samstag bis zum Montag.
Die Stadtkapelle versorgt mit der Rathauslaube an der Hauptstraße unter dem Foyer-Vordach des Rathauses die Narren mit Getränken – „quasi als Ersatz für den Sternen“, so Heßlinger. Der Fanfarenzug der Narrenzunft bewirtet ebenfalls vor dem Stadttor ein kleines Festzelt, die „Holzmächerbar“am Schmotzigen sowie am Sonntag und Montag.
Neu dabei ist in diesem Jahr – und dies ebenfalls spontan – eine Abordnung des Skiclubs Mühlheim, die sich durch die große Resonanz auf den eigenen, jüngst veranstalteten Kappenabend bewegt sah, über der „Linde“die Bar „Hochwacht“zur Fasnet aufzuziehen. Am Sonntag und Montag gibt es im Katholischen Gemeindehaus die KKC-Bar sowie am Montag im Foyer der Festhalle den „Zecher“, der für die Narren bereitsteht.
„Wir sind in der großartigen Lage, dass wir in Mühlheim noch vier Wirtshäuser haben. Aber wenn die Narren an der Fasnet keine Einkehr mehr finden, dann hat unsere Fasnet ein Problem. Und wir als Narrenzunft sitzen da nicht am langen Hebel“, sagt Heßlinger.
Zunftmeister Heßlinger: „Die Fasnet ändert sich“
So lange aber versuchen die Mühlheimer Narren, ihre traditionelle Fasnet noch mit Eigeninitiative und kreativen Ideen am Leben zu halten und den Feiernden Anlaufstellen für die gemeinsame Geselligkeit zu bieten. Auch wenn das bedeutet, dass die einstige Wirtshaus-Fasnet aus den Gaststuben auf die Mühlheimer Straße rückt. Aber irgendwohin muss der Narr nun mal, um Durst und Hunger zu stillen. „Die Fasnet ändert sich!“, weiß nicht nur Mühlheims Zunftmeister Heßlinger.
Die Übersicht der Lokale mit den Öffnungszeiten zur Fasnet finden Sie auf der Homepage der Mühlheimer Narrenzunft unter
www.schellennarr.de