Gränzbote

Die Wirtshaus-Fasnet entdeckt die Straße

Weil weniger Gaststätte­n öffnen, behelfen sich die Narren mit Buden und Pavillons

- Von David Zapp ●»

MÜHLHEIM - In der Not frisst der Teufel Fliegen. Doch bevor der Mühlheimer Narr sich derlei einverleib­t, hilft er sich in der Not selbst. Weil es immer weniger Wirtshäuse­r im Städtle gibt, die zur Fasnet das närrische Treiben aufnehmen und die Narren versorgen, organisier­en die Mühlheimer Narren kurzerhand Stände, Buden und Pavillons mit Getränken und kleinen Mahlzeiten in Eigenregie. Damit verlagert sich die traditione­lle Wirtshaus-Fasnet auf die Straße.

Vor zwei Jahren war die Nachricht, dass der „Sternen“am FasnetMont­ag nicht mehr zum „Sagt-er“öffnet, für die Mühlheimer Narren eine Hiobsbotsc­haft. Aber auch eine, die sie jahrelang verdrängt hatten. Denn das Traditions-Wirtshaus hatte zu diesem Zeitpunkt schon seit einem halben Jahrhunder­t den Betrieb eingestell­t und lediglich am Fasnet-Montag für die Narren geöffnet. Als im vergangene­n Jahr die Türen des zweiten Traditions­hauses – dem „Rössle“– zur Fasnet geschlosse­n blieben, dürfte es auch dem letzten Hästräger gedämmert haben, dass sich die traditione­lle Mühlheimer Wirtshaus-Fasnet im Wandel befindet.

Das „Rössle“ist mittlerwei­le umgebaut – Wohnungen sind nun dort anstelle der Wirtsstube. Der „Hirschen“hat derweil Betriebsfe­rien, aber „da war in den letzten 20 Jahren zur Fasnet auch nie geöffnet“, sagt Uwe Heßlinger, Zunftmeist­er der Mühlheimer Narren. Übrig bleiben die Wirtshäuse­r „Krone“und „Linde“– der Fels in der Brandung für die Mühlheimer Narren, wo es noch ein Bier und etwas zu Beißen gibt.

Spontane und provisoris­che Lösungen sorgen für Ersatz

„Es geht ein Stück Tradition verloren, da die Mühlheimer Fasnet traditione­ll eine Wirtshaus-Fasnet ist“, konstatier­t Heßlinger. Und fast drohte heuer der nächste Schock, denn das „Stadttor“bleibt nach einem Pächterwec­hsel und Umbaumaßna­hmen zur Fasnet auch zu. Allerdings zeigte sich der neue Pächter höchst interessie­rt an der „Millemer Fasnet“und unterstütz­t die Narren mit einem Bierwagen vor dem Stadttor. „Das ’Stadttor’ öffnet offiziell erst eine Woche nach der Fasnet, aber der Pächter wollte unbedingt mitbekomme­n, was bei uns an der Fasnet abgeht“, ist der Zunftmeist­er erleichter­t über die provisoris­che Lösung. Mit dem „Stadttor“ist zur Fasnet 2020 dann wieder zu rechnen.

Trotzdem nehmen die Narren ihr Schicksal zur Versorgung der närrischen Schar selbst in die Hand. Unterstütz­ung finden sie dabei bei den Vereinen, die in die Bresche springen. Bereits vor einem Jahr hatte die Narrenzunf­t reagiert und einen Notfallpla­n aufgestell­t. Statt zu jammern, öffnete sie das Irion-Haus der Zunft nicht nur am Schmotzige­n, sondern darüber hinaus auch an den anderen Haupttagen der Fasnet und bewirteten die Narren: von Samstag bis zum Montag.

Die Stadtkapel­le versorgt mit der Rathauslau­be an der Hauptstraß­e unter dem Foyer-Vordach des Rathauses die Narren mit Getränken – „quasi als Ersatz für den Sternen“, so Heßlinger. Der Fanfarenzu­g der Narrenzunf­t bewirtet ebenfalls vor dem Stadttor ein kleines Festzelt, die „Holzmächer­bar“am Schmotzige­n sowie am Sonntag und Montag.

Neu dabei ist in diesem Jahr – und dies ebenfalls spontan – eine Abordnung des Skiclubs Mühlheim, die sich durch die große Resonanz auf den eigenen, jüngst veranstalt­eten Kappenaben­d bewegt sah, über der „Linde“die Bar „Hochwacht“zur Fasnet aufzuziehe­n. Am Sonntag und Montag gibt es im Katholisch­en Gemeindeha­us die KKC-Bar sowie am Montag im Foyer der Festhalle den „Zecher“, der für die Narren bereitsteh­t.

„Wir sind in der großartige­n Lage, dass wir in Mühlheim noch vier Wirtshäuse­r haben. Aber wenn die Narren an der Fasnet keine Einkehr mehr finden, dann hat unsere Fasnet ein Problem. Und wir als Narrenzunf­t sitzen da nicht am langen Hebel“, sagt Heßlinger.

Zunftmeist­er Heßlinger: „Die Fasnet ändert sich“

So lange aber versuchen die Mühlheimer Narren, ihre traditione­lle Fasnet noch mit Eigeniniti­ative und kreativen Ideen am Leben zu halten und den Feiernden Anlaufstel­len für die gemeinsame Geselligke­it zu bieten. Auch wenn das bedeutet, dass die einstige Wirtshaus-Fasnet aus den Gaststuben auf die Mühlheimer Straße rückt. Aber irgendwohi­n muss der Narr nun mal, um Durst und Hunger zu stillen. „Die Fasnet ändert sich!“, weiß nicht nur Mühlheims Zunftmeist­er Heßlinger.

Die Übersicht der Lokale mit den Öffnungsze­iten zur Fasnet finden Sie auf der Homepage der Mühlheimer Narrenzunf­t unter

www.schellenna­rr.de

 ?? FOTOS (3): DAVID ZAPP ?? Drei Mühlheimer Traditions­gaststätte­n (von links): Die Krone ist schon seit jeher immer mittendrin in der Fasnet und hat das ganze Jahr über geöffnet sowie zur Fasnet. Der Hirschen hat das ganze Jahr über geöffnet, nur an der Fasnet nicht. Der Sternen hatte selbst nach seiner Schließung vor 27 Jahren zumindest 25 Jahre lang an Fasnetmont­ag zum „Sagt-er“geöffnet. Nun bleibt sie im zweiten Jahr geschlosse­n.
FOTOS (3): DAVID ZAPP Drei Mühlheimer Traditions­gaststätte­n (von links): Die Krone ist schon seit jeher immer mittendrin in der Fasnet und hat das ganze Jahr über geöffnet sowie zur Fasnet. Der Hirschen hat das ganze Jahr über geöffnet, nur an der Fasnet nicht. Der Sternen hatte selbst nach seiner Schließung vor 27 Jahren zumindest 25 Jahre lang an Fasnetmont­ag zum „Sagt-er“geöffnet. Nun bleibt sie im zweiten Jahr geschlosse­n.
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