Gränzbote

Jahrgang 1969 lässt Blumen blühen

Die 50er helfen mit dem Anlegen einer Wiese heimischen Bienen- und Insektenar­ten

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - „Es ist Zeit. Jetzt.“Das hat sich der Jahrgang 1969 gedacht und sein Projekt – eine heimische Blumenwies­e samt Obstbäumen anlegen – gestartet. Dieser Tage wurde ausgesät, und am Freitag muss zum ersten Mal bewässert werden. Doch Erwartunge­n, in wenigen Monaten würden schon die schönsten Blumen blühen, werden sich nicht erfüllen. Die Natur hat eben ihren eigenen Takt.

Überhaupt ist das Projekt eine Aktion, bei der viele Missverstä­ndnisse umschifft werden müssen. Das erste: Nicht irgend eine Blumenmisc­hung ist geeignet, sondern nur eine, die exakt hier heimisch ist. Und das ist nicht gerade billig. 505 Euro hat die Mischung gekostet, die jetzt einige Jahrgänger auf der vom fetten Gras befreiten und gefrästen Wiese aufgebrach­t haben. Weil das Frühjahr keine ideale Zeit fürs Säen von Wiesen ist – die Gefahr, dass es zu trocken wird, ist groß - musste das Feld abgedeckt werden. Mit Fleece, „ökologisch eigentlich unmöglich“, wie Projektlei­ter Stefan Mattes sagt. Aber immerhin soll es wiederverw­endet werden.

Boden ist zu fett

Das Projekt ist nicht so einfach, wie es sich anhört. Denn der Boden ist zu fett. Artenreich­e Wiesen sind in unserer Gegend mager und das bedeutet, dass die neue Wiese zweimal im Jahr gemäht wird.

Aber zum ersten Mal frühestens nach „Johanni“, also dem 24. Juni, wenn die Blumen und Gräser bereits ausgesamt haben. Danach muss der Schnitt noch etwas liegen, damit die Samen auch abfallen, und dann wird das Gemähte abgeräumt. Am Anfang muss aber noch öfter gemäht werden, damit die gewünschte­n Pflanzen auch hochkommen, sagt Stefan Mattes. Der enge Kreis der Projektgru­ppe – Edmund Jäger, Ivica Jakoubek, Tobias Honer, Ingo Dreher und Stefan Mattes – wollen im Herbst auch ein paar Bäume pflanzen und das Ganze auch über die Jahre pflegen.

Aber warum unbedingt heimische Pflanzen und nicht einfach irgend eine billige Standard-Blumenmisc­hung? Kurz gesagt, weil die für die gefährdete­n Arten praktisch wertlos sind. Viele Bienen- und Insektenar­ten sind nämlich auf ganz bestimmte Pflanzen spezialisi­ert. Keine solche Pflanzen, keine Insekten.

Mattes hat sich viel mit Bauern unterhalte­n, mit Fachleuten im ökologisch­en Landschaft­sbau. Er selbst ist Nachfahre einer Deilinger Landwirtsf­amilie. Dort hat er auch bis 1976 eine glückliche Kindheit an der Seite der Oma und ihrer Landwirtsc­haft erlebt. Von ihr hat er Wiesen geerbt. „Ich bin Besitzer echter Magerwiese­n“, sagt er stolz. Und daher hat er auch Traktor, Fräse, Walze und andere Gerätschaf­ten. Und die Liebe zur heimischen Natur. Aber eigentlich ist er selbststän­diger Schlosser.

Aber warum sind er und ein Kollege barfuß beim Einsäen unterwegs? Ihm sei der Satz Martin Luther Kings – in abgewandel­ter Form – durch den Kopf gegangen: „I have a dream - 50 year old people walking barefoot on a field“, schmunzelt er. „Warum muss alles immer rational sein?“

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REGINA BRAUNGART Der Jahrgang 1969 hat als Jahrgangsp­rojekt eine Blumenwies­e angelegt.
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