„Konzentrationslager nicht zu reinen Touristenzielen verkommen lassen“
Die vor 30 Jahren eingeweihte Skulptur eines KZ-Häftlings steht im Mittelpunkt einer Gedenkfeier
SCHÖRZINGEN (pm) - Die Initiative Gedenkstätte Eckerwald erinnert an die Gräuel der Nazidiktatur in den Außenstellen des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof im Rahmen des „Unternehmens Wüste“in der Region. Der Verein hatte in den Eckerwald geladen und konnte sich laut Pressemitteilung über reges Interesse freuen. So waren alle Sitzplätze belegt, und zahlreiche weitere Zuhörer fanden noch Stehplätze rund um die vor fast genau 30 Jahren eingeweihte Skulptur eines KZ-Häftlings aus der Hand des Rottweiler Malers und Bildhauers Siegfried Haas.
Die Vorsitzende der Initiative, Brigitta Marquart-Schad, begrüßte neben den Stadtoberhäuptern von Rottweil, Dautmergen und Schömberg sowie dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, auch Überlebende der Lager und deren Angehörige aus Frankreich, Luxemburg und Polen. In ihrer Eröffnungsrede betonte sie, dass „unsere Verantwortung die Erinnerung, die Gegenwart und die Zukunft“sind. Sie wies darauf hin, wie wichtig Zeitzeugen für die Erinnerung seien, und darauf, dass diese nach und nach verschwinden.
Als erste Zeitzeugin berichtete Annie Jacques, wie in ihrem Heimatdorf in Frankreich deutsche Truppen der SS mehrfach ins Dorf eingefallen seien, um die Adressen von Mitgliedern des Widerstands zu erpressen. Sie warnte vor dem Wiedererstarken des Ultranationalismus und seinen Folgen. Auf sie folgte der Luxemburger Gaston Raths, der im KZ zur Welt gekommen war. Er warnte vor einer Verharmlosung der Nazizeit und davor, die „Konzentrationslager zu reinen Touristenzielen verkommen zu lassen“. Auch er warnte davor, wie leicht es sei, populistischen Strömungen zu erliegen. Ein Nicht-Erinnern Sonderveröffentlichung würde sich in der Zukunft rächen. Aus Polen angereist war Ursula Kublik-Koperska. Sie war als achtjährige Zeugin des Aufstands in Warschau und musste mit ansehen, wie die Aufständischen in Viehwagen ins KZ Auschwitz deportiert wurden. Sie erinnere sich noch an ihre Verzweiflung, den Hunger, die Kälte und die Sehnsucht nach ihren Eltern.
Auch Frédérique Neau-Dufour, die Direktorin des Centre Européen du Résistant Déporté à NatzweilerStruthof (CERD), schlug den Bogen von der Vergangenheit über die Erinnerung zur Gegenwart. Die Erinnerung sei die Waffe gegen den wiederaufflammenden Antisemitismus und Populismus.
Fünf rote Rosen
Gerhard Lempp, Mitglied des Beirates der Initiative Gedenkstätte Eckerwald, berichtete von der Geschichte der Gedenkstätte und vom Entstehen der Bronzeskulptur aus dem Jahr 1988. Stellvertretend für fünf Häftlinge legten fünf Schülerinnen aus Rottweiler Gymnasien vier symbolische Steine und einen Bund, bestehend aus fünf roten Rosen, vor der Skulptur nieder. Sie zitierten laut Mitteilung jeweils einen Bericht eines ehemaligen KZ-Häftlings.
Brigitta Marquart-Schad und der zweite Vorsitzende des Vereins, Willi Koch, freuten sich, die neu erstellten Dokumentationstafeln enthüllen zu können, die das Werk 10 des Unternehmens Wüste und seine Geschichte plastisch erklären. Mit einem Dank an die Verwaltungen der umliegenden Gemeinden und insbesondere an den städtischen Bauhof Schömberg, der das Gelände ganzjährig pflegt, beendete Willi Koch die Veranstaltung. Musikalisch umrahmt wurde diese durch den Musikverein Zepfenhan unter der Leitung von Thomas Brolde.