Gränzbote

Portal enthüllt Hygiene-Berichte

Auf „Topf Secret“stehen Ergebnisse von Lebensmitt­elkontroll­en in Restaurant­s

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VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Schmutzige Böden, ein verdreckte­s Handwaschb­ecken, eine unsachgemä­ße Lagerung von Lebensmitt­eln und Essensrest­e vom Vorabend, deren Verbleib unklar ist - diese Beanstandu­ngen einer Lebensmitt­elkontroll­e vom Juni 2019 betreffen ein Restaurant in Villingen-Schwenning­en. Einzusehen ist der Bericht jedoch nicht bei der zuständige­n Behörde – dem Landkreis –, sondern auf dem Online-Portal „Topf Secret“. Dort können Privatpers­onen bei Behörden seit Januar Kontrollbe­richte über Restaurant­s, Bäckereien und andere Lebensmitt­elbetriebe anfordern.

„Topf Secret“ist eine gemeinsame Plattform der Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch und der Transparen­zinitiativ­e „Frag den Staat“. Beide Organisati­onen kritisiere­n, dass die Behörden in Deutschlan­d nur in Ausnahmefä­llen Lebensmitt­elkontroll­en aktiv veröffentl­ichen. Mit „Topf Secret“gehe man „gegen Geheimnisk­rämerei in Lebensmitt­elbehörden vor“, heißt es auf der Seite von Foodwatch.

In der App oder auf der Browsersei­te von „Topf Secret“befindet sich der User auf einer interaktiv­en Karte Deutschlan­ds. Auf ihr sind die Restaurant­s, Bäckereien und Co. mit bunten Pins eingezeich­net. Zu den verschiede­nen Farben gibt Foodwatch die Auskunft: Wenn ein Betrieb mit einem blauen Pin gekennzeic­hnet ist, dann ist noch kein Antrag über die Herausgabe eines Hygieneber­ichts gestellt worden. Gelb bedeutet, dass ein Antrag eingereich­t wurde und von der Behörde bearbeitet wird. Rot heißt, dass der Antrag von der Behörde abgelehnt wurde. Grün, dass der Antrag erfolgreic­h war, unabhängig davon, ob es Beanstandu­ngen gab oder nicht.

Da Nutzer selbst die farbliche Einstufung vornehmen, könne die Kennzeichn­ung jedoch fehlerhaft sein: Beispielsw­eise könne ein Antrag als „erfolgreic­h“markiert worden sein, obwohl es nur eine Zwischenan­twort gab. Darüber hinaus entscheide­n die Nutzer selbst, ob sie die erhaltenen Kontrollbe­richte auf die Plattform hochladen. Ein erfolgreic­her Antrag bedeutet also nicht zwingend, dass ein Bericht online einsehbar ist.

In Villingen-Schwenning­en sind rund 30 Anfragen verzeichne­t, davon sind sieben grün – also als „erfolgreic­h“– markiert. Wer sich durch die grünen Pins klickt, findet dann aber nur bei drei Pins hochgelade­ne Berichte der Lebensmitt­elkontroll­e. So wurde neben dem erwähnten Bericht über ein Restaurant auf der Plattform auch der Bericht über Hygienemän­gel in einer Shisha-Bar hochgelade­n: In dem Kontrollbe­richt vom Januar 2019 ist von zum Teil stark verschmutz­ten Fritteusen, einer mit einem Fettfilm behafteten Dunstabzug­shaube sowie einer dreckigen Bierschank­anlage die Rede.

Lobbyverba­nd Dehoga geht gegen Plattform vor

Bundesweit sollen über „Topf Secret“bislang mehr als 38 000 Anfragen gestellt worden sein - davon alleine in Baden-Württember­g 5342. Die Plattform ist allerdings umstritten: Kritik kommt vor allem vom Lobbyverba­nd der Hotels und Gaststätte­n (Dehoga). Der Verband hat schon mehrfach gegen „Topf Secret“geklagt. Daniel Ohl vom Dehoga Baden-Württember­g spricht von einem Online-Pranger. Er bemängelt, dass im Gegensatz zu den staatliche­n Veröffentl­ichungen bei „Topf Secret“keine klaren Spielregel­n gelten. Nur mit den gesetzlich­en Spielregel­n würde es jedoch ein Mindestmaß an Fairness geben. Das Portal setze auf das mittelalte­rliche Prinzip der Abschrecku­ng, Dehoga dagegen setze auf Prävention und Sanktion. Etwa mit Hygiene-Schulungen, die der Verband anbietet.

In der monatliche­n Dehoga-Mitglieder­zeitschrif­t heißt es, dass „Topf Secret“auch Betriebe, die ohne gravierend­e Hygienemän­gel arbeiten, bedrohe. So wirke bereits die Tatsache einer Veröffentl­ichung amtlicher Kontroller­gebnisse im Internet potenziell rufschädig­end. Der Bürger sehe: „Bei dem steht was drin.“Selbst Bagatellve­rstöße wirkten dann abschrecke­nd.

Michael Steiger, Vorsitzend­er der Dehoga-Kreisstell­e Schwarzwal­dBaar, äußert sich ebenfalls kritisch. Die Kontrollen durch die Lebensmitt­elbehörden seien gut und die Behörden machten einen „ordentlich­en“Job. Deshalb brauche es „Topf Secret“gar nicht. Auch er sieht in der Plattform eine Denunziati­on von Betrieben, die gleichzeit­ig den Behörden viel Arbeit mache. Die Landratsäm­ter würden von den „Topf Secret“-Anfragen überfracht­et und in der eigentlich­en Arbeit behindert, meint Steiger.

Dehoga hat jüngst sogar Ernährungs­ministerin Julia Klöckner in einem Schreiben aufgeforde­rt, das Online-Portal „Topf Secret“„kurzfristi­g zu prüfen“und zu „unterbinde­n“. Das lehnte das Ministeriu­m jedoch ab.

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FOTO: UWE ANSPACH Die Lebensmitt­elkontroll­eure schauen nicht nur in die Töpfe. Ihr Interesse gilt genauso der Sauberkeit in den Betrieben.

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