Das Königshaus will Kasse machen
Was sich Ölgigant Saudi Aramco von einem Börsengang in Zeiten der Klimadebatte verspricht
FRANKFURT - Die Dimension sprengt das übliche Vorstellungsvermögen: Drei Milliarden Aktien sollen zu bis zu 8,50 Dollar an Investoren gehen. Damit könnte dem Ölkonzern Saudi Aramco der weltweit bislang größte Börsengang gelingen – mit einem Volumen von möglicherweise über 25 Milliarden Dollar.
Ob das aber wirklich so über die Bühne läuft, wird man erst sehen müssen. Denn Beobachter und potenzielle Anleger sehen viele Fragezeichen. „Das Unternehmen mit den weltgrößten Ölreserven wäre eine lukrative Anlage“, meint etwa Rohstoffanalyst Eugen Weinberg von der Commerzbank – und schränkt in gleichem Atemzug ein: „Wenn man das zum passenden Zeitpunkt und zu einer richtigen Bewertung machen würde. Im Moment aber gibt es zu viele Ungereimtheiten und Fragen“.
Das Timing ist in der Tat nicht unbedingt das Beste, das sich das saudische Königshaus für den Börsengang seines Ölgiganten ausgesucht hat. Denn die Pläne für den Börsengang existieren schon seit mindestens drei Jahren. Seither aber haben die Ölpreise bis heute nachgegeben. Schwerer wiegt aber noch: Seither hat die Klimadiskussion deutlich an Fahrt aufgenommen und fossile Energieträger gelten da nicht mehr als zukunftsfähig. „Ich glaube, die Saudis merken auch, dass das Ende des Ölzeitalters langsam kommt. Und wir sehen mit alternativen Energien, dass das Verbrauchsverhalten sich ändert“, bringt Henrik Leber, Fondsmanager beim Vermögensverwalter Acatis die Lage auf den Punkt. „Jetzt scheint es für den saudischen Staat ein guter Zeitpunkt zu sein, aus Saudi Aramco rauszugehen und Kasse zu machen mit dem, was noch da ist.“
Profitabelstes Unternehmen
Die Geschichte von Saudi Aramco reicht weit zurück. Bereits 1933 schlossen die Amerikaner einen ÖlFördervertrag mit den damaligen Machthabern der Region. Er lief über 60 Jahre und führte dazu, dass die USA die Ölförderung in der Region prägten. Daher auch der Name Aramco: Arabian-American Oil Company. Im Laufe der Jahre aber erkannten die Saudis zunehmend den Wert des schwarzen Goldes unter ihrem Land und konnten bessere Konzessionen aushandeln. 1973 kaufte der saudische Staat ein Viertel des Aramco-Konzerns, nur sieben Jahre später ging das Unternehmen komplett in Staatshand über. Heute ist das Unternehmen das profitabelste der Welt – auch wegen der im letzten Jahrzehnt anziehenden Ölpreise. Lagen die bis 2003 immer unter 40 Dollar
pro Barrel, erreichten die Ölpreise im Jahr 2008 ihren bisherigen Rekord bei knapp 150 Dollar pro Fass.
Zwar weisen die Klimadiskussionen immer stärker in Richtung erneuerbarer Energien, doch hat der Ölverbrauch im letzten Jahrzehnt Jahr für Jahr neue Rekordstände erreicht – bis ins Jahr 2018 hinein. Und der weltweite Verbrauch könnte Experten zufolge wohl mindestens bis 2030 noch weiter steigen.
So gesehen ist es für die Teilprivatisierung des Ölgiganten noch ein guter Zeitpunkt. In der Tat hat die Regierung Saudi Arabiens das Ziel ausgerufen, die Wirtschaft des Landes umzustellen, um sie für das Zeitalter nach den fossilen Energien fit zu machen. Andere Bereiche, die bislang kaum vorhanden sind, sollen Saudi Arabien in Zukunft unabhängiger vom Ölgeschäft machen. Der Börsengang ist ein Teil dieser Vision 2030 und soll das nötige Geld dafür einbringen.
Ursprünglich hatte der Saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman einen Börsenwert von zwei Billionen Dollar anvisiert – dann wären die Einnahmen noch einmal deutlich höher ausgefallen und der Börsengang ganz sicher der größte jemals gewesen. Mit dem Angebot von 8,00 bis 8,50 Dollar pro Aktie käme Saudi Aramco auf einen Wert von 1,6 bis 1,7 Billionen US-Dollar.
Auch das stellt den Wert der bisherigen Börsenkönige Amazon, Apple, Microsoft und Google in den Schatten.
Wettrennen mit Konzern Alibaba
Mit dem nun geringeren Preis der Aktien aber ist der Ausgang des Rennens mit dem bisherigen Rekordhalter, dem chinesischen Internetriesen Alibaba, noch offen. Der hatte es auf einen Börsenerlös von glatten 25 Milliarden Dollar gebracht.
Ob sich für Saudi Aramco genügend Investoren finden, wird sich bis 4. Dezember zeigen – dann nämlich endet die Zeichnungsfrist. Henrik Leber rät von einer Investition in den Ölgiganten jedenfalls eher ab. „Ich werde nicht dabei sein. In Saudi-Arabien ist es nicht einfach seine Rechte durchzusetzen, wenn etwas nicht gut läuft“, gibt er zu bedenken.
So oder so würde sich eine Investition in Saudi Aramco hierzulande eher kompliziert gestalten. Denn mit seinem kleinen Anteil des Unternehmens geht das saudische Königshaus in der Hauptstadt Riad an die Börse, nicht wie zunächst geplant auch an einem internationalen Handelsplatz. Beobachter meinen, dass Saudi Aramco damit testen will, wie das Unternehmen grundsätzlich bei Investoren ankommt, bevor es dann möglicherweise weitere Teile seines Konzerns privatisiert.