Rektoren und Lehrer fehlen
Quereinsteiger und pensionierte Lehrer stopfen die Löcher im Unterricht.
TUTTLINGEN - Wer sich in Tuttlingen derzeit als Pädagoge oder gar Schulleiter verwirklichen möchte, hat so gute Chancen wie selten: Nach wie vor sind diverse Stellen unbesetzt – und eine Verbesserung der Situation ist kaum in Sicht.
Seit mehr als zwei Monaten läuft das aktuelle Schuljahr – und nach wie vor arbeiten die meisten Schulen mit Übergangs- und Notlösungen. Ohne die sogenannten Nicht-Erfüller, wie die vielen Quereinsteiger in der Amtssprache etwas sperrig bezeichnet werden, liefe wenig. Selbiges gilt für die zahlreichen pensionierten Lehrkräfte, die an den Schulen aushelfen.
„Die Situation ist weiterhin sehr angespannt“, sagt Thomas Stingl vom Staatlichen Schulamt Konstanz, der den Landkreis Tuttlingen als „Mangelregion“bezeichnet. „Nicht an allen Schulen kann der Pflichtunterricht gegeben werden“, so Stingl. Umso dankbarer sei man deshalb für die vielen Quereinsteiger. So springen längst pensionierte Lehrer noch mit knapp 80 Jahren im Unterricht ein, Mütter geben Religionsunterricht, Künstler, Musiker, Mitglieder von Sportvereinen oder Erzieher halten Nebenfächer und Betreuungsangebote am Laufen.
In Tuttlingen ist es derzeit unter anderem die Wilhelmschule, an der es besonders knapp zugeht. „Es ist eine angespannte Situation, da kann ich nichts beschönigen“, gibt Stingl zu. So offenbart sich an der Wilhelmschule eine Entwicklung, mit der das Schulamt in den vergangenen Jahren verstärkt zu tun hatte: Viele der nachkommenden Lehrkräfte sind jung und weiblich – und werden nach einiger Zeit Mutter. Was für die einen schön ist, ist für die anderen ein Problem: An der Wilhelmschule sind es gleich drei Lehrerinnen, die in den Mutterschutz treten und Lücken hinterlassen – eine ähnliche Situation wie derzeit übrigens auch an der Konzenbergschule in Wurmlingen.
„Wir sind richtig auf Kante genäht“, sagt Oliver Schröder, Konrektor der Wilhelmschule. Um Lehrerstunden einzusparen, wurden die vierten Klassen zusammengelegt: Statt wie bisher drei gibt es jetzt nur noch zwei Klassen. Auch Förderstunden mussten gestrichen werden, um die Lücken zu füllen, eine Jahrgangsstufe muss auf die dritte Sportstunde verzichten. „Kürzen mussten wir auch im Ganztagesbereich für die Sekundarstufe“, so Schröder. Statt an drei Tagen, sind fast alle Fünft- und Sechstklässler nur an zwei Tagen bis nachmittags in der Schule.
„Es darf niemand krank werden“, sagt auch Ute Scharre-Grüninger, Rektorin der Schrotenschule und kommissarische Leiterin der Grundschule Im Holderstöckle. Wie auch das Schulamt setzt sie große Hoffnungen auf die Ausschreibungen, die nun anlaufen: Neben einer Sonderausschreibung für Grundschulen gibt es zudem die für den ländlichen Raum. Auf diese Weise können sich angehende Lehrkräfte auf eine ausgewählte Stelle bewerben, lange bevor das reguläre Stellen-Verfahren ansteht.
Doch nicht nur an Lehrern mangelt es – nach wie vor unbesetzt sind zudem mehrere Führungspositionen: Weder einen Rektor noch einen Konrektor gibt es seit über einem Jahr an den beiden Grundschulen Im Holderstöckle wie auch an der Schildrainschule. Während an letzterer mittlerweile die dienstälteste Kollegin Gabriele Knittel zur kommissarischen Leiterin bestimmt wurde, hat Schrotenschul-Rektorin Grüninger im zweiten Jahr zusätzlich die kommissarische Leitung im Holderstöckle inne. Für beide Schulen hatte es zwar Bewerbungen gegeben – die jedoch zurückgezogen oder als ungeeignet eingestuft wurden. An der Schildrainschule hatten Eltern im vergangenen Schuljahr gar per Videoclip versucht, einen Schulleiter zu finden.
„Beide Stellen wurde im September erneut ausgeschrieben“, sagt Stingl vom Schulamt. Ebenso ausgeschrieben sind die beiden offenen Konrektor-Stellen an der Johann-Peter-Hebelschule und an der Ludwig-Uhland-Realschule. Eine gute Nachricht gibt es zumindest aus der HermannHesse-Realschule: Ein neuer Schulleiter ist in Sicht. Wie das Schulamt mitteilt, sei das Bewerbungsverfahren fast abgeschlossen, der Name des neuen Rektors könne vielleicht noch vor Jahresende verkündet werden.
sagt Thomas Stingl vom Schulamt über die Situation an der Wilhelmschule.
Derzeit liege die Bewerbung noch beim Regierungspräsidium Freiburg, der Kandidat werde sich möglicherweise im Dezember im Gemeinderat vorstellen.
Für Ute Scharre-Grüninger steht indes fest: Ein drittes Jahr würde sie auf gar keinen Fall mehr zwei Schulen gleichzeitig leiten. Zum Ende des Schuljahres tritt sie in den Ruhestand ein – doch selbst, wenn sie zum Weitermachen überredet werden sollte, würde sie „Nein“sagen. „Es geht so nicht“, findet sie klare Worte. Dadurch, dass der Schulalltag durch viele Quereinsteiger überbrückt werden muss, steige der Arbeitsaufwand für die Schulen enorm. „Wir müssen die Leute ja meist selbst suchen“, sagt sie. Auch um die Verträge kümmert sich die jeweilige Schulleitung. „Für uns entsteht dadurch ein enormer Mehraufwand, den wir sonst nicht hätten.“
Prekär ist die Situation auch an der Albert-Schweitzer-Schule. Das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) arbeitet mit Sonderpädagogen, „doch davon gibt es viel zu wenige“, sagt Rektorin Heike Zwick. „Wir haben tolle Quereinsteiger, doch die muss ich alle selbst suchen.“Von den aktuell 22 Kollegen seien mittlerweile die Hälfte keine ausgebildeten Lehrer mehr.
„Es ist eine angespannte Situation, da kann ich nichts beschönigen“,