Beim Zitieren aufpassen man muss
Im Vorfeld der Wahlen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg am 1. Advent waren Religionsklassen zu einem KreativWettbewerb zum Thema „Meine Kirche. Eine gute Wahl“aufgerufen. Es siegte die Klasse 10 des Gymnasiums Sachsenheim mit einem bunten Plakat. Darauf trägt ein seltsames Wesen mit verknittertem Gesicht und waagrecht abstehenden Eselsohren ein Schild mit den Worten:
Wählen gehen du sollst. Das ist in der Tat recht witzig – für denjenigen, der den Witz versteht. Angespielt wird hier auf den weisen galaktischen Lehrmeister Yoda aus der US-Kultserie der „Star Wars“-Filme, der stets mit veränderter Satzstellung spricht – auf Englisch und auch in deutscher Übersetzung: Viel zu lernen du noch
hast. Oder: Etwas üben du musst.
Rolf Waldvogel
Bei „Star Wars“-Fans hätte das preiswürdige Plakat sogar ohne Bild die gewünschte Wirkung gehabt, allein durch die typische Unregelmäßigkeit beim Satzbau. Für eine offizielle Werbeaktion der Landeskirche wäre es allerdings nichts gewesen. Man stelle sich einmal das Stirnrunzeln älterer und nicht cineastisch vorgebildeter evangelischer Christen vor. Ein ähnliches Beispiel: Auch wenn der Band „Asterix bei den Briten“schon 1966 erschienen ist, so hallen manche nach der englischen Syntax umgebauten Sätze bei den Freunden der Abenteuer rund um die wahnwitzigen Gallier nach. Etwa nach dem Muster: Es war wundervoll zu haben euch hier. War es nicht? Das sorgt unter
Eingeweihten immer noch für nette Erinnerungen. An der großen Mehrheit geht es heute vorbei.
Was daraus folgert, ist eigentlich eine Binsenweisheit: Solche Anspielungen mit ihrem Wiedererkennungseffekt können amüsant sein. Die Sprache hat ihren großen Reiz im bewussten Herstellen von pointierten, intelligenten Bezügen für den kundigen Leser oder Hörer. Aber man muss stets die Zielgruppe im Auge haben. Nichts ist peinlicher, als wenn ein Zitat verpufft, weil es am Adressaten vorbeigeht – und zwar nicht, weil dieser a priori unfähig wäre, es zu verstehen, sondern weil die Voraussetzungen nicht stimmen. Aber apropos Satzstellung: Im Deutschen reicht schon die reguläre Syntax aus, um Effekte zu erzielen. So regte sich der US-Autor Mark Twain immer wieder maßlos über unsere trennbaren Verben auf. Sein aparter
Beispielsatz: Er reiste, als die Koffer fertig waren und nachdem er Mutter und Schwester geküsst und nochmals sein angebetetes, in weißen Musselin gekleidetes, mit einer frischen Rose in den sanften Wellen ihres reichen braunen Haares geschmücktes Gretchen, das mit bebenden Gliedern die Treppe herabgewankt war, um noch einmal sein armes gequältes Haupt an die Brust desjenigen zu legen, den es mehr liebte, als das Leben selber, ans Herz gedrückt hatte, ab. Das Fazit des alten Spötters: Je weiter im Deutschen die beiden Teile des Verbs auseinandergerissen würden, desto zufriedener sei der Urheber eines solchen Verbrechens mit seiner Leistung.
„Die deutsche Sprache“, so befand Mark Twain einmal, „sollte man sanft und ehrfurchtsvoll bei den toten Sprachen einreihen, denn nur Tote haben genug Zeit, um sie lernen.“Um es mit Meister Yoda zu sagen: Witzig er war. Aber arg übertrieben immer er hat.
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