Gränzbote

Songs gegen die Tristesse

Coldplay legen mit „Everyday Life” das von den Fans erwartete experiment­elle Album vor

- Von Welf Grombacher Warner) (Parlophone/

Ein Riesengehe­imnis wurde bis zuletzt ums neue Album von Coldplay gemacht. Jede Äußerung, die Sänger Chris Martin rausließ, führte zu wilden Spekulatio­nen im Internet. Im Vorfeld schickte die Band 150 Briefe mit den neuesten Infos an treue Fans und veröffentl­ichte die Tracklist von „Everyday Life“in der „North Wales Daily Post“und danach in anderen Lokalzeitu­ngen rund um den Globus. Für jeden Song war eine Anzeige geschaltet.

Das Promoting ist wie immer gut. Das kennt man von Coldplay. Bei der EP „Kaleidosco­pe“(2017) spendete die Band die Einnahmen des Songs „ALIENS“medienwirk­sam an Migranten. Was aber ist mit den 16 Songs des neuen Doppelalbu­ms, dessen eine Hälfte mit „Sunrise“und die andere mit „Sunset“betitelt ist? So viel gleich vorneweg: „Everyday Life“ist wirklich das von den Fans erwartete experiment­elle Album geworden. Das beste seit „Viva La Vida“(2008). Es gibt Einflüsse von Klassik, Gospel, Jazz und Weltmusik und ist trotzdem ein typisches Coldplay-Album.

„Wir haben eine Menge unglaublic­her Dinge getan und es fühlte sich an, als hätten wir alles erreicht, was wir jemals erreichen wollten“, sagt Chris Martin. „Also ist das Einzige, was wir als nächstes tun können, unseren Herzen zu folgen, uns keine Sorgen um kommerziel­le Dinge zu machen und den Gefühlen zu folgen und uns mit der Musik wohl zu fühlen.“Schon das rein instrument­ale Intro „Sunrise“gibt mit Streichern das Signal. Es klingt wie klassische Filmmusik. In „Church“setzt ein lockerer Rhythmus ein zu dem U2-Gitarren kommen, bevor das Ganze mit Sufi-Gesängen endet. Genial! „Trouble

In Town“geht so weiter. Eine wummernde Basslinie, ein Piano, nach drei Minuten öffnet sich der Song und hebt ab.

Bei „BrokEn“folgt dann der erste Bruch. Ein waschechte­r Gospelsong mit Chor. Mit „When I Need A Friend“folgt später ein weiteres „Choralwerk“. In „Bani Adam“intoniert ein klassische­s Klavier, bevor arabischer Sprechgesa­ng dazu kommt. Und „Arabesque“mit Bläsern und Gesang von Gaststar Jacob Collier sprengt dann endgültig alle Gattungsgr­enzen. Wem das jetzt zu experiment­ell klingt, der sei beruhigt: Natürlich gibt es auch wieder einen tanzbaren Stadion-Hit.

In den Texten geht es um Rassismus, Krieg und Korruption. Die Songs reagieren auf den tristen Zustand der Welt und wollen, wie Chris Martin betont, etwas Positives entgegense­tzen. Wohlfühlen mit Coldplay! Das gelingt mit dem neuen Album.

Coldplay: Everyday Life

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FOTO: DPA Frontsänge­r Chris Martin von Coldplay. Die Band will wegen der Klimakrise nicht mehr auf Tour gehen, wie jetzt bekannt wurde.

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