Schaurig-schöner Städtetrip
Ein Wochenende in Irlands Hauptstadt Dublin führt zu versteckten Plätzen und grünen Oasen
Über Irland● schreiben heißt, übers Wetter schreiben. Wohl in keinem anderen europäischen Land kann es so schnell von blauem Himmel zu feinstem Sprühregen und wieder zurück wechseln. Auch Dublin-Reisende sollten sich darauf einstellen. Wenn die Sonne scheint: nichts wie raus. Rein kann man immer. Das Angebot an Museen und anderen sehenswerten Orten in der Hauptstadt ist unerschöpflich. Darunter sind auch zahlreiche „hidden places“; also versteckte Plätze abseits der Touristenströme.
Freitag: Zum Auftakt des Städtetrips wunderbar geeignet ist das nagelneue MoLi, das Museum of Literature Ireland. Weil es erst seit Ende September 2019 geöffnet hat, ist es noch ein Geheimtipp. Es liegt in der St. Stephen’s Green Street im Newman House, das einst Heimat des University College war, Irlands größter Universität. James Joyce, Oscar Wilde, William Butler Yeats, Samuel Beckett, Jonathan Swift, George Bernhard Shaw, Bram Stoker, Maureen O’Hara, Kate O’Brien, Cecilia Ahern ... die Liste von Irlands berühmten Schriftstellern ist lang. Ihnen allen ist dieses museale Kleinod gewidmet. Hier kann man das allererste gedruckte Exemplar von Joyces berühmtem Roman „Ulysses“sowie seine Tagebücher betrachten, sich die schönsten Verse vorlesen lassen oder in einem Raum mit leeren Blöcken und Bleistiften selbst zum Schreiben animieren werden.
Verlässt man das MoLi durch den Hinterausgang, findet man sich in einem wunderschönen Garten mit Café wieder. In der Mitte steht noch immer eine uralte Esche, unter deren Blattwerk sich einst schon James Joyce mit seinen Kommilitonen ablichten ließ. Direkt hinter einem weiteren Stahltor liegt Iveagh Gardens, eine weitere Oase der Ruhe inmitten der quirligen Stadt. Der Park wird auch „Dublin’s Secret Garden“, Dublins geheimer Garten, genannt und beherbergt unter anderem ein Labyrinth, einen Wasserfall, einen Rosengarten sowie eine Rasenfläche, unter der – kein Spaß – ein Elefant aus dem Zoo begraben liegt.
Samstag: Wenn das Wetter einigermaßen mitspielt, sollte man sich heute aufmachen zu einem der größten Friedhöfe Europas. Der Glasnevin
Cemetery steht in einer Reihe mit Père Lachaise in Paris, dem Wiener Zentralfriedhof oder HamburgOhlsdorf – allerdings ist er längst nicht so bekannt. Glasnevin ist 1832 von Daniel O’Connell gegründet worden. Bis heute wurden hier 1,5 Millionen Iren aller Konfessionen bestattet – mehr als Dublin Einwohner hat. Diese letzte Ruhestätte im Norden der Stadt ist mehr als ein Beerdigungsort; er gewährt auch tiefe Einblicke in die Geschichte und den Freiheitskampf auf der Insel.
Mehrmals täglich gibt es Führungen zu den bekanntesten Grabstätten und schönsten Steinmetzarbeiten. Wer danach eine Stärkung braucht, besucht den legendären Pub Kavanagh’s am alten Eingang zum Friedhof. Die Lage brachte der Kneipe den Spitznamen „The Gravedigger’s“(Totengräber) ein – hier holten sich die Totengräber nach der Arbeit ihr wohlverdientes Pint Guiness ab. Die Zeit scheint in den schummrigen Räumen stillzustehen – Fernsehen, Radio, Telefon und Musik vom Band sind von den Wirtsleuten seit jeher verbannt worden, um den ursprünglichen Charakter zu bewahren.
Nachmittags geht es noch weiter zurück in die Geschichte Dublins, genauer gesagt zurück ins gregorianische Zeitalter. In der Henrietta Street 14 ist kürzlich ein fast 300 Jahre altes Stadthaus zum Tenement Museum umgewidmet worden. Gebaut 1751 als luxuriöse Unterkunft für eine aristokratische Familie wurde es später zur armseligen überfüllten Behausung für mehr als hundert Personen. Mittels moderner audiovisueller Technik werden die wechselnden Lebensbedingungen in den verschiedenen Jahrhunderten lebendig.
Sonntag: Heute wird es gruselig. Mit dem Hidden-Dublin-Tours-Bus geht die etwa 30-minütige Fahrt zum Mount Pellier Hill am Fuße der Dublin Mountains. Ziel ist die Ruine des Hell Fire Clubs („HöllenqualenClub“). Allerlei Mythen und Geschichten ranken sich um diesen Berg und das verfallene Steinhaus. 1725 als Jagdschloss mit atemberaubender Aussicht über Dublin und das Meer gebaut, wurde es später zum geheimen Ort für Sexpartys, Völlereien und schwarzen Messen junger männlicher Aristokraten, die sich The Hell Fire Club nannten. Ihr Maskottchen war eine schwarze Katze. Natürlich treiben bis heute diverse Poltergeister hier ihr Unwesen,
Handys entladen sich auf einen Schlag und manch Besucher spürt die Seelen der Toten in den Räumen.
Würdiger Abschluss einer Dublin-Städtetour ist der Besuch des Hauptpostamtes (GPO) im Herzen der Stadt. Aber weder der neoklassizistische Bau noch das darin untergebrachte Postmuseum machen das 1818 fertiggestellte Gebäude zu einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Seine wahre Bedeutung erschließt sich nur bei einem Blick auf die Geschichte. Das GPO war Hauptschauplatz des Osteraufstandes von 1916, bei dem irische Freiheitskämpfer die englische Besatzungsmacht herausgefordert haben. Vor dem GPO proklamierte der Anführer der Rebellen, Patrick Pearse, die Unabhängigkeit Irlands. Obwohl der Aufstand innerhalb weniger Tage von den Engländern niedergeschlagen wurde, sehen Historiker in ihm den bedeutsamsten Schritt Irlands auf dem Weg zur Unabhängigkeit.
Informationen www.ireland.com
Die Recherche wurde unterstützt von Turismireland und Failte Ireland.