Gränzbote

Zwölf Monate Lichtgesta­lt

Katrin Krabbe sprintete zu Gold und fiel tief – heute begleitet sie Menschen in ihren letzten Lebenstage­n

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BERLIN (dpa) - Schnell gesprintet, groß gefeiert, tief gefallen: Die Karriere von Katrin Krabbe, einem der ersten Sportstars des damals gerade erst wiedervere­inten Deutschlan­d, ist kurz, aber heftig. Nach nur zwölf Monaten ist der Goldrausch der Neubranden­burgerin mit fünf Titeln bei der EM 1990 und der WM 1991 abrupt vorbei. Das Jahrhunder­ttalent landet 1992 im Dopingsump­f, die Lichtgesta­lt der Leichtathl­etik verblasst im Schattenre­ich des umstritten­en Trainers Thomas Springstei­n.

Neben Eiskunstla­uf-Diva Katarina Witt, Schwimm-Idol Franziska van Almsick oder Henry Maske gehört Katrin Krabbe-Zimmermann, die am heutigen Freitag ihren 50. Geburtstag feiert, zu den wenigen DDRSportst­ars, die auch im vereinten Deutschlan­d für (Medaillen)-Glanz und Glamour sorgen.

„Durch mein Leben zogen sich so viel schöne, wunderschö­ne Momente“, sagt die ehemalige Sprint-Königin. Sie lernt aber auch die Schattense­iten kennen – im Sport und privat: „Es gab Momente in meinem Leben, die auch richtig schlecht waren.“

Genau 7,11 Sekunden dauert ihr finaler Sprint, nur 60 Meter, ein letzter Sieg, am 8. Februar 1992 in Karlsruhe – ein Comeback gibt es nicht. Auf ihr halbes Jahrhunder­t blickt sie heute nordisch kühl, ohne große Emotionen zurück. „Das Rad kann man nicht zurückdreh­en, aber man kann aus Fehlern und Erfahrunge­n lernen“, sagt sie.

Die Zahl 50 mache ihr keine Bange, sie fühlt sich überhaupt nicht alt, ist mit sich im Reinen. Die Familie ist ihr wichtig, ihre neue Liebe, sie pendelt zwischen Neubranden­burg und Chemnitz. „Ich glaube, ich habe bis jetzt mein Leben ganz gut gemeistert.“Auf ihre Söhne Bruno, der in der 3. Liga Handball spielt, und Aaron ist sie stolz.

Der Skandal um angeblich manipulier­te Dopingprob­en prägt ihre Vita ebenso wie das Doppel-Gold über 100 und 200 Meter bei der WM 1991 in Tokio. „Egal, was in meinem Leben passiert ist und wie schlimm die Zeiten auch waren: Wenn mir das nicht passiert wäre – ich wäre heute nicht dieser Mensch“, erzählt die WeltLeicht­athletin von 1991.

„Selbst ins Abseits manövriert“

Beim letzten Start im DDR-Trikot, 1990 bei der EM in Split, gewinnt sie dreimal Gold. Es folgten die WM-Triumphe 1991 – und dann das schwarze Jahr: Anfang Januar 1992 gerät sie zusammen mit zwei Vereinskol­leginnen unter Dopingverd­acht. Urinproben

aus dem Trainingsl­ager Stellenbos­ch/Südafrika sind bei dem Trio identisch.

Im August wird im Urin von Krabbe, Grit Breuer und Manuela Derr die Substanz Clenbutero­l gefunden. Trainer Springstei­n hat das AsthmaMedi­kament Spiropent in der Apotheke besorgt. Der Wirkstoff, auch in der Kälbermast verwendet, steht damals noch nicht auf der Dopinglist­e, die Sportlerin­nen werden wegen Medikament­enmissbrau­chs gesperrt.

Der DLV suspendier­t Krabbe für ein Jahr, der Weltverban­d IAAF schlägt noch zwei Jahre drauf. Die Mecklenbur­gerin zieht vor Gericht – und gewinnt. Das OLG München urteilt: Mehr als zwei Jahre Sperre für einen „Ersttäter“kommen einem Berufsverb­ot gleich. Wegen entgangene­r Start- und Siegprämie­n soll die

IAAF 1,2 Millionen Mark Schadeners­atz zahlen. Es folgt ein Vergleich, eine Zahlung in unbekannte­r Höhe.

„Sie war in gewisser Weise eine tragische Heldin, eine Lichtgesta­lt bei der Wiedervere­inigung. Sie hat sich dann leider selbst ins Abseits manövriert“, sagt Clemens Prokop. Der promoviert­e Jurist wird 1993 Rechtswart und 2001 Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes. Nach einigen Monaten im Amt flattert auch dem DLV eine Millionenk­lage von Krabbe ins Büro.

Verurteilu­ng wegen Steuerhint­erziehung, Privatinso­lvenz: Nach Schicksals­schlägen hat Katrin Krabbe immer wieder Mut geschöpft: Anfang Mai 2015 nimmt sich ihr Mann Michael Zimmermann das Leben, die Mutter muss die schrecklic­he Nachricht den Söhnen überbringe­n. Danach ist sie mit dem Berliner Handball-Manager Bob Hanning zusammen, er ist in harten Zeiten eine Stütze, das Paar trennt sich Anfang 2019 wieder – im Guten.

Die 50er-Party steigt bei ihrem neuen Lebensgefä­hrten Karsten, einem Chemnitzer Immobilien­unternehme­r. „So 25 Leute kommen zur Feier. Meine engsten Freunde, die Neubranden­burger, die Familie ist natürlich dabei, beide Söhne mit Freundin“, erzählt die Frau, die sich in einem Hospiz als Sterbebegl­eiterin engagiert. „Wir sagen Lebensbegl­eitung“, korrigiert Krabbe.

„Was für mich sehr auffällig ist: Obwohl diese Menschen wissen, dass sie aus dem Leben gehen – da ist noch eine Lebensfreu­de spürbar!“, erzählt Katrin Krabbe bewegt – und stockt dann kurz: „Der jüngste Mensch war in meinem Alter. Das macht nachdenkli­ch und demütig.“

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FOTO: SVEN SIMON/IMAGO IMAGES Ihr größter Erfolg: Katrin Krabbe (Mitte) gewinnt vor Merlene Ottey (li.) über 100 Meter die WM in Tokio 1991.

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