Wo Mieten besonders teuer sind
RAVENSBURG
- Eine Drei-ZimmerWohnung in Ravensburg: 77 Quadratmeter, fast tausend Euro Miete. Eine Fünf-Zimmer-Wohnung in Friedrichshafen: 124 Quadratmeter für 1560 Euro. Liest man Wohnungsanzeigen in Baden-Württemberg, stolpert man schnell über hohe Mietpreise.
Ein am Donnerstag von dem Hamburger Forschungsunternehmen F+B veröffentlichter Mietspiegelindex für das Jahr 2019 bestätigt diesen Eindruck. Mehrere Städte aus dem Südwesten landen in dem Mietspiegelranking auf den vorderen Rängen. Das Forschungsunternehmen hat für das Ranking die derzeit gezahlten Mieten für 351 Städte und Gemeinden ab 20 000 Einwohnern ausgewertet. Zwar steigen die Mietpreise laut der Auswertung insgesamt weniger stark als noch im Jahr zuvor. Deutschlandweit legten die ortsüblichen Vergleichsmieten in diesem Jahr um 1,8 Prozent zu – 2018 waren es noch 2,2 Prozent gewesen. Dennoch ist der Trend nach oben weiterhin intakt.
Ganz besonders gilt das für die Landeshauptstadt: „Die teuerste Großstadt für Mieter ist erstmals Stuttgart und nicht München“, sagt F+B-Geschäftsführer Bernd Leutner. Hier zahlen die Menschen durchschnittlich 10,41 Euro pro Quadratmeter
Nettokaltmiete für ihre Wohnungen. „Damit liegen sie um 48 Prozent über den 7,04 Euro pro Quadratmeter, die in den Mietspiegelstädten insgesamt im Durchschnitt gezahlt werden“, so Leutner. Auch Orte aus dem Umland von Stuttgart liegen im Ranking ganz weit vorne: Leinfelden-Echterdingen, Tübingen oder Ludwigsburg. Vor Stuttgart liegt im Ranking nur noch Karlsfeld, eine Gemeinde am nordwestlichen Stadtrand von München.
„Dass die Mieten immer teurer werden, vor allem in Baden-Württemberg und Bayern, ist nichts Neues. Wir haben hier attraktive Standorte für die Wirtschaft. Immer mehr Menschen ziehen her“, sagt Udo Casper, Landesgeschäftsführer des Mieterbunds Baden-Württemberg im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Das gilt für den ländlichen Raum genauso wie für die Großstädte.
Denn bereits auf Platz 26 des F+BRankings findet sich die oberschwäbische Stadt Ravensburg mit 8,1 Euro pro Quadratmeter*. Es folgen Weingarten (Rang 33), Friedrichshafen (Rang 39), Wangen im Allgäu (Rang 40), Ulm (Rang 45), Bad Waldsee (Rang 65), Aalen (Rang 85), Leutkirch im Allgäu (Rang 87), Biberach an der Riß (Rang 101) und zuletzt Tuttlingen auf Rang 160 mit 6,2 Euro pro Quadratmeter (Indexwerte siehe Grafik). „Die Bedarfsanalyse zeigt, dass gerade in Baden-Württemberg auch der ländliche Raum von zu hohen Mieten betroffen ist“, sagt Casper. „In anderen Bundesländern konzentriert sich das auf Ballungsräume, nicht aber bei uns.“Die alte Regel, wer günstiger wohnen möchte, muss ins Umland von Städten ziehen, gelte nicht mehr, sagt Bernd Leutner von F+B. Das seit Langem hohe Preisniveau in den Kernstädten habe dazu geführt, dass die Menschen viel mehr Mietwohnungen in den Speckgürteln nachfragen. Es gebe insgesamt also einen flächendeckenden Wohnungsmangel, sagt Casper. „Deshalb sind auch ländliche Gegenden wie Ravensburg oder Wangen betroffen. Diese Situation bekomme ich aus den 35 Mietervereinen im Land Baden-Württemberg mit.“
In Baden-Württemberg werden laut Casper jährlich circa 30 000 bis 35 000 Wohnungen gebaut. Gebraucht würden aber 65 000. „Solange sich das nicht ändert, wird der Trend weiter nach oben gehen“, sagt er. Bis dahin fordert Casper gesetzliche Regelungen wie die Mietpreisbremse, um den Anstieg der Mieten zu stoppen. „Eine Million Haushalte im Südwesten haben nach Abzug der Miete weniger als den Betrag von Hartz IV übrig. Das führt dazu, dass Wohnen zum Armutsrisiko wird. Vor allem bei Rentnern, die ja bekanntlich weniger zur Verfügung haben als Arbeitnehmer, ist dieses Risiko extrem hoch“, mahnt er.
F+B stellt in seinem Mietspiegelindex fest, dass sich die Erhöhung der Mieten allerdings einer Grenze nähert, einfach weil sich Menschen hohe Mieten in zentralen Lagen nicht mehr leisten können. Auch sind Vermieter wegen der öffentlichen Diskussion um Maßnahmen wie einen Mietendeckel vorsichtiger geworden.
Der für die Analyse von F+B herangezogene Mietspiegel wird in den meisten größeren Städten erhoben. Die Erhebung hat sich seit der Verabschiedung des Miethöhegesetzes 1974 eingebürgert. Er soll für Vermieter, Mieter und Investoren Anhaltspunkt sein. Vermieter können auf Basis des Mietspiegels beispielsweise eine Mieterhöhung begründen. Der Gesetzgeber orientiert sich ebenfalls am Mietspiegel, zum Beispiel bei der Mietpreisbremse. „Der Mietspiegel steht oft in der Kritik, die Mieten selbst nach oben zu treiben oder auch zu bremsen. Das sehen wir definitiv nicht so. Das sind wissenschaftlich erhobene Daten, die objektiv gesammelt und ausgewertet werden“, sagt Udo Casper. Eine Lösung für alle Wohnungssuchenden hat er aber nicht. „Augen und Ohren offen halten – mehr kann man oft nicht tun.“
* Abweichungen zum offiziellen Mietspiegel sind aufgrund der Berechnungsmethodik möglich.