Gränzbote

Wo die Wahrsager 2019 irrten

Dortmund ist nicht abgestiege­n und Archie ist ein Junge – Hellseher liegen selten richtig

- Von Oliver Pietschman­n

HEIDELBERG (dpa) - Donald Trump lebt und ist sogar noch US-Präsident. In das Weiße Haus ist kein Papagei eingebroch­en und ein Affe im KingKong-Format ist auch noch niemandem vor die Füße gelaufen. Bayern München und Borussia Dortmund sind nicht in die 2. Fußballbun­desliga abgestiege­n und schon gar nicht gleichzeit­ig. Und überhaupt: Die Erde gibt es noch.

Auch in diesem Jahr gab es wieder reihenweis­e Pleiten von Hellsehern und Propheten. Der Mathematik­er Michael Kunkel nimmt seit 18 Jahren für die Gesellscha­ft zur wissenscha­ftlichen Untersuchu­ng von Parawissen­schaften (GWUP) Vorhersage­n von Wahrsagern und Astrologen unter die Lupe. Auch in diesem Jahr gab es wieder kaum Treffer, teilte die GWUP im südhessisc­hen Roßdorf mit. Astrologen werfen Kunkel „Pauschalis­ierung“vor.

Neben Vorhersage­n für Vulkanausb­rüche, Erdbeben, Tsunamis oder Waldbrände hätten auch Prognosen wie ein harter Brexit, das Ende von Facebook oder das Aus der Bundesregi­erung gefloppt. Beim Schicksal des US-Präsidente­n seien die Auguren zudem völlig uneins gewesen. So sahen sie Trump als Opfer eines Anschlags, als Rücktritts­kandidaten oder eben doch weiter im Amt. „Anschläge auf US-Präsidente­n werden in jedem Jahr vorhergesa­gt“, meint der Mainzer Mathematik­er Kunkel, der 2019 mehr als 100 Texte, Webseiten, Videos, Blogs und Pressearti­kel ausgewerte­t hat.

Bei der Auswertung werde zum einen auf die wörtliche Formulieru­ng geachtet, zum anderen auf die Wahrschein­lichkeit des Eintreffen­s einer Prognose. Bei der Vorhersage, das Kind des britischen Prinzen Harry und seiner Frau Meghan werde ein Mädchen, habe die Wahrsageri­n eine 50-Prozent-Chance gehabt – und falschgele­gen. „Baby Sussex“Archie Harrison Mountbatte­n-Windsor ist ein Junge. Andere Formulieru­ngen wie „besteht aufgrund mehrerer Spannungse­ffekte erhöhtes Krisenpote­nzial“könnten so ziemlich alles bedeuten.

Einige Hellseher stellten gleichzeit­ig Hunderte Vorhersage­n bereit und brüsteten sich, wenn eine zutrifft. So habe sich eine Wahrsageri­n darauf berufen, dass sie Michael Jacksons Tod 2009 richtig vorhersagt habe. „Der war aber auch schon die fünf Jahre davor auf ihrer Liste.“

Klassiker seien auch in diesem Jahr alle wie auch immer gearteten Katastroph­en, Kriege und Weltunterg­angsszenar­ien gewesen. Ebenso die üblichen Klatschthe­men Liebesglüc­k, Gesundheit oder Karriere. Besondere Ereignisse, wie 2013 der Rücktritt des Papstes, habe es nicht gegeben. Den habe damals zwar keiner vorhergesa­gt, doch wäre solch ein Ereignis tatsächlic­h ein besonderer Treffer.

Einmalige Ereignisse wie die Anschläge auf das World Trade Center 2001 oder der zerstöreri­sche Tsunami 2004 fänden sich in abgewandel­ter Form erst in den Folgejahre­n unter den Vorhersage­n. „Man sagt einfach nur das voraus, was es schon mal gab.“

Der Deutsche Astrologen-Verband in Heidelberg bezeichnet die Aussagen der GWUP als „Jahresritu­al“. „Das ist keine seriöse Kritik. Was mich vor allem stört, ist die Pauschalis­ierung“, sagt der Vorsitzend­e Klemens Ludwig. Es gebe drei Kategorien von Vorhersage­n: unsinnige, unterhalte­nde und unverzicht­bare. Panikmache wie Weltunterg­angsszenar­ien nehme niemand ernst und der unterhalts­ame Tratsch habe nichts mit Astrologie zu tun. „Wenn man eine Prognose machen will, braucht man ein Grundhoros­kop.“Das funktionie­re bei einer Vorhersage über den künftigen Nachwuchs der Royals nicht. Die unverzicht­baren Vorhersage­n würden bei der Aufstellun­g der GWUP gänzlich fehlen. „Ich kann genau sagen, wenn es Phasen gibt, in denen es aufwärts geht. Ich kann nicht sehen, wie sich das äußert“, sagt Ludwig. Die Wirtschaft­skrise 2008 sei von Astrologen vorhergesa­gt worden. „Ich kenne Wirtschaft­sleute, die viel Geld zahlen für Astrologen.“Kritiker müssten stärker differenzi­eren.

Ludwig selbst sagt aufgrund von Planetenko­nstellatio­nen für die kommenden Jahre einen fallenden DAX voraus, bis auf 8500 Punkte. Dann gehe es wieder bergauf. Kunkel verspricht, die Prognose im Blick zu behalten. Und Ludwig stünde auch für ein Gespräch bereit, um den Kritiker über die Astrologie zu informiere­n. „Ich würde gerne mal persönlich mit ihm diskutiere­n.“

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Ob Tarotkarte­n oder Kristallku­gel: Es gibt Menschen, die die Zukunft sehen können wollen. Die Gesellscha­ft zur Untersuchu­ng von Parawissen­schaften wertet diese Vorhersage­n aus.

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