Die schädliche Spur des Tabaks
Rauchen ist nicht nur ungesund, sondern belastet auch die Umwelt – und zwar vom Anbau der Pflanzen bis zur Entsorgung der Kippen
Es ist einer der Klassiker der Neujahrsvorsätze: Endlich mit dem Rauchen aufhören! Wer diesen Plan fasst, denkt dabei meist an seine Gesundheit. Vielleicht auch noch an seinen Geldbeutel. Dass man damit auch einen Beitrag zum Umweltschutz leisten könnte, hat dagegen kaum jemand im Blick. Dabei gibt es immer mehr Indizien dafür, dass dieser Schritt auch aus ökologischen Gründen eine gute Idee sein könnte. Denn der Anbau des Tabaks, die Herstellung und der Vertrieb der Zigaretten sowie die übrigbleibenden Kippen machen den Ökosystemen der Erde zum Teil massiv zu schaffen.
Schätzungen zufolge stecken sich eine Milliarde Raucher weltweit rund 5,8 Billionen Zigaretten im Jahr an. Zwar gehe der Konsum in reichen Ländern eher zurück, berichtet ein Team um Maria Zafeiridou vom Imperial College London, das sich mit den Umweltauswirkungen von Tabak beschäftigt hat. Global gesehen aber werde immer mehr geraucht. Und das habe gleich aus mehreren Gründen ungünstige Auswirkungen.
Jede Menge Treibhausgas
So werden durch die Produktion und den Konsum von Zigaretten nach den Berechnungen der Forscher jedes Jahr Treibhausgase frei, deren Wirkung einer Menge von fast 84 Millionen Tonnen Kohlendioxid entspricht. Das ist fast so viel, wie Länder wie Peru oder Israel insgesamt in einem Jahr ausstoßen. Besonders negativ schlägt in der Klimabilanz die energieintensive Trocknung der Tabakblätter zu Buche, die in den Anbauländern enorme Mengen Brennholz verschlingt. Um den Tabak für etwa dreihundert Zigaretten zu trocknen, geht Schätzungen zufolge etwa ein Baum in Flammen auf. Zusammen mit den Plantagen selbst, die sich vielerorts immer weiter in die Wälder hineinfressen, führt das zu einem massiven Verlust an Waldund Buschland. In China zum Beispiel hat diese Form der Landwirtschaft nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO Mitte der 1990er-Jahre zum Verlust von rund 16 000 Hektar Wald pro Jahr beigetragen. Das entspricht der Fläche von Liechtenstein. Und auch in vielen Trockenwäldern Afrikas sei das Problem massiv.
Zudem nehmen Tabakpflanzen im Vergleich zu vielen anderen Nutzund Nahrungspflanzen mehr Stickstoff, Phosphor und Kalium auf. Deshalb laugt dieser Anbau die Böden rasch aus und erfordert daher üppige Düngung. Dazu kommt dann noch ein relativ großer Bedarf an Pestiziden und anderen Agrarchemikalien – und an Wasser. In einer typischen Zigarette stecken laut den Analysen von Maria Zafeiridou und ihren Kollegen 3,7 Liter Wasser. Insgesamt verbraucht die Herstellung von Tabakprodukten mehr als 22 Milliarden Kubikmeter Wasser im Jahr – und damit mehr als das 2,5-fache der gesamten Wasserversorgung für die Bevölkerung
Großbritanniens. Das Resümee der Studie ist eindeutig: Tabakwaren sind ein Gesundheitsrisiko für den Planeten – und nicht nur für Raucher.
Dabei richten Zigaretten nicht nur bis zu dem Moment Schaden an, in dem der Tabak in Rauch aufgegangen ist. Gerade die Überreste machen oft noch jede Menge weiteren Ärger. Denn von den sechs Billionen weltweit gerauchten Zigaretten im Jahr landen Schätzungen zufolge rund 4,5 Billionen als achtlos weggeworfene Kippen in der Umwelt.
Außer Papier, Tabakresten und Asche enthalten solche Stummel meist einen Filter, der aus CelluloseAcetat
besteht. Das ist eine synthetische Substanz, die über verschiedene chemische Prozesse aus der pflanzlichen Verbindung Cellulose gewonnen wird. Anders als viele Raucher vermuten, ist dieses Polymer im Gegensatz zu seinem natürlichen Pendant nur schlecht biologisch abbaubar. Der Abfall bleibt also lange in der Umwelt. Und das ist keineswegs nur ein ästhetisches Problem. Denn Zigaretten enthalten mehr als 5000 verschiedene Stoffe, von denen mindestens 150 als hochgiftig gelten – vor allem, weil sie Krebs und Mutationen auslösen können. Diese Substanzen konzentrieren sich vor allem in den Tabakresten und im Filter. Doch da bleiben sie nicht. Das haben Wissenschaftler um Amy Roder Green von der Technischen Universität (TU) Berlin in Experimenten nachgewiesen. Lagen die Kippen zum Beispiel in einer künstlichen Pfütze, so enthielt deren Wasser anschließend Konzentrationen von 2,5 Milligramm Nikotin pro Liter. Als die Forscher die Zigarettenreste nicht dauerhaft einweichten, sondern wie bei einer Folge von Regengüssen mehrfach durchnässten und wieder trocknen ließen, war die Belastung zwar geringer. Auch dadurch aber wurde ein guter Teil des Nikotins ausgewaschen, sodass er in Böden und Gewässer gelangen konnte. Nach Einschätzung der Forscher kann eine einzige Kippe genügen, um tausend Liter Wasser mit umweltrelevanten Nikotinmengen zu belasten. Bei höheren Konzentrationen kann das Gift für Wasserbewohner sogar unmittelbar tödlich wirken. Das zeigt ein Experiment, das ein Team um Elli Slaughter von der San Diego State University durchgeführt hat. Die Forscher haben die Filter von gerauchten Zigaretten mit und ohne Tabakreste in Wasser eingeweicht und dann Vertreter verschiedener Fischarten dazu gesetzt. Dabei genügte eine einzige tabakhaltige Kippe pro Liter Wasser, um die Hälfte der Neuweltlichen Ährenfische und Amerikanischen Dickkopf-Elritzen zu töten.
Kippen verseuchen den Boden
Neben dem Wasser können die ausgewaschenen Schadstoffe aber auch den Boden belasten – und damit auch die Nahrungsquellen des Menschen. Als ein deutsch-ägyptisches Forschungsteam um Dirk Selmar von der TU Braunschweig Koriander, Pfefferminze und Basilikum auf ägyptischen Äckern mit unterschiedlichen Mengen von Zigarettenstummeln konfrontierte und die Pflanzen danach untersuchte, kamen dabei verblüffende Ergebnisse heraus. Schon eine einzige Kippe pro Quadratmeter genügte, um die Nikotinmengen in den Kräutern in die Höhe zu treiben. Im Fall von Basilikum und Pfefferminze stiegen sie sogar auf mehr als das Zwanzigfache der in der EU erlaubten Menge von höchstens 0,01 Milligramm Nikotin pro Kilogramm Kräuter-Trockenmasse.
Wo immer Zigarettenkippen in die Umwelt gelangen, kann es also für die verschiedensten Lebewesen einschließlich des Menschen kritisch werden. Nur ein paar Vögel schienen auf den ersten Blick eine Ausnahme zu machen. Denn als Montserrat Suárez-Rodríguez und ihre Kollegen von der Universidad Nacional Autónoma de México und ihre Kollegen die Nester von Haussperlingen und Hausgimpeln untersuchten, fanden sie darin im Durchschnitt acht bis zehn Kippen. Und je mehr Filtermaterial das Nest enthielt, umso weniger Parasiten krabbelten darin herum. Weitere Experimente ergaben dann, dass Nikotin auf solche Plagegeister tatsächlich abschreckend wirkt.
Ob die Vögel davon wirklich etwas haben, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Denn in späteren Analysen haben die mexikanischen Forscher herausgefunden, dass der Kontakt mit den Kippen für den Nachwuchs beider Vogelarten toxisch ist. Je mehr Zigarettenreste das Nest enthält, umso mehr Küken schlüpfen zwar und werden flügge. Andererseits haben diese Jungvögel dann aber mehr Zellen mit Erbgutschäden in ihrem Blut. Und für die Erwachsenen scheint das Hantieren mit den giftigen Parasitenvertreibern ebenfalls nicht gesund zu sein. Auch das Argument, man wolle im Interesse parasitengeplagter Stadt-Spatzen nicht aufs Rauchen verzichten, zieht also nicht so richtig.