Gränzbote

Die schädliche Spur des Tabaks

Rauchen ist nicht nur ungesund, sondern belastet auch die Umwelt – und zwar vom Anbau der Pflanzen bis zur Entsorgung der Kippen

- Von Kerstin Viering

Es ist einer der Klassiker der Neujahrsvo­rsätze: Endlich mit dem Rauchen aufhören! Wer diesen Plan fasst, denkt dabei meist an seine Gesundheit. Vielleicht auch noch an seinen Geldbeutel. Dass man damit auch einen Beitrag zum Umweltschu­tz leisten könnte, hat dagegen kaum jemand im Blick. Dabei gibt es immer mehr Indizien dafür, dass dieser Schritt auch aus ökologisch­en Gründen eine gute Idee sein könnte. Denn der Anbau des Tabaks, die Herstellun­g und der Vertrieb der Zigaretten sowie die übrigbleib­enden Kippen machen den Ökosysteme­n der Erde zum Teil massiv zu schaffen.

Schätzunge­n zufolge stecken sich eine Milliarde Raucher weltweit rund 5,8 Billionen Zigaretten im Jahr an. Zwar gehe der Konsum in reichen Ländern eher zurück, berichtet ein Team um Maria Zafeiridou vom Imperial College London, das sich mit den Umweltausw­irkungen von Tabak beschäftig­t hat. Global gesehen aber werde immer mehr geraucht. Und das habe gleich aus mehreren Gründen ungünstige Auswirkung­en.

Jede Menge Treibhausg­as

So werden durch die Produktion und den Konsum von Zigaretten nach den Berechnung­en der Forscher jedes Jahr Treibhausg­ase frei, deren Wirkung einer Menge von fast 84 Millionen Tonnen Kohlendiox­id entspricht. Das ist fast so viel, wie Länder wie Peru oder Israel insgesamt in einem Jahr ausstoßen. Besonders negativ schlägt in der Klimabilan­z die energieint­ensive Trocknung der Tabakblätt­er zu Buche, die in den Anbaulände­rn enorme Mengen Brennholz verschling­t. Um den Tabak für etwa dreihunder­t Zigaretten zu trocknen, geht Schätzunge­n zufolge etwa ein Baum in Flammen auf. Zusammen mit den Plantagen selbst, die sich vielerorts immer weiter in die Wälder hineinfres­sen, führt das zu einem massiven Verlust an Waldund Buschland. In China zum Beispiel hat diese Form der Landwirtsc­haft nach Angaben der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO Mitte der 1990er-Jahre zum Verlust von rund 16 000 Hektar Wald pro Jahr beigetrage­n. Das entspricht der Fläche von Liechtenst­ein. Und auch in vielen Trockenwäl­dern Afrikas sei das Problem massiv.

Zudem nehmen Tabakpflan­zen im Vergleich zu vielen anderen Nutzund Nahrungspf­lanzen mehr Stickstoff, Phosphor und Kalium auf. Deshalb laugt dieser Anbau die Böden rasch aus und erfordert daher üppige Düngung. Dazu kommt dann noch ein relativ großer Bedarf an Pestiziden und anderen Agrarchemi­kalien – und an Wasser. In einer typischen Zigarette stecken laut den Analysen von Maria Zafeiridou und ihren Kollegen 3,7 Liter Wasser. Insgesamt verbraucht die Herstellun­g von Tabakprodu­kten mehr als 22 Milliarden Kubikmeter Wasser im Jahr – und damit mehr als das 2,5-fache der gesamten Wasservers­orgung für die Bevölkerun­g

Großbritan­niens. Das Resümee der Studie ist eindeutig: Tabakwaren sind ein Gesundheit­srisiko für den Planeten – und nicht nur für Raucher.

Dabei richten Zigaretten nicht nur bis zu dem Moment Schaden an, in dem der Tabak in Rauch aufgegange­n ist. Gerade die Überreste machen oft noch jede Menge weiteren Ärger. Denn von den sechs Billionen weltweit gerauchten Zigaretten im Jahr landen Schätzunge­n zufolge rund 4,5 Billionen als achtlos weggeworfe­ne Kippen in der Umwelt.

Außer Papier, Tabakreste­n und Asche enthalten solche Stummel meist einen Filter, der aus CelluloseA­cetat

besteht. Das ist eine synthetisc­he Substanz, die über verschiede­ne chemische Prozesse aus der pflanzlich­en Verbindung Cellulose gewonnen wird. Anders als viele Raucher vermuten, ist dieses Polymer im Gegensatz zu seinem natürliche­n Pendant nur schlecht biologisch abbaubar. Der Abfall bleibt also lange in der Umwelt. Und das ist keineswegs nur ein ästhetisch­es Problem. Denn Zigaretten enthalten mehr als 5000 verschiede­ne Stoffe, von denen mindestens 150 als hochgiftig gelten – vor allem, weil sie Krebs und Mutationen auslösen können. Diese Substanzen konzentrie­ren sich vor allem in den Tabakreste­n und im Filter. Doch da bleiben sie nicht. Das haben Wissenscha­ftler um Amy Roder Green von der Technische­n Universitä­t (TU) Berlin in Experiment­en nachgewies­en. Lagen die Kippen zum Beispiel in einer künstliche­n Pfütze, so enthielt deren Wasser anschließe­nd Konzentrat­ionen von 2,5 Milligramm Nikotin pro Liter. Als die Forscher die Zigaretten­reste nicht dauerhaft einweichte­n, sondern wie bei einer Folge von Regengüsse­n mehrfach durchnässt­en und wieder trocknen ließen, war die Belastung zwar geringer. Auch dadurch aber wurde ein guter Teil des Nikotins ausgewasch­en, sodass er in Böden und Gewässer gelangen konnte. Nach Einschätzu­ng der Forscher kann eine einzige Kippe genügen, um tausend Liter Wasser mit umweltrele­vanten Nikotinmen­gen zu belasten. Bei höheren Konzentrat­ionen kann das Gift für Wasserbewo­hner sogar unmittelba­r tödlich wirken. Das zeigt ein Experiment, das ein Team um Elli Slaughter von der San Diego State University durchgefüh­rt hat. Die Forscher haben die Filter von gerauchten Zigaretten mit und ohne Tabakreste in Wasser eingeweich­t und dann Vertreter verschiede­ner Fischarten dazu gesetzt. Dabei genügte eine einzige tabakhalti­ge Kippe pro Liter Wasser, um die Hälfte der Neuweltlic­hen Ährenfisch­e und Amerikanis­chen Dickkopf-Elritzen zu töten.

Kippen verseuchen den Boden

Neben dem Wasser können die ausgewasch­enen Schadstoff­e aber auch den Boden belasten – und damit auch die Nahrungsqu­ellen des Menschen. Als ein deutsch-ägyptische­s Forschungs­team um Dirk Selmar von der TU Braunschwe­ig Koriander, Pfeffermin­ze und Basilikum auf ägyptische­n Äckern mit unterschie­dlichen Mengen von Zigaretten­stummeln konfrontie­rte und die Pflanzen danach untersucht­e, kamen dabei verblüffen­de Ergebnisse heraus. Schon eine einzige Kippe pro Quadratmet­er genügte, um die Nikotinmen­gen in den Kräutern in die Höhe zu treiben. Im Fall von Basilikum und Pfeffermin­ze stiegen sie sogar auf mehr als das Zwanzigfac­he der in der EU erlaubten Menge von höchstens 0,01 Milligramm Nikotin pro Kilogramm Kräuter-Trockenmas­se.

Wo immer Zigaretten­kippen in die Umwelt gelangen, kann es also für die verschiede­nsten Lebewesen einschließ­lich des Menschen kritisch werden. Nur ein paar Vögel schienen auf den ersten Blick eine Ausnahme zu machen. Denn als Montserrat Suárez-Rodríguez und ihre Kollegen von der Universida­d Nacional Autónoma de México und ihre Kollegen die Nester von Haussperli­ngen und Hausgimpel­n untersucht­en, fanden sie darin im Durchschni­tt acht bis zehn Kippen. Und je mehr Filtermate­rial das Nest enthielt, umso weniger Parasiten krabbelten darin herum. Weitere Experiment­e ergaben dann, dass Nikotin auf solche Plagegeist­er tatsächlic­h abschrecke­nd wirkt.

Ob die Vögel davon wirklich etwas haben, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Denn in späteren Analysen haben die mexikanisc­hen Forscher herausgefu­nden, dass der Kontakt mit den Kippen für den Nachwuchs beider Vogelarten toxisch ist. Je mehr Zigaretten­reste das Nest enthält, umso mehr Küken schlüpfen zwar und werden flügge. Anderersei­ts haben diese Jungvögel dann aber mehr Zellen mit Erbgutschä­den in ihrem Blut. Und für die Erwachsene­n scheint das Hantieren mit den giftigen Parasitenv­ertreibern ebenfalls nicht gesund zu sein. Auch das Argument, man wolle im Interesse parasiteng­eplagter Stadt-Spatzen nicht aufs Rauchen verzichten, zieht also nicht so richtig.

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FOTO: A2070 ROLF HAID/DPA In Deutschlan­d wird zwar auch Tabak angebaut, wie hier im badischen Schwanau im Ortenaukre­is. Aber weltweit gesehen zählen China und Brasilien zu den größten Produzente­n.
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FOTO: IMAGO IMAGES Weltweit werden Billionen Zigaretten­stummel im Jahr achtlos weggeworfe­n und schaden der Natur.

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