Gränzbote

Vorsorge, aber keine Panik nach Jobcenter-Angriff

Nach Messeratta­cke prüft Jobcenter Rottweil Sicherheit­skonzept – Tuttlinger Kollegen klären Bedarf

- Von Birga Woytowicz

TUTTLINGEN/ROTTWEIL - Das Klima wird rauer in den Sozialämte­rn in der Region. Nach dem Angriff auf eine Mitarbeite­rin des Jobcenters Rottweil sieht Bernd Mager, Sozialdeze­rnent am Landratsam­t Tuttlingen, aber keinen Grund zur Panik. So schlimm der Messerangr­iff sei: Die Attacke sei ein seltener Extremfall. Trotzdem sieht Mager in seinen Ämtern Gesprächsb­edarf.

Ansonsten läuft der Betrieb in Tuttlingen ganz normal weiter. In Rottweil dagegen sind die Mitarbeite­r des Jobcenters in diesen Tagen nur telefonisc­h oder per Post zu erreichen. Am Donnerstag war ein Mann mit einem Messer auf eine Mitarbeite­rin losgegange­n und verletzte sie schwer. Seine Tat hatte er zuvor auf Twitter angekündig­t. Daher bleiben die Türen des Rottweiler Jobcenters in dieser Woche geschlosse­n. „Aus Fürsorge gegenüber unseren Mitarbeite­rn“, erklärt Landratsam­tssprecher­in Brigitte Stein auf Anfrage.

Seit Freitag überwacht nun je ein Security-Mitarbeite­r den Publikumsv­erkehr in den Jobcentern Rottweil, Schramberg und Oberndorf. Ebenso das Hauptgebäu­de und das Sozialdeze­rnat. Weitere Direktmaßn­ahmen seien noch nicht eingeleite­t, würden aber geprüft, sagt Stein.

„Klar, das treibt auch uns um. Das sind ja Kollegen in unmittelba­rer Nähe“, sagt Bernd Mager, der für die Sozialämte­r im Kreis Tuttlingen zuständig ist. Er beobachte, dass Kundengesp­räche

häufiger eskalierte­n, seine Mitarbeite­r beschimpft und teils bespuckt würden. „Insgesamt kümmern wir uns um 20 000 Fälle. 30 Hausverbot­e haben wir aktuell erteilt. Der Ton wird rauer, aber körperlich­e Gewalt ist sehr selten“, sagt Mager.

Und wenn, ließe sie sich nicht unbedingt vermeiden. „Wir wollen Bürgernähe. Das beißt sich mit totalem Mitarbeite­rschutz. Wir wollen keine Schleusen mit Metalldete­ktoren. Wir sind für die Bürger da.“Nach 20 Jahren als Sozialdeze­rnent könne er Extremfäll­e, wie der Angriff in Rottweil, an einer Hand abzählen.

Trotzdem hat der Landkreis vorgesorgt. Seit gut zwei Jahren ist jeder Arbeitspla­tz am Jobcenter mit Notfallknö­pfen ausgestatt­et. Eskaliert ein Gespräch, kann der Mitarbeite­r so intern einen Alarm auslösen. Auch in Rottweil gibt es Notfallknö­pfe,

wenn auch nicht flächendec­kend. Kollegen aus den Nachbarbür­os können schnell zur Hilfe kommen. „Ich muss zugeben: Oft gibt es Fehlalarme, wenn ein Mitarbeite­r den Knopf beim Aufräumen mit dem Aktenordne­r erwischt“, sagt Mager.

Der letzte richtige Alarm liegt allerdings noch nicht all zu weit zurück. Im November 2019 eskalierte ein Gespräch im Tuttlinger Jugendamt. Es wurde laut, der Sozialarbe­iter

rief zwei Kollegen dazu. Der Jugendlich­e ging auf zwei Mitarbeite­r los.

Im Sommer 2018 wurde Mager selbst Opfer. Ein Asylbewerb­er randaliert­e im Flüchtling­samt, zerstörte Technik und eine Glasscheib­e. Schließlic­h verließ er das Gebäude und ging auf eine Autofahrer­in los. Mager schritt ein und brachte den Mann zu Boden. Dabei verletzte er sich am Gesicht.

Als Folge des Angriffs wurden Glasfronte­n bis auf Brusthöhe eingezogen, die Mitarbeite­r und Klienten trennen. Zum einen an der Infothek des Amts für Aufenthalt und Integratio­n. Zum anderen an der Infothek im kommunalen Jobcenter. Außerdem stellte der Kreis zwei Security-Kräfte ein. Im Herbst des vergangene­n Jahres wurden diese aber wieder abgezogen. „Die Security ist unnötig“, sagt Mager.

Wie sicher sich seine Mitarbeite­r nach dem Angriff in Rottweil fühlen, möchte Mager am Donnerstag in der Sachgebiet­sleiterrun­de im Jobcenter klären. „Wenn Bedürfniss­e da sind, erfüllen wir sie auch. Es gab zum Beispiel schon Selbstvert­eidigungsk­urse mit der Polizei oder Training zu Deeskalati­onstechnik­en.“

Solche Prävention­smaßnahmen gehören auch in Rottweil zum Programm. „Wir prüfen unsere Sicherheit­sstandards jetzt aber noch einmal und passen sie bei Bedarf an. Gerade in Bezug auf Zugänglich­keit und Alarmierun­gswege“, erklärt Brigitte Stein. Dabei werde man sich auch extern beraten lassen.

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FOTO: NRWZ Polizei und Rettungsdi­enste rückten am Donnerstag zum Jobcenter Rottweil aus, weil dort ein Kunde eine Mitarbeite­rin mit einem Messer angegriffe­n hatte.

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