Eine Regionalwahl macht Italiens Regierung nervös
Machtwechsel in der traditionell linken Emilia-Romagna könnte die Koalition in Rom zu Fall bringen
ROM - Am Sonntag werden viele Italiener auf die Region Emilia-Romagna schauen. Denn mehr als der gleichzeitig stattfindende Urnengang in Kalabrien könnten die anstehenden Regionalwahlen in der reichen Nordregion für die Regierung in Rom gefährlich werden.
Politisch wurde die Region jahrzehntelang von den Kommunisten und dann vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) regiert. Doch das Klischee der „roten Region“ist Geschichte. Abgesehen von der Regionalhauptstadt Bologna ist die Emilia-Romagna keine Domäne des PD mehr. Auch die legendäre hohe Wahlbeteiligung gehört längst der Vergangenheit an. Gingen 2010 noch 68 Prozent aller Wahlberechtigten zu den Urnen, waren es 2014 nur noch 37,1 Prozent – ein nationaler Tiefstwert.
„Irgendetwas läuft schief in der Region“, erklärte in einer TV-Talkshow der sozialdemokratische Philosoph und Ex-Bürgermeister von Venedig, Massimo Cacciari. Er gibt die Schuld daran seiner Partei, „die zu selbstsicher und zu wenig selbstkritisch geworden ist“. Seit Jahren werden immer mehr Städte der Region von Bürgermeistern kontrolliert, die der Protestpartei Fünf-Sterne-Bewegung M5S oder der rechtsnationalen Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini angehören.
Umfragen zufolge könnte am Sonntag die Lega zur stärksten Partei in der Region werden. „Ein Horrorszenario für den PD und die Regierung“, schrieb die Tageszeitung „La Repubblica“. Ein Sieg der Lega und eine ebenfalls prognostizierte Schlappe der M5S könnten eine Krise in der Regierung in Rom auslösen. Dort fühlen sich M5S und PD gar nicht mehr wohl in ihrer Koalition – zumal bei den Fünf Sternen ohnehin Chaos herrscht, spätestens seitdem Außenminister Luigi Di Maio am Mittwoch vom Amt des Parteichefs zurückgetreten ist. Aus Angst, von den Sozialdemokraten über den Tisch gezogen zu werden, könnte die M5S das Bündnis für beendet erklären. Die Folge wären Neuwahlen – sehr wahrscheinlich würde dann Salvinis Lega die Regierung übernehmen.
In der Emilia-Romagna stehen sich der amtierende sozialdemokratische Regionalpräsident Stefano Bonaccini und die Lega-Politikerin Lucia Borgonzoni sowie Simone Benini von der M5S gegenüber. Beninis Kandidatur gilt als aussichtslos, doch Borgonzoni von der Lega könnte dem
PD-Kandidaten gefährlich werden, denn hinter ihr steht Matteo Salvini. Der Chef der Lega bereist seit Wochen die Emilia-Romagna. Der Oppositionspartei kommt zugute, dass der PD in den vergangenen Jahren oft durch Postenschacher und Skandale ins Gerede gekommen ist.
Allerdings macht neuerdings die Ende November in Bologna spontan entstandene „Sardinen“-Bewegung Salvini und seiner Kandidatin das Leben schwer. Zuletzt versammelten sich am 19. Januar mehr als 40 000 ihrer Unterstützer im Zentrum Bolognas und stahlen damit Salvini die Show. Die „Sardinen“sympathisieren zwar mit linken Ideen, verstehen sich aber nicht als sozialdemokratische Wahlhelfer. Doch sie verweisen bei ihren Protesten gegen die Lega auf das Positive, das in den vergangenen Jahren in der Emilia-Romagna entstanden ist: Die Region zählt zu den reichsten Italiens, kann eines der besten Schul- und Sozialsysteme des Landes aufweisen und investiert im großen Stil in Bildung und Kultur. Die Arbeitslosenquote liegt bei 4,8 Prozent – weniger als die Hälfte des italienischen Durchschnittswerts von elf Prozent.