Gränzbote

Seit Jahren kein Schwimmunt­erricht

Die meisten Trossinger Schulen bekommen keinen Platz in umliegende­n Bädern

- Von Larissa Schütz

TROSSINGEN - Rund sechzig Prozent der Zehnjährig­en in Deutschlan­d können laut einer DLRG-Studie nicht sicher schwimmen. Und in der Schule können es zumindest die meisten Trossinger Kinder auch nicht lernen: Es fehlen Schwimmbäd­er für den Unterricht.

Seitdem das Schwimmbec­ken in der Löhrschule 2006 geschlosse­n wurde, befindet sich das nächstgele­gene Lehrschwim­mbecken in Aldingen. Dort allerdings fehlt die Kapazität, Trossingen­s Schulen unterzubri­ngen, lediglich die Fünftkläss­ler und Leistungsk­urse des Gymnasiums fahren in die Nachbargem­einde. „Wir versuchen jährlich, einen Platz in Aldingen zu bekommen. Wir würden auch einen Bus organisier­en“, sagt beispielsw­eise Andreas Wilbs, Konrektor der Realschule. Steffen Finsterle, Leiter der Löhrschule, hat dasselbe Problem: „Seit ich an der Löhrschule bin, kann ich mich nicht daran erinnern, dass jemals Schwimmunt­erricht angeboten werden konnte“, meint er.

Auch die Grundschul­en würden gerne, können aber nicht. „An der Rosenschul­e kann, mangels Schwimmbad in Trossingen und fehlender Kapazitäte­n im Aldinger Hallenbad, seit einigen Jahren kein Schwimmen angeboten werden“, berichtet Kathrin Gass, Rektorin der Rosenschul­e. An der Friedenssc­hule sieht es ähnlich aus. „Die Klassen haben dafür eine zusätzlich­e Sportstund­e“, sagt Rektorin Lotte Lehmann.

Das Gymnasium hingegen hat in Aldingen mittwochs zwei Stunden fest gebucht. Für ein paar Wochen im Jahr bekommen Fünftkläss­ler und das Leistungsf­ach Sport Schwimmen im Bad Unterricht. „Nach den Vorgaben des Bildungspl­ans sollte in den Klassen 7 bis 10 mindestens noch einmal Schwimmen unterricht­et werden“, sagt Steffen Hauser, der die Fachschaft Sport betreut. „Diese Vorgabe können wir in Trossingen nicht erfüllen.“

Darüber hinaus macht sich der fehlende Schwimmunt­erricht in den Grundschul­en am Gymnasium bemerkbar. „Obwohl Schwimmen können zur Zugangsvor­aussetzung für das Gymnasium gehört, steigt die Zahl der Nichtschwi­mmer kontinuier­lich“, stellt Rektor Markus Eisele fest. Eltern würden in dieser Hinsicht auch Falschanga­ben bei der Anmeldung machen. 2018/19 seien es vier Nichtschwi­mmer und weitere drei gewesen, die den Schwimmkur­s noch benötigten, in diesem Schuljahr sechs. „Daher müssen wir aus unserem Wahlbereic­h Stunden dafür zur Verfügung stellen, dass parallel zum Schwimmunt­erricht der Fünftkläss­ler durch einen Kollegen ein Nichtschwi­mmerkurs gegeben wird.“Und auch Andreas Wilbs sagt: „Gefühlt können immer weniger Schüler schwimmen.“

Diese Erfahrung machen laut Finsterle die Lehrer an der Löhrschule ebenfalls, wenn sie den Sportunter­richt im Sommer in die Troase verlegen oder einen Ausflug ins Tuttlinger TuWass machen. In die Troase gehen auch die Realschüle­r in der warmen Jahreszeit, doch „dort können wir nicht wirklich Schwimmunt­erricht anbieten“, so Wilbs. Die

Troase sei ein „tolles Bad“, aber eben kein Lehrschwim­mbecken. Mittags herrsche zuviel Ablenkung für einen Lerneffekt, morgens sei es oft zu kalt für einen Troase-Besuch.

An der Löhrschule kommen weitere Probleme hinzu: Manche Eltern würden nicht wollen, dass ihr Kind ins Schwimmbad geht, so Finstlere. Die Gründe seien in erster Linie religiös. „Viele haben auch gar keine Badebeklei­dung“, stellt er fest.

Dabei ist Schwimmen als „Bewegen im Wasser“fest im Bildungspl­an verankert. „Hier werden ausdrückli­ch Kompetenze­n benannt, die der Schüler am Ende einer Schulstufe erreicht haben sollte“, sagt Schulrat Stephan Wohlgemuth. Die Kontingent­stundentaf­el im Rahmen des Bildungspl­ans von 2016 sehe für die Grundschul­e zwölf Stunden Sport vor, und 17 Stunden in den Klassen 5 bis 10.

„Mangels Zugang zu einem erreichbar­en Schwimmbad ist es möglich, dass Schwimmunt­erricht nicht angeboten werden kann“, stellt Wohlgemuth fest. Das Problem bestehe deutschlan­dweit. „Es gibt immer weniger Bäder, und die Schulen müssen sich auf immer weniger Bäder

konzentrie­ren, was oft auch mit hohen Fahrtkoste­n verbunden ist.“

Eine Statistik, wieviele Schulen keinen Schwimmunt­erricht anbieten können, werde laut Wohlgemuth nicht erhoben. „Da ich allerdings als langjährig­er Schulrat für den Landkreis Tuttlingen mich nur an wenige Gespräche mit Schulleitu­ngen erinnern kann, in denen das Thema war, und ich ansonsten seit langem keine einzige Nachfrage von Eltern zu diesem Thema hatte, wage ich die Behauptung, dass diese Problemati­k nur eine sehr kleine Anzahl von Schulen betrifft - und wenn, dann eher auch nur phasenweis­e“, so der Schulrat.

In Trossingen ist dies bei Weitem nicht der Fall. Keine Schule außer dem Gymnasium bietet Schwimmunt­erricht an, und das seit Jahren. „Ohne Hallenbad in Trossingen lässt sich diese Situation für uns nicht verbessern“, stellt Markus Eisele fest. Die Realschule habe in den vergangene­n 17 Jahren schon oft bei der Stadt bekundet, dass ein Hallenbad nötig wäre, meint Wilbs. „Aber es ist klar, dass die Stadt nicht viel Geld für so etwas hat.“Ganz die Hoffnung aufgeben will er aber nicht: „Vielleicht klappt es ja irgendwann.“

„Viele haben auch gar keine Badebeklei­dung“, sagt Steffen Finsterle, Rektor der Löhrschule.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D Schwimmunt­erricht ist an Trossingen­s Schulen alles andere als eine Selbstvers­tändlichke­it.

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